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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Die Schlacht bei Marathon

also dadurch eine kritische Gemütsberuhigung verschafft, daß er es unglaub¬
würdig findet, Dnreios habe sich daran erinnern lassen, daß die Athener noch
nicht bestraft waren, dem möge diese Freude unbenommen bleiben.

Den vierten Punkt lassen wir unerörtert, da kein Grund angegeben ist,
warum die Angabe Herodots von den persischen Rüstungen unbegründet sei.

Was den fünften betrifft, so ist zuzugeben, daß sich Herodot einer straft
indem Unterlassung schuldig gemacht hat, indem er nicht ausdrücklich sagt, daß
die Reiterei der Perser ausgeschifft worden sei. Dafür berichtet er aber, Mara¬
thon sei der passendste Teil Attikas zum Reiten, Eretria am nächsten ge¬
legen, und dahin habe Hippias also die Perser geführt. Im übrigen ist es
bekanntlich eine unentschiedene Streitfrage, welche Rolle die persische Reiterei
bei der Sache gespielt hat, da Herodots Schlachtbericht sehr summarisch ist,

Sechstens erwähnt Herodot bei seiner Beschreibung der Schlacht Datis
und Artaphernes allerdings nicht, er sagt aber auch nicht, daß Hippias deu
Befehl geführt habe; alles, was er in dieser Beziehung ausdrücklich sagt, be¬
schränkt sich darauf, daß Hippias dem Perserheere als Führer gedient habe.
Da Welzhofer den Hippias zum Feldherrn macht, muß er natürlich auch
das Zeugnis des Gemäldes in der Stoa Poitile verwerfen. Herodot ist
gerade deshalb so außerordentlich zuverlässig, weil er nichts sagt, als das,
was er glaubwürdig erfahren hat. Von der Art, wie Datis und Artaphernes
die Schlacht leiteten, wußte er aus begreiflichen Gründen nichts, über ihre
Beteiligung am Kampfe gab es keine Überlieferung; deshalb schweigt er davon.
Daß sie nicht etwa von Eretria nach Hause gefahren waren, während ihr Heer
oder - - um in dein Gedankengange des Verfassers zu bleiben -- ein Teil
ihres Heeres unter Hippias in Attika landete, hat er auch nicht gesagt, weil
er nicht glaubte, Leser zu finden, die die Feldherren eines gegen Griechenland
ausgeschickten Heeres zu der Zeit auf der Heimfahrt vermuteten, wo er am
Ziele angekommen war. Was das Gemälde in der Säulenhalle anlangt,
so ist es eine Quelle ersten Ranges dafür, daß Datis und Artaphernes in
der Schlacht befehligten. Nach Plinius malte Pauainos, ein Bruder oder
Neffe des Pheidias, etwa vierzig Jahre nach der Schlacht bei Marathon
Datis, Artaphernes, Miltiades, Kallimachos und Kynegeiros unter den Per¬
sonen, die in der Schlacht kämpften. Daß der Maler nach Pausanias dabei
auch Götter und Halbgötter wie Theseus und Athene darstellte, kann gegen
dieses Zeugnis nicht geltend gemacht werden, wenn man nicht etwa auf
modernen Gemälden aus der Anbringung einer Kriegsgöttin folgern will,
daß die Person, die sie krönt oder beschützt, ebenso wenig Wirklichkeit habe,
wie die Göttin selbst. Pausanias erwähnt in der Beschreibung des Gemäldes
die persischen eben so wenig wie die athenischen Feldherren, berichtet aber, daß
der Zusammenstoß der beiden Heere, die regellose Flucht der Barbaren, auf
der sie sich gegenseitig in die Sümpfe drängten, und das niedermachen eines


Die Schlacht bei Marathon

also dadurch eine kritische Gemütsberuhigung verschafft, daß er es unglaub¬
würdig findet, Dnreios habe sich daran erinnern lassen, daß die Athener noch
nicht bestraft waren, dem möge diese Freude unbenommen bleiben.

Den vierten Punkt lassen wir unerörtert, da kein Grund angegeben ist,
warum die Angabe Herodots von den persischen Rüstungen unbegründet sei.

Was den fünften betrifft, so ist zuzugeben, daß sich Herodot einer straft
indem Unterlassung schuldig gemacht hat, indem er nicht ausdrücklich sagt, daß
die Reiterei der Perser ausgeschifft worden sei. Dafür berichtet er aber, Mara¬
thon sei der passendste Teil Attikas zum Reiten, Eretria am nächsten ge¬
legen, und dahin habe Hippias also die Perser geführt. Im übrigen ist es
bekanntlich eine unentschiedene Streitfrage, welche Rolle die persische Reiterei
bei der Sache gespielt hat, da Herodots Schlachtbericht sehr summarisch ist,

Sechstens erwähnt Herodot bei seiner Beschreibung der Schlacht Datis
und Artaphernes allerdings nicht, er sagt aber auch nicht, daß Hippias deu
Befehl geführt habe; alles, was er in dieser Beziehung ausdrücklich sagt, be¬
schränkt sich darauf, daß Hippias dem Perserheere als Führer gedient habe.
Da Welzhofer den Hippias zum Feldherrn macht, muß er natürlich auch
das Zeugnis des Gemäldes in der Stoa Poitile verwerfen. Herodot ist
gerade deshalb so außerordentlich zuverlässig, weil er nichts sagt, als das,
was er glaubwürdig erfahren hat. Von der Art, wie Datis und Artaphernes
die Schlacht leiteten, wußte er aus begreiflichen Gründen nichts, über ihre
Beteiligung am Kampfe gab es keine Überlieferung; deshalb schweigt er davon.
Daß sie nicht etwa von Eretria nach Hause gefahren waren, während ihr Heer
oder - - um in dein Gedankengange des Verfassers zu bleiben — ein Teil
ihres Heeres unter Hippias in Attika landete, hat er auch nicht gesagt, weil
er nicht glaubte, Leser zu finden, die die Feldherren eines gegen Griechenland
ausgeschickten Heeres zu der Zeit auf der Heimfahrt vermuteten, wo er am
Ziele angekommen war. Was das Gemälde in der Säulenhalle anlangt,
so ist es eine Quelle ersten Ranges dafür, daß Datis und Artaphernes in
der Schlacht befehligten. Nach Plinius malte Pauainos, ein Bruder oder
Neffe des Pheidias, etwa vierzig Jahre nach der Schlacht bei Marathon
Datis, Artaphernes, Miltiades, Kallimachos und Kynegeiros unter den Per¬
sonen, die in der Schlacht kämpften. Daß der Maler nach Pausanias dabei
auch Götter und Halbgötter wie Theseus und Athene darstellte, kann gegen
dieses Zeugnis nicht geltend gemacht werden, wenn man nicht etwa auf
modernen Gemälden aus der Anbringung einer Kriegsgöttin folgern will,
daß die Person, die sie krönt oder beschützt, ebenso wenig Wirklichkeit habe,
wie die Göttin selbst. Pausanias erwähnt in der Beschreibung des Gemäldes
die persischen eben so wenig wie die athenischen Feldherren, berichtet aber, daß
der Zusammenstoß der beiden Heere, die regellose Flucht der Barbaren, auf
der sie sich gegenseitig in die Sümpfe drängten, und das niedermachen eines


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[0590] Die Schlacht bei Marathon also dadurch eine kritische Gemütsberuhigung verschafft, daß er es unglaub¬ würdig findet, Dnreios habe sich daran erinnern lassen, daß die Athener noch nicht bestraft waren, dem möge diese Freude unbenommen bleiben. Den vierten Punkt lassen wir unerörtert, da kein Grund angegeben ist, warum die Angabe Herodots von den persischen Rüstungen unbegründet sei. Was den fünften betrifft, so ist zuzugeben, daß sich Herodot einer straft indem Unterlassung schuldig gemacht hat, indem er nicht ausdrücklich sagt, daß die Reiterei der Perser ausgeschifft worden sei. Dafür berichtet er aber, Mara¬ thon sei der passendste Teil Attikas zum Reiten, Eretria am nächsten ge¬ legen, und dahin habe Hippias also die Perser geführt. Im übrigen ist es bekanntlich eine unentschiedene Streitfrage, welche Rolle die persische Reiterei bei der Sache gespielt hat, da Herodots Schlachtbericht sehr summarisch ist, Sechstens erwähnt Herodot bei seiner Beschreibung der Schlacht Datis und Artaphernes allerdings nicht, er sagt aber auch nicht, daß Hippias deu Befehl geführt habe; alles, was er in dieser Beziehung ausdrücklich sagt, be¬ schränkt sich darauf, daß Hippias dem Perserheere als Führer gedient habe. Da Welzhofer den Hippias zum Feldherrn macht, muß er natürlich auch das Zeugnis des Gemäldes in der Stoa Poitile verwerfen. Herodot ist gerade deshalb so außerordentlich zuverlässig, weil er nichts sagt, als das, was er glaubwürdig erfahren hat. Von der Art, wie Datis und Artaphernes die Schlacht leiteten, wußte er aus begreiflichen Gründen nichts, über ihre Beteiligung am Kampfe gab es keine Überlieferung; deshalb schweigt er davon. Daß sie nicht etwa von Eretria nach Hause gefahren waren, während ihr Heer oder - - um in dein Gedankengange des Verfassers zu bleiben — ein Teil ihres Heeres unter Hippias in Attika landete, hat er auch nicht gesagt, weil er nicht glaubte, Leser zu finden, die die Feldherren eines gegen Griechenland ausgeschickten Heeres zu der Zeit auf der Heimfahrt vermuteten, wo er am Ziele angekommen war. Was das Gemälde in der Säulenhalle anlangt, so ist es eine Quelle ersten Ranges dafür, daß Datis und Artaphernes in der Schlacht befehligten. Nach Plinius malte Pauainos, ein Bruder oder Neffe des Pheidias, etwa vierzig Jahre nach der Schlacht bei Marathon Datis, Artaphernes, Miltiades, Kallimachos und Kynegeiros unter den Per¬ sonen, die in der Schlacht kämpften. Daß der Maler nach Pausanias dabei auch Götter und Halbgötter wie Theseus und Athene darstellte, kann gegen dieses Zeugnis nicht geltend gemacht werden, wenn man nicht etwa auf modernen Gemälden aus der Anbringung einer Kriegsgöttin folgern will, daß die Person, die sie krönt oder beschützt, ebenso wenig Wirklichkeit habe, wie die Göttin selbst. Pausanias erwähnt in der Beschreibung des Gemäldes die persischen eben so wenig wie die athenischen Feldherren, berichtet aber, daß der Zusammenstoß der beiden Heere, die regellose Flucht der Barbaren, auf der sie sich gegenseitig in die Sümpfe drängten, und das niedermachen eines

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/590>, abgerufen am 23.07.2024.