Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.stehn. In den meisten Fällen erhöht sich der Preis freilich aus folgendem So liegen die Verhältnisse in Berlin. In der Kolonie des Vororts Das Endergebnis ist folgendes. Da für die Mehrzahl der Arbeiterfamilie" stehn. In den meisten Fällen erhöht sich der Preis freilich aus folgendem So liegen die Verhältnisse in Berlin. In der Kolonie des Vororts Das Endergebnis ist folgendes. Da für die Mehrzahl der Arbeiterfamilie» <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0574" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211742"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1674" prev="#ID_1673"> stehn. In den meisten Fällen erhöht sich der Preis freilich aus folgendem<lb/> Grunde. Eine Statistik, die vor einiger Zeit in zwei großen Gemeindeschulen<lb/> der Berliner Arbeite» viertel aufgenommen wurde, ergab, daß bei etwa fünfzig<lb/> Prozent der Schüler der — in Berlin wohnende — Vater seine Arbeitsstätte<lb/> so weit entfernt von der Wohnung hatte, daß er über Mittag nicht zu Hanse<lb/> sein konnte, während bei 23 Prozent das Mittagessen nachgetragen wurde. Es<lb/> ist zweifellos, daß weder der Arbeiter, noch sein Weib oder Kind, das ihm<lb/> Mittagessen bringt, täglich zweimal den weiten Weg zwischen Wohnung und<lb/> Arbeitsstätte zu Fuß zurücklegen wird. Sie werden mindestens einmal eine<lb/> Fahrgelegenheit benutzen. Nun verursacht das aber, selbst wenn der Omnibus, die<lb/> Pferdebahn oder die Stadtbahn täglich nur ein- oder zweimal benutzt wird, eine<lb/> Ausgabe von mindestens dreißig bis sechzig Mark jährlich. Rechnet mau diesen<lb/> Betrag der Wohnuugsmiete zu, so ergiebt sich, daß der . (etwa in der zweiten<lb/> Stadtzone wohnende) Berliner Arbeiter durchschnittlich 330 bis 360 Mark<lb/> im Jahre auf die Befriedigung seines Wohnbedürfnisses verwenden muß. Wer<lb/> eine solche Summe nicht erschwingen kaun, hat keine andre Wahl, als seine<lb/> Ansprüche herunterzuschrauben und sich mit einer einzelnen Stube zu begnügen.<lb/> Daß die Stube, in der gekocht, gegessen, geschlafen und schließlich auch uoch ge¬<lb/> waschen wird, durch Überfüllung, Unsauberkeit und Mangel an Luft zu einer<lb/> Brutstätte von Krankheiten aller Art werden muß, daß aus dem Zusammen¬<lb/> pferchen der Bewohner schwere sittliche Gefahren entstehen müssen, das wird<lb/> jedermann zugeben. Ich will auf diese Dinge nicht näher eingehen. Der<lb/> jährliche Mietpreis selbst einer Einzimmerwohnung kommt durchschnittlich auf<lb/> 200 Mark zu stehen und, wenn man die Transportkosten nach oder von der<lb/> Arbeitsstätte hinzurechnet, auf 230 bis 260 Mark.</p><lb/> <p xml:id="ID_1675"> So liegen die Verhältnisse in Berlin. In der Kolonie des Vororts<lb/> Biesdorf werden sie sich voraussichtlich folgendermaßen gestalten. Der Kcinfer<lb/> eines aus zwei Stuben, Küche und Bodenraum bestehenden Hauses (^) der<lb/> Ballgesellschaft Eigenhaus zahlt jährlich für Miete und Amortisation der<lb/> Grnnderwerbskosten 28V Mark. Die Bahnverwaltung gewährt ihm für<lb/> 1,10 Mark eine Arbeiterwochenkarte 3. Klasse, die täglich einmal zur Hin-<lb/> und Rückfahrt zwischen Biesdorf und dem Schlesischen Bahnhöfe, dem Mittel¬<lb/> punkte des Berliner Fabrikviertels berechtigt. Danach sind 57 Mark jährlich<lb/> für Arbeiterwochenkarten zu zahlen und bei Berechnung der Wvhnungskvsten<lb/> anzusetzen. Das ergiebt insgesamt eine Ausgabe von 337 Mark zur Be¬<lb/> friedigung des Wohnbedürfnisses.</p><lb/> <p xml:id="ID_1676" next="#ID_1677"> Das Endergebnis ist folgendes. Da für die Mehrzahl der Arbeiterfamilie»<lb/> wegen der Entfernung der Wohnungen von den Arbeitsstätten kein Grund vor¬<lb/> liegt, in der teuern Stadt zu wohnen, da ferner ein Arbeiter, der 300 Mark<lb/> jährlich zu Wohnzwecken übrig hat, imstande ist, mit dieser Summe in dem<lb/> Vororte Biesdorf ein eignes, geräumiges Haus zu erwerben, während er sich in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0574]
stehn. In den meisten Fällen erhöht sich der Preis freilich aus folgendem
Grunde. Eine Statistik, die vor einiger Zeit in zwei großen Gemeindeschulen
der Berliner Arbeite» viertel aufgenommen wurde, ergab, daß bei etwa fünfzig
Prozent der Schüler der — in Berlin wohnende — Vater seine Arbeitsstätte
so weit entfernt von der Wohnung hatte, daß er über Mittag nicht zu Hanse
sein konnte, während bei 23 Prozent das Mittagessen nachgetragen wurde. Es
ist zweifellos, daß weder der Arbeiter, noch sein Weib oder Kind, das ihm
Mittagessen bringt, täglich zweimal den weiten Weg zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte zu Fuß zurücklegen wird. Sie werden mindestens einmal eine
Fahrgelegenheit benutzen. Nun verursacht das aber, selbst wenn der Omnibus, die
Pferdebahn oder die Stadtbahn täglich nur ein- oder zweimal benutzt wird, eine
Ausgabe von mindestens dreißig bis sechzig Mark jährlich. Rechnet mau diesen
Betrag der Wohnuugsmiete zu, so ergiebt sich, daß der . (etwa in der zweiten
Stadtzone wohnende) Berliner Arbeiter durchschnittlich 330 bis 360 Mark
im Jahre auf die Befriedigung seines Wohnbedürfnisses verwenden muß. Wer
eine solche Summe nicht erschwingen kaun, hat keine andre Wahl, als seine
Ansprüche herunterzuschrauben und sich mit einer einzelnen Stube zu begnügen.
Daß die Stube, in der gekocht, gegessen, geschlafen und schließlich auch uoch ge¬
waschen wird, durch Überfüllung, Unsauberkeit und Mangel an Luft zu einer
Brutstätte von Krankheiten aller Art werden muß, daß aus dem Zusammen¬
pferchen der Bewohner schwere sittliche Gefahren entstehen müssen, das wird
jedermann zugeben. Ich will auf diese Dinge nicht näher eingehen. Der
jährliche Mietpreis selbst einer Einzimmerwohnung kommt durchschnittlich auf
200 Mark zu stehen und, wenn man die Transportkosten nach oder von der
Arbeitsstätte hinzurechnet, auf 230 bis 260 Mark.
So liegen die Verhältnisse in Berlin. In der Kolonie des Vororts
Biesdorf werden sie sich voraussichtlich folgendermaßen gestalten. Der Kcinfer
eines aus zwei Stuben, Küche und Bodenraum bestehenden Hauses (^) der
Ballgesellschaft Eigenhaus zahlt jährlich für Miete und Amortisation der
Grnnderwerbskosten 28V Mark. Die Bahnverwaltung gewährt ihm für
1,10 Mark eine Arbeiterwochenkarte 3. Klasse, die täglich einmal zur Hin-
und Rückfahrt zwischen Biesdorf und dem Schlesischen Bahnhöfe, dem Mittel¬
punkte des Berliner Fabrikviertels berechtigt. Danach sind 57 Mark jährlich
für Arbeiterwochenkarten zu zahlen und bei Berechnung der Wvhnungskvsten
anzusetzen. Das ergiebt insgesamt eine Ausgabe von 337 Mark zur Be¬
friedigung des Wohnbedürfnisses.
Das Endergebnis ist folgendes. Da für die Mehrzahl der Arbeiterfamilie»
wegen der Entfernung der Wohnungen von den Arbeitsstätten kein Grund vor¬
liegt, in der teuern Stadt zu wohnen, da ferner ein Arbeiter, der 300 Mark
jährlich zu Wohnzwecken übrig hat, imstande ist, mit dieser Summe in dem
Vororte Biesdorf ein eignes, geräumiges Haus zu erwerben, während er sich in
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