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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Der VatternMiid unsre Rettung

Aller was ist zu machen, das; der Rückzug beginne von der Stadt aufs
Land? Ihr Staatsleiter iind Gesetzgeber, es ist die höchste Zeit, darüber
nachzudenken!

Ich habe schon darüber nachgedacht und bin zu dein Schlüsse gekommen,
daß mit Zeitungsartikeln und Baukettreden nichts gethan ist, das; die Menschen
für diese wichtige Sache sich persönlich einsetzen müssen, so tapfer und opfer¬
freudig, wie man sich gegen den Feind einsetzt fürs Vaterland. Das Opfer
wäre ja endlich nicht so groß. Wenn ich ein kräftiger Stadtbnrgerssohn wäre
mit einem kleinen Vermögen, ich würde damit kein Geschäft anfangen weder
im Gewerbe noch im Handel, ich würde mir draußen in einer schönen Gegend
des Landes ein Bauerngut kaufen. In gesunder Luft, bei köstlichem Wasser,
bei nahrhafter einfacher Kost würde ich abwechselnd fleißig arbeiten und be¬
haglich ruhen, würde meiner Familie leben, meinen Kindern eine glückliche
Jngend auf dem Lande und ein selbständiges Daheim schaffen. Fernab von
dem unheimlichen Treiben der modernen Welt würde ich im ländlichen Frieden
ein echter und rechter Mensch sein könne".

^ Und wenn mir das auch andre nachmachte", viele nachmachten, brave
und gescheite Sohne der Stadt, würde es allmählich anfange" als etwas sehr
Wackres, Patriotisches, Aristokratisches zu gelte", wenn sich junge Leute dem
altehrwürdigen Vanerntum widmeten, und dann wäre es ja gewonnen.
Das dienende Volk würde schon selber folgen. Und so wie sonst das städ¬
tische Menscheiimaterial durch Bauernblnt aufgefrischt zu werden pflegt, so
müßte das alte zu Grunde gegangne Bauerutum durch ein aus gebildeten
Schichten stammendes junges, zeitgemäßes ersetzt werden. Der historische, in
vieler Beziehung so ehrenwerte und heimliche Bauernstand wäre freilich dahin,
aber in dem jungen Bauerutum würden sich vermöge der veredelnden Ein¬
wirkung von Arbeit und Natur allmählich wieder die Tugenden dieses Standes
ausbilden. Einfachheit, patriarchalischer Sinn, Liebe "ut Treue zur ^ange¬
stammten Erde, zu der Väter Sitte, Ahmmg und Verehrung Gottes, diese
erhaltende" Mächte gehn aus der Scholle hervor und sind des Bauern¬
standes Hort.

Der menschliche Drang nach gesitteter Freiheit, nach einer festen Heimstätte
für sich und die Nachkommen, nach dem natürlichen Adel, der sich in der
erblichen Ständigkeit, in denn treue" Festhalten an dem Berufe seines Ge¬
schlechts begründet, ist ja doch noch nicht ganz verloren, so daß uns wenigstens
die seelische Eignung und Fähigkeit nicht abgeht, das älteste gottgeheiligte Erbe
der Menschheit wieder anzutreten.

Das Übrige müssen unsre Staatsmänner, Volksvertreter und Volksfreunde
besorgen. Und wenn sie in der Großstadt geweckt werden von dein Lärm
des Proletariats, das durch die Straße" stürmend mit drohenden Geberden
nach Arbeit, nach Brot und nach anderm schreit, mögen sie sich daran er-


Der VatternMiid unsre Rettung

Aller was ist zu machen, das; der Rückzug beginne von der Stadt aufs
Land? Ihr Staatsleiter iind Gesetzgeber, es ist die höchste Zeit, darüber
nachzudenken!

Ich habe schon darüber nachgedacht und bin zu dein Schlüsse gekommen,
daß mit Zeitungsartikeln und Baukettreden nichts gethan ist, das; die Menschen
für diese wichtige Sache sich persönlich einsetzen müssen, so tapfer und opfer¬
freudig, wie man sich gegen den Feind einsetzt fürs Vaterland. Das Opfer
wäre ja endlich nicht so groß. Wenn ich ein kräftiger Stadtbnrgerssohn wäre
mit einem kleinen Vermögen, ich würde damit kein Geschäft anfangen weder
im Gewerbe noch im Handel, ich würde mir draußen in einer schönen Gegend
des Landes ein Bauerngut kaufen. In gesunder Luft, bei köstlichem Wasser,
bei nahrhafter einfacher Kost würde ich abwechselnd fleißig arbeiten und be¬
haglich ruhen, würde meiner Familie leben, meinen Kindern eine glückliche
Jngend auf dem Lande und ein selbständiges Daheim schaffen. Fernab von
dem unheimlichen Treiben der modernen Welt würde ich im ländlichen Frieden
ein echter und rechter Mensch sein könne».

^ Und wenn mir das auch andre nachmachte», viele nachmachten, brave
und gescheite Sohne der Stadt, würde es allmählich anfange» als etwas sehr
Wackres, Patriotisches, Aristokratisches zu gelte», wenn sich junge Leute dem
altehrwürdigen Vanerntum widmeten, und dann wäre es ja gewonnen.
Das dienende Volk würde schon selber folgen. Und so wie sonst das städ¬
tische Menscheiimaterial durch Bauernblnt aufgefrischt zu werden pflegt, so
müßte das alte zu Grunde gegangne Bauerutum durch ein aus gebildeten
Schichten stammendes junges, zeitgemäßes ersetzt werden. Der historische, in
vieler Beziehung so ehrenwerte und heimliche Bauernstand wäre freilich dahin,
aber in dem jungen Bauerutum würden sich vermöge der veredelnden Ein¬
wirkung von Arbeit und Natur allmählich wieder die Tugenden dieses Standes
ausbilden. Einfachheit, patriarchalischer Sinn, Liebe »ut Treue zur ^ange¬
stammten Erde, zu der Väter Sitte, Ahmmg und Verehrung Gottes, diese
erhaltende» Mächte gehn aus der Scholle hervor und sind des Bauern¬
standes Hort.

Der menschliche Drang nach gesitteter Freiheit, nach einer festen Heimstätte
für sich und die Nachkommen, nach dem natürlichen Adel, der sich in der
erblichen Ständigkeit, in denn treue» Festhalten an dem Berufe seines Ge¬
schlechts begründet, ist ja doch noch nicht ganz verloren, so daß uns wenigstens
die seelische Eignung und Fähigkeit nicht abgeht, das älteste gottgeheiligte Erbe
der Menschheit wieder anzutreten.

Das Übrige müssen unsre Staatsmänner, Volksvertreter und Volksfreunde
besorgen. Und wenn sie in der Großstadt geweckt werden von dein Lärm
des Proletariats, das durch die Straße» stürmend mit drohenden Geberden
nach Arbeit, nach Brot und nach anderm schreit, mögen sie sich daran er-


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[0525] Der VatternMiid unsre Rettung Aller was ist zu machen, das; der Rückzug beginne von der Stadt aufs Land? Ihr Staatsleiter iind Gesetzgeber, es ist die höchste Zeit, darüber nachzudenken! Ich habe schon darüber nachgedacht und bin zu dein Schlüsse gekommen, daß mit Zeitungsartikeln und Baukettreden nichts gethan ist, das; die Menschen für diese wichtige Sache sich persönlich einsetzen müssen, so tapfer und opfer¬ freudig, wie man sich gegen den Feind einsetzt fürs Vaterland. Das Opfer wäre ja endlich nicht so groß. Wenn ich ein kräftiger Stadtbnrgerssohn wäre mit einem kleinen Vermögen, ich würde damit kein Geschäft anfangen weder im Gewerbe noch im Handel, ich würde mir draußen in einer schönen Gegend des Landes ein Bauerngut kaufen. In gesunder Luft, bei köstlichem Wasser, bei nahrhafter einfacher Kost würde ich abwechselnd fleißig arbeiten und be¬ haglich ruhen, würde meiner Familie leben, meinen Kindern eine glückliche Jngend auf dem Lande und ein selbständiges Daheim schaffen. Fernab von dem unheimlichen Treiben der modernen Welt würde ich im ländlichen Frieden ein echter und rechter Mensch sein könne». ^ Und wenn mir das auch andre nachmachte», viele nachmachten, brave und gescheite Sohne der Stadt, würde es allmählich anfange» als etwas sehr Wackres, Patriotisches, Aristokratisches zu gelte», wenn sich junge Leute dem altehrwürdigen Vanerntum widmeten, und dann wäre es ja gewonnen. Das dienende Volk würde schon selber folgen. Und so wie sonst das städ¬ tische Menscheiimaterial durch Bauernblnt aufgefrischt zu werden pflegt, so müßte das alte zu Grunde gegangne Bauerutum durch ein aus gebildeten Schichten stammendes junges, zeitgemäßes ersetzt werden. Der historische, in vieler Beziehung so ehrenwerte und heimliche Bauernstand wäre freilich dahin, aber in dem jungen Bauerutum würden sich vermöge der veredelnden Ein¬ wirkung von Arbeit und Natur allmählich wieder die Tugenden dieses Standes ausbilden. Einfachheit, patriarchalischer Sinn, Liebe »ut Treue zur ^ange¬ stammten Erde, zu der Väter Sitte, Ahmmg und Verehrung Gottes, diese erhaltende» Mächte gehn aus der Scholle hervor und sind des Bauern¬ standes Hort. Der menschliche Drang nach gesitteter Freiheit, nach einer festen Heimstätte für sich und die Nachkommen, nach dem natürlichen Adel, der sich in der erblichen Ständigkeit, in denn treue» Festhalten an dem Berufe seines Ge¬ schlechts begründet, ist ja doch noch nicht ganz verloren, so daß uns wenigstens die seelische Eignung und Fähigkeit nicht abgeht, das älteste gottgeheiligte Erbe der Menschheit wieder anzutreten. Das Übrige müssen unsre Staatsmänner, Volksvertreter und Volksfreunde besorgen. Und wenn sie in der Großstadt geweckt werden von dein Lärm des Proletariats, das durch die Straße» stürmend mit drohenden Geberden nach Arbeit, nach Brot und nach anderm schreit, mögen sie sich daran er-

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/525>, abgerufen am 23.07.2024.