Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Straßenrecht zur See und seine Mängel

ein- bis zweimaligem Hören eines Nebelsignals nicht imstande ist, die Rich¬
tung des Gegendampfers genau zu erkennen, so ist man natürlich auch
nicht imstande, irgendwelche Ausweichmanöver zu machen und muß sich
auf gut Glück darauf verlassen, daß kein Zusammenstoß vorkommen wird.
Hätten beide Dampfer nur sechs Seemeilen Geschwindigkeit, so würde man
etwa fünf bis sechsmal auf jedem Schiffe die Signale hören, und ein zweck¬
mäßiges Manövriren würde möglich werden. Bezeichnend sagt Kapitän Richard
von dem Beschluß der Konferenz über Artikel 13: Votro as<zi8ion ins rappsllo
"erwin ckovtigur cM, Ävrvs iivoir von6g.an6 son irucktuliz, vn xi6ng.it Misnicmt
vanZs su lui "Zisant,: ?yrt,W-v0N8 Kiön. Immerhin bleibt es wünschenswert,
daß die mancherlei Verbesserungsvorschläge der Washingtoner Konferenz recht
bald allgemein eingeführt werden.

Die Nebelgefahr ist offenbar nur durch Vorsicht zu vermeiden. Der
Kernpunkt ist und bleibt also die frühzeitige und hinreichende Mäßigung der
Geschwindigkeit -- natürlich nur so weit, daß das Schiff noch manövrirfähig
bleibt, um ausweichen zu können. Darüber sind wohl alle Fachleute einig.
Nur der englische Zopf -- und vielleicht noch mehr die Interessen der dor¬
tigen Schnelldampfergesellschaften -- verhindert die sachgemäße internationale
Regelung. Wie weit es gelingen würde, wenn es überhaupt unternommen
würde, daß die übrigen, einsichtsvollern Nationen allein oder vereint Ma߬
regeln träfen, eine bestimmte Geschwindigkeitsmäßiguug wenigstens für die
eignen Schiffe durchzuführen, mag dahingestellt bleiben. Rechnet doch der
gesamte Seehandelsstand der Welt mit dem Groschen, aber nicht mit Menschen¬
leben; ist ein Schiff gut versichert, so leidet der Geldbeutel beim Untergange
desselben keinen Schaden. ^savissars inzesssö, vivero non sse -- dieser alte Wahl¬
spruch des Hauses Seefahrt der Bremer Rheder gilt auch heute noch. So¬
lange die Engländer also im Nebel schnell fahren, müssen es die übrigen Schnell¬
dampfergesellschaften mit Rücksicht ans ihre Aktionäre ebenfalls thun.

Natürlich sind anch in England gewichtige Stimmen gegen diese Übelstände
laut geworden. Der Engländer hat im allgemeinen großes Verständnis und
reges Interesse für nautische Angelegenheiten, und so sind diese Fragen von
ihm muss lebhafteste erörtert worden. Gedrängt von der öffentlichen Meinung
haben sich die englischen Schnelldampfergesellschaften kürzlich auf eigne Faust
zusammmengethan und beschlossen, ihre Schiffe bestimmte Wege für die Hin-
und Rückfahrt einschlagen zu lassen. Wahrscheinlich war ihnen unbekannt,
daß dieser Gedanke bereits vor mehreren Jahren von dem französischen Ad¬
miral Clonci ausgesprochen worden ist. So viel darüber bekannt geworden
ist, sind bei diesem eigenmächtigen Vorgehen weder die dentschen noch die
französischen Schnelldampfergesellschaften um ihre Ansicht und ihr Einver¬
ständnis gefragt worden; John Bull nimmt kurzweg an, daß sich diese dem
von ihm für gut befundnen anschließen werden.


Das Straßenrecht zur See und seine Mängel

ein- bis zweimaligem Hören eines Nebelsignals nicht imstande ist, die Rich¬
tung des Gegendampfers genau zu erkennen, so ist man natürlich auch
nicht imstande, irgendwelche Ausweichmanöver zu machen und muß sich
auf gut Glück darauf verlassen, daß kein Zusammenstoß vorkommen wird.
Hätten beide Dampfer nur sechs Seemeilen Geschwindigkeit, so würde man
etwa fünf bis sechsmal auf jedem Schiffe die Signale hören, und ein zweck¬
mäßiges Manövriren würde möglich werden. Bezeichnend sagt Kapitän Richard
von dem Beschluß der Konferenz über Artikel 13: Votro as<zi8ion ins rappsllo
«erwin ckovtigur cM, Ävrvs iivoir von6g.an6 son irucktuliz, vn xi6ng.it Misnicmt
vanZs su lui «Zisant,: ?yrt,W-v0N8 Kiön. Immerhin bleibt es wünschenswert,
daß die mancherlei Verbesserungsvorschläge der Washingtoner Konferenz recht
bald allgemein eingeführt werden.

Die Nebelgefahr ist offenbar nur durch Vorsicht zu vermeiden. Der
Kernpunkt ist und bleibt also die frühzeitige und hinreichende Mäßigung der
Geschwindigkeit — natürlich nur so weit, daß das Schiff noch manövrirfähig
bleibt, um ausweichen zu können. Darüber sind wohl alle Fachleute einig.
Nur der englische Zopf — und vielleicht noch mehr die Interessen der dor¬
tigen Schnelldampfergesellschaften — verhindert die sachgemäße internationale
Regelung. Wie weit es gelingen würde, wenn es überhaupt unternommen
würde, daß die übrigen, einsichtsvollern Nationen allein oder vereint Ma߬
regeln träfen, eine bestimmte Geschwindigkeitsmäßiguug wenigstens für die
eignen Schiffe durchzuführen, mag dahingestellt bleiben. Rechnet doch der
gesamte Seehandelsstand der Welt mit dem Groschen, aber nicht mit Menschen¬
leben; ist ein Schiff gut versichert, so leidet der Geldbeutel beim Untergange
desselben keinen Schaden. ^savissars inzesssö, vivero non sse — dieser alte Wahl¬
spruch des Hauses Seefahrt der Bremer Rheder gilt auch heute noch. So¬
lange die Engländer also im Nebel schnell fahren, müssen es die übrigen Schnell¬
dampfergesellschaften mit Rücksicht ans ihre Aktionäre ebenfalls thun.

Natürlich sind anch in England gewichtige Stimmen gegen diese Übelstände
laut geworden. Der Engländer hat im allgemeinen großes Verständnis und
reges Interesse für nautische Angelegenheiten, und so sind diese Fragen von
ihm muss lebhafteste erörtert worden. Gedrängt von der öffentlichen Meinung
haben sich die englischen Schnelldampfergesellschaften kürzlich auf eigne Faust
zusammmengethan und beschlossen, ihre Schiffe bestimmte Wege für die Hin-
und Rückfahrt einschlagen zu lassen. Wahrscheinlich war ihnen unbekannt,
daß dieser Gedanke bereits vor mehreren Jahren von dem französischen Ad¬
miral Clonci ausgesprochen worden ist. So viel darüber bekannt geworden
ist, sind bei diesem eigenmächtigen Vorgehen weder die dentschen noch die
französischen Schnelldampfergesellschaften um ihre Ansicht und ihr Einver¬
ständnis gefragt worden; John Bull nimmt kurzweg an, daß sich diese dem
von ihm für gut befundnen anschließen werden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0584" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211752"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Straßenrecht zur See und seine Mängel</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1702" prev="#ID_1701"> ein- bis zweimaligem Hören eines Nebelsignals nicht imstande ist, die Rich¬<lb/>
tung des Gegendampfers genau zu erkennen, so ist man natürlich auch<lb/>
nicht imstande, irgendwelche Ausweichmanöver zu machen und muß sich<lb/>
auf gut Glück darauf verlassen, daß kein Zusammenstoß vorkommen wird.<lb/>
Hätten beide Dampfer nur sechs Seemeilen Geschwindigkeit, so würde man<lb/>
etwa fünf bis sechsmal auf jedem Schiffe die Signale hören, und ein zweck¬<lb/>
mäßiges Manövriren würde möglich werden. Bezeichnend sagt Kapitän Richard<lb/>
von dem Beschluß der Konferenz über Artikel 13: Votro as&lt;zi8ion ins rappsllo<lb/>
«erwin ckovtigur cM, Ävrvs iivoir von6g.an6 son irucktuliz, vn xi6ng.it Misnicmt<lb/>
vanZs su lui «Zisant,: ?yrt,W-v0N8 Kiön. Immerhin bleibt es wünschenswert,<lb/>
daß die mancherlei Verbesserungsvorschläge der Washingtoner Konferenz recht<lb/>
bald allgemein eingeführt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1703"> Die Nebelgefahr ist offenbar nur durch Vorsicht zu vermeiden. Der<lb/>
Kernpunkt ist und bleibt also die frühzeitige und hinreichende Mäßigung der<lb/>
Geschwindigkeit &#x2014; natürlich nur so weit, daß das Schiff noch manövrirfähig<lb/>
bleibt, um ausweichen zu können. Darüber sind wohl alle Fachleute einig.<lb/>
Nur der englische Zopf &#x2014; und vielleicht noch mehr die Interessen der dor¬<lb/>
tigen Schnelldampfergesellschaften &#x2014; verhindert die sachgemäße internationale<lb/>
Regelung. Wie weit es gelingen würde, wenn es überhaupt unternommen<lb/>
würde, daß die übrigen, einsichtsvollern Nationen allein oder vereint Ma߬<lb/>
regeln träfen, eine bestimmte Geschwindigkeitsmäßiguug wenigstens für die<lb/>
eignen Schiffe durchzuführen, mag dahingestellt bleiben. Rechnet doch der<lb/>
gesamte Seehandelsstand der Welt mit dem Groschen, aber nicht mit Menschen¬<lb/>
leben; ist ein Schiff gut versichert, so leidet der Geldbeutel beim Untergange<lb/>
desselben keinen Schaden. ^savissars inzesssö, vivero non sse &#x2014; dieser alte Wahl¬<lb/>
spruch des Hauses Seefahrt der Bremer Rheder gilt auch heute noch. So¬<lb/>
lange die Engländer also im Nebel schnell fahren, müssen es die übrigen Schnell¬<lb/>
dampfergesellschaften mit Rücksicht ans ihre Aktionäre ebenfalls thun.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1704"> Natürlich sind anch in England gewichtige Stimmen gegen diese Übelstände<lb/>
laut geworden. Der Engländer hat im allgemeinen großes Verständnis und<lb/>
reges Interesse für nautische Angelegenheiten, und so sind diese Fragen von<lb/>
ihm muss lebhafteste erörtert worden. Gedrängt von der öffentlichen Meinung<lb/>
haben sich die englischen Schnelldampfergesellschaften kürzlich auf eigne Faust<lb/>
zusammmengethan und beschlossen, ihre Schiffe bestimmte Wege für die Hin-<lb/>
und Rückfahrt einschlagen zu lassen. Wahrscheinlich war ihnen unbekannt,<lb/>
daß dieser Gedanke bereits vor mehreren Jahren von dem französischen Ad¬<lb/>
miral Clonci ausgesprochen worden ist. So viel darüber bekannt geworden<lb/>
ist, sind bei diesem eigenmächtigen Vorgehen weder die dentschen noch die<lb/>
französischen Schnelldampfergesellschaften um ihre Ansicht und ihr Einver¬<lb/>
ständnis gefragt worden; John Bull nimmt kurzweg an, daß sich diese dem<lb/>
von ihm für gut befundnen anschließen werden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0584] Das Straßenrecht zur See und seine Mängel ein- bis zweimaligem Hören eines Nebelsignals nicht imstande ist, die Rich¬ tung des Gegendampfers genau zu erkennen, so ist man natürlich auch nicht imstande, irgendwelche Ausweichmanöver zu machen und muß sich auf gut Glück darauf verlassen, daß kein Zusammenstoß vorkommen wird. Hätten beide Dampfer nur sechs Seemeilen Geschwindigkeit, so würde man etwa fünf bis sechsmal auf jedem Schiffe die Signale hören, und ein zweck¬ mäßiges Manövriren würde möglich werden. Bezeichnend sagt Kapitän Richard von dem Beschluß der Konferenz über Artikel 13: Votro as<zi8ion ins rappsllo «erwin ckovtigur cM, Ävrvs iivoir von6g.an6 son irucktuliz, vn xi6ng.it Misnicmt vanZs su lui «Zisant,: ?yrt,W-v0N8 Kiön. Immerhin bleibt es wünschenswert, daß die mancherlei Verbesserungsvorschläge der Washingtoner Konferenz recht bald allgemein eingeführt werden. Die Nebelgefahr ist offenbar nur durch Vorsicht zu vermeiden. Der Kernpunkt ist und bleibt also die frühzeitige und hinreichende Mäßigung der Geschwindigkeit — natürlich nur so weit, daß das Schiff noch manövrirfähig bleibt, um ausweichen zu können. Darüber sind wohl alle Fachleute einig. Nur der englische Zopf — und vielleicht noch mehr die Interessen der dor¬ tigen Schnelldampfergesellschaften — verhindert die sachgemäße internationale Regelung. Wie weit es gelingen würde, wenn es überhaupt unternommen würde, daß die übrigen, einsichtsvollern Nationen allein oder vereint Ma߬ regeln träfen, eine bestimmte Geschwindigkeitsmäßiguug wenigstens für die eignen Schiffe durchzuführen, mag dahingestellt bleiben. Rechnet doch der gesamte Seehandelsstand der Welt mit dem Groschen, aber nicht mit Menschen¬ leben; ist ein Schiff gut versichert, so leidet der Geldbeutel beim Untergange desselben keinen Schaden. ^savissars inzesssö, vivero non sse — dieser alte Wahl¬ spruch des Hauses Seefahrt der Bremer Rheder gilt auch heute noch. So¬ lange die Engländer also im Nebel schnell fahren, müssen es die übrigen Schnell¬ dampfergesellschaften mit Rücksicht ans ihre Aktionäre ebenfalls thun. Natürlich sind anch in England gewichtige Stimmen gegen diese Übelstände laut geworden. Der Engländer hat im allgemeinen großes Verständnis und reges Interesse für nautische Angelegenheiten, und so sind diese Fragen von ihm muss lebhafteste erörtert worden. Gedrängt von der öffentlichen Meinung haben sich die englischen Schnelldampfergesellschaften kürzlich auf eigne Faust zusammmengethan und beschlossen, ihre Schiffe bestimmte Wege für die Hin- und Rückfahrt einschlagen zu lassen. Wahrscheinlich war ihnen unbekannt, daß dieser Gedanke bereits vor mehreren Jahren von dem französischen Ad¬ miral Clonci ausgesprochen worden ist. So viel darüber bekannt geworden ist, sind bei diesem eigenmächtigen Vorgehen weder die dentschen noch die französischen Schnelldampfergesellschaften um ihre Ansicht und ihr Einver¬ ständnis gefragt worden; John Bull nimmt kurzweg an, daß sich diese dem von ihm für gut befundnen anschließen werden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/584
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/584>, abgerufen am 23.07.2024.