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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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nicht einzeln habe danken können, herzlichen Dank zu sagen, daß sie an dem
Buche so lebhaften Anteil genommen haben. Daß ich alles, was mir an sach¬
lichen Mitteilungen zugegangen ist, aufs gewissenhafteste verwerten oder berück¬
sichtigen werde, wenn sich über kurz oder lang eine Neubearbeitung nötig
machen sollte, brauche ich wohl nicht zu versichern.

Natürlich hat es neben dem Lob und Dank auch nicht an Tadel, selbst
nicht an Schmähungen gefehlt. Wer so viel Schläge austeilt, wie ich aus¬
geteilt habe, muß sich darauf gefaßt machen, daß er wieder welche bekommt,
daß namentlich von denen, die sich getroffen fühlen, mit Argusaugen nach
Fehlern gespäht, über jede kleine Blöße hergefallen, jeder kleine Irrtum auf¬
gebauscht, aus jeder Mücke ein Elefant gemacht werden wird. Darüber bin
ich mir, als ich das Buch hinausgab, vollkommen klar gewesen.

Von fünf Seiten her namentlich mußte ich mich auf Angriffe gefaßt
machen: von den Zeituugsschreiberu -- ich meine es nicht böse, wenn ich das
deutsche Wort brauche--.von den Juristen, von den Juden, von den Schul¬
meistern und vou den Professoren. Die Zeitungen hatte ich als die Haupt¬
ursache der Verwilderung unsrer heutigen Schriftsprache hingestellt. Die Juristen
konnten sich verletzt fühlen durch die Behauptung, daß unser Zeitungsdeutsch
vor allem deshalb so schlecht geworden sei, weil es ganz und gar in die
Bahnen des konventionellen, immer breitspurigen, wortreichen, wichtigthuenden
Kanzleistils, der Leibsprnche der Juristen, gerate" sei. Der jüdischen Presse
insbesondre hatte ich einen Teil der zunehmenden Fehlerhaftigkeit unsrer Schrift¬
sprache zur Last gelegt. Die Schulmeister konnten sich beleidigt fühlen weniger
durch den Vorwurf, daß es an unsern höhern Schulen bisher an einem
wirklichen deutscheu Sprachunterricht gefehlt habe, denn dieser Vorwurf trifft
ja nicht sie, sondern die Einrichtungen, als durch gelegentliche spöttische
Bemerkungen über Schnlmeisteraberglanben u. dergl. Die Professoren endlich,
insonderheit die Germanisten, konnten empört sein über die ketzerischen Mei¬
nungen, die ich über die Sprachwissenschaft und ihre einseitigen (naturalistischen)
Anschauungen über Wesen und Entwicklung der Sprache geäußert hatte.

Am vornehmsten habe" sich die journalistischen und die juristischen Kreise
verhalte". Die Tagespresse -- mit Ausnahme der jüdischen -- hat die
,,Sprachdummheiten" mit wahrhaft bewundernswürdiger Unbefa"gerben be¬
urteilt. Obwohl ihr die heftigsten Vorwürfe darin gemacht sind, hat sie
sich fast nirgends beleidigt gezeigt, sondern die Berechtigung der Vorwürfe
rückhaltlos anerkannt, dabei nnr zu ihrer Entschuldigung auf die Schwierig¬
keiten hingewiesen, mit denen sie bei der Herstellung ihrer Erzeugnisse zu
kämpfen habe, im übrigen möglichste Besserung gelobt und vor allem durch
warme Empfehlung außerordentlich zur Verbreitung des Buches beigetragen.
Einzelne Zeitungen, in deren Redaktionen oder unter deren Mitarbeitern sich
zufällig Männer befanden, die in derselben Richtung wie ich beobachtet und


Grenzboten I 74
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nicht einzeln habe danken können, herzlichen Dank zu sagen, daß sie an dem
Buche so lebhaften Anteil genommen haben. Daß ich alles, was mir an sach¬
lichen Mitteilungen zugegangen ist, aufs gewissenhafteste verwerten oder berück¬
sichtigen werde, wenn sich über kurz oder lang eine Neubearbeitung nötig
machen sollte, brauche ich wohl nicht zu versichern.

Natürlich hat es neben dem Lob und Dank auch nicht an Tadel, selbst
nicht an Schmähungen gefehlt. Wer so viel Schläge austeilt, wie ich aus¬
geteilt habe, muß sich darauf gefaßt machen, daß er wieder welche bekommt,
daß namentlich von denen, die sich getroffen fühlen, mit Argusaugen nach
Fehlern gespäht, über jede kleine Blöße hergefallen, jeder kleine Irrtum auf¬
gebauscht, aus jeder Mücke ein Elefant gemacht werden wird. Darüber bin
ich mir, als ich das Buch hinausgab, vollkommen klar gewesen.

Von fünf Seiten her namentlich mußte ich mich auf Angriffe gefaßt
machen: von den Zeituugsschreiberu — ich meine es nicht böse, wenn ich das
deutsche Wort brauche—.von den Juristen, von den Juden, von den Schul¬
meistern und vou den Professoren. Die Zeitungen hatte ich als die Haupt¬
ursache der Verwilderung unsrer heutigen Schriftsprache hingestellt. Die Juristen
konnten sich verletzt fühlen durch die Behauptung, daß unser Zeitungsdeutsch
vor allem deshalb so schlecht geworden sei, weil es ganz und gar in die
Bahnen des konventionellen, immer breitspurigen, wortreichen, wichtigthuenden
Kanzleistils, der Leibsprnche der Juristen, gerate» sei. Der jüdischen Presse
insbesondre hatte ich einen Teil der zunehmenden Fehlerhaftigkeit unsrer Schrift¬
sprache zur Last gelegt. Die Schulmeister konnten sich beleidigt fühlen weniger
durch den Vorwurf, daß es an unsern höhern Schulen bisher an einem
wirklichen deutscheu Sprachunterricht gefehlt habe, denn dieser Vorwurf trifft
ja nicht sie, sondern die Einrichtungen, als durch gelegentliche spöttische
Bemerkungen über Schnlmeisteraberglanben u. dergl. Die Professoren endlich,
insonderheit die Germanisten, konnten empört sein über die ketzerischen Mei¬
nungen, die ich über die Sprachwissenschaft und ihre einseitigen (naturalistischen)
Anschauungen über Wesen und Entwicklung der Sprache geäußert hatte.

Am vornehmsten habe» sich die journalistischen und die juristischen Kreise
verhalte». Die Tagespresse — mit Ausnahme der jüdischen — hat die
,,Sprachdummheiten" mit wahrhaft bewundernswürdiger Unbefa»gerben be¬
urteilt. Obwohl ihr die heftigsten Vorwürfe darin gemacht sind, hat sie
sich fast nirgends beleidigt gezeigt, sondern die Berechtigung der Vorwürfe
rückhaltlos anerkannt, dabei nnr zu ihrer Entschuldigung auf die Schwierig¬
keiten hingewiesen, mit denen sie bei der Herstellung ihrer Erzeugnisse zu
kämpfen habe, im übrigen möglichste Besserung gelobt und vor allem durch
warme Empfehlung außerordentlich zur Verbreitung des Buches beigetragen.
Einzelne Zeitungen, in deren Redaktionen oder unter deren Mitarbeitern sich
zufällig Männer befanden, die in derselben Richtung wie ich beobachtet und


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[0593] Zu den Sprachdmnmheiten nicht einzeln habe danken können, herzlichen Dank zu sagen, daß sie an dem Buche so lebhaften Anteil genommen haben. Daß ich alles, was mir an sach¬ lichen Mitteilungen zugegangen ist, aufs gewissenhafteste verwerten oder berück¬ sichtigen werde, wenn sich über kurz oder lang eine Neubearbeitung nötig machen sollte, brauche ich wohl nicht zu versichern. Natürlich hat es neben dem Lob und Dank auch nicht an Tadel, selbst nicht an Schmähungen gefehlt. Wer so viel Schläge austeilt, wie ich aus¬ geteilt habe, muß sich darauf gefaßt machen, daß er wieder welche bekommt, daß namentlich von denen, die sich getroffen fühlen, mit Argusaugen nach Fehlern gespäht, über jede kleine Blöße hergefallen, jeder kleine Irrtum auf¬ gebauscht, aus jeder Mücke ein Elefant gemacht werden wird. Darüber bin ich mir, als ich das Buch hinausgab, vollkommen klar gewesen. Von fünf Seiten her namentlich mußte ich mich auf Angriffe gefaßt machen: von den Zeituugsschreiberu — ich meine es nicht böse, wenn ich das deutsche Wort brauche—.von den Juristen, von den Juden, von den Schul¬ meistern und vou den Professoren. Die Zeitungen hatte ich als die Haupt¬ ursache der Verwilderung unsrer heutigen Schriftsprache hingestellt. Die Juristen konnten sich verletzt fühlen durch die Behauptung, daß unser Zeitungsdeutsch vor allem deshalb so schlecht geworden sei, weil es ganz und gar in die Bahnen des konventionellen, immer breitspurigen, wortreichen, wichtigthuenden Kanzleistils, der Leibsprnche der Juristen, gerate» sei. Der jüdischen Presse insbesondre hatte ich einen Teil der zunehmenden Fehlerhaftigkeit unsrer Schrift¬ sprache zur Last gelegt. Die Schulmeister konnten sich beleidigt fühlen weniger durch den Vorwurf, daß es an unsern höhern Schulen bisher an einem wirklichen deutscheu Sprachunterricht gefehlt habe, denn dieser Vorwurf trifft ja nicht sie, sondern die Einrichtungen, als durch gelegentliche spöttische Bemerkungen über Schnlmeisteraberglanben u. dergl. Die Professoren endlich, insonderheit die Germanisten, konnten empört sein über die ketzerischen Mei¬ nungen, die ich über die Sprachwissenschaft und ihre einseitigen (naturalistischen) Anschauungen über Wesen und Entwicklung der Sprache geäußert hatte. Am vornehmsten habe» sich die journalistischen und die juristischen Kreise verhalte». Die Tagespresse — mit Ausnahme der jüdischen — hat die ,,Sprachdummheiten" mit wahrhaft bewundernswürdiger Unbefa»gerben be¬ urteilt. Obwohl ihr die heftigsten Vorwürfe darin gemacht sind, hat sie sich fast nirgends beleidigt gezeigt, sondern die Berechtigung der Vorwürfe rückhaltlos anerkannt, dabei nnr zu ihrer Entschuldigung auf die Schwierig¬ keiten hingewiesen, mit denen sie bei der Herstellung ihrer Erzeugnisse zu kämpfen habe, im übrigen möglichste Besserung gelobt und vor allem durch warme Empfehlung außerordentlich zur Verbreitung des Buches beigetragen. Einzelne Zeitungen, in deren Redaktionen oder unter deren Mitarbeitern sich zufällig Männer befanden, die in derselben Richtung wie ich beobachtet und Grenzboten I 74

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/593>, abgerufen am 23.07.2024.