Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Umgestaltungen in der Lisenbcchiwerwaltung

fesselten" Lebensstufe unzugänglich notwendig ist? Kenn es befremden, daß
in unserm Vecnntenkörper, abgesehn von byzantinischem Strebertum, das stets und
überall anzutreffen war, ist und sein wird, tiesergehendcs Interesse für den
erwählten Beruf und dessen Aufgaben mehr und mehr erstirbt, wenn der
Beamte sich sagen muß, daß jedes größere Mühen, alle über das unbedingt
vorgeschriebne Maß hinausgehenden Leistungen ihm im Wesentlichen nichts
andres einbringen können, als das eigne Bewußtsein treu erfüllter Pflicht?
Wie anders würde sich das Bild gestalten, wenn der Zopf, der uns doch
wahrhaftig lange genug zum Gespött andrer Nationen im Nacken hängt, endlich
fiele, wenn von dem einfachen Arbeiter an jedem der Weg zum Vorwärts¬
komme" offen stünde, soweit seine natürliche Begabung und Vildungsfähigkeit
unter den gegebnen Verhältnissen ihn zu tragen vermöchten? Und wäre der
Staat nicht die berufenste "Instanz", hier mit gutem Beispiele voranzugehen,
anstatt so vielfach zu zeigen, wie es nicht gemacht werden sollte? Um wie
vieles würden wir damit einer befriedigenden, weil friedlichen Lösung der
sozialen Frage näher kommen! Fürwahr, ein ,.schöner Gedanke", aber auch
nichts weiter. Wenigstens lassen die gegenwärtigen Zeitläufte wenig Aussicht
auf seine Verwirklichung erkennen. Darum kehren wir uns nicht ohne einen
Stoßseufzer von dem lockenden Bilde ab, daß sich unserm sehnsüchtigen Auge
darbot, und wenden uns wieder dem Ausgangspunkte dieser trotz alledem viel¬
leicht nicht unzeitgemäßer Betrachtung zu.

An den kurzen Hinweis auf die hauptsächlichsten Nachteile, die mit der
jetzigen Vorbildung der höhern Eisenbahnbeamten verbunden sind, schließt sich
von selbst die Frage an, wie es denn künftig damit zu halten wäre. Von
verschiednen beachtenswerte" Seiten ist schon vor einer längern Reihe
von Jahren der Vorschlag gemacht worden, für den Eisenbahndienst eine ähn¬
liche Vorbildung zu schaffen wie bei der Reichspost- und Telegraphen-Verwaltung,
die ihre vielfach hervorragenden Leistungen ohne Zweifel zum großen Teile
der zweckmäßigen Vorbildung ihres Personals verdankt. Dieser Gedanke
dürfte in unsern maßgebenden Kreisen wenig Anklang finden. Die Aufgaben
der Post- und Telegraphenverwaltung sind so viel einfacher und darum auch
einseitiger als die der Eisenbahnverwaltung, daß beide nicht gut mit einander
verglichen werden können. Wir treten warm dafür ein, daß besonders befähigte"
und strebsamen Kräften, auch wenn sie nicht ,,nach den bestehenden Bestim-
mungen" vorgebildet sind, der Weg zu den höhern Stellungen in größerm
Umfange als bisher geöffnet werde. Gleichwohl glauben wir uns dafür aus-
sprechen zu müssen, daß als Regel die Forderung einer wissenschaftlichen
Grundlage für die Vorbildung der höhern Eisenbahnbeamten aufrecht zu
erhalten sei. Denn die Eisenbahnverwaltung ist so weit verzweigt und viel¬
seitig, steht in so engem Zusammenhange mit allen staatlichen, gesellschaft¬
lichen und wirtschaftlichen Lebensverhältnissen und beeinflußt diese teilweise in


Umgestaltungen in der Lisenbcchiwerwaltung

fesselten" Lebensstufe unzugänglich notwendig ist? Kenn es befremden, daß
in unserm Vecnntenkörper, abgesehn von byzantinischem Strebertum, das stets und
überall anzutreffen war, ist und sein wird, tiesergehendcs Interesse für den
erwählten Beruf und dessen Aufgaben mehr und mehr erstirbt, wenn der
Beamte sich sagen muß, daß jedes größere Mühen, alle über das unbedingt
vorgeschriebne Maß hinausgehenden Leistungen ihm im Wesentlichen nichts
andres einbringen können, als das eigne Bewußtsein treu erfüllter Pflicht?
Wie anders würde sich das Bild gestalten, wenn der Zopf, der uns doch
wahrhaftig lange genug zum Gespött andrer Nationen im Nacken hängt, endlich
fiele, wenn von dem einfachen Arbeiter an jedem der Weg zum Vorwärts¬
komme» offen stünde, soweit seine natürliche Begabung und Vildungsfähigkeit
unter den gegebnen Verhältnissen ihn zu tragen vermöchten? Und wäre der
Staat nicht die berufenste „Instanz", hier mit gutem Beispiele voranzugehen,
anstatt so vielfach zu zeigen, wie es nicht gemacht werden sollte? Um wie
vieles würden wir damit einer befriedigenden, weil friedlichen Lösung der
sozialen Frage näher kommen! Fürwahr, ein ,.schöner Gedanke", aber auch
nichts weiter. Wenigstens lassen die gegenwärtigen Zeitläufte wenig Aussicht
auf seine Verwirklichung erkennen. Darum kehren wir uns nicht ohne einen
Stoßseufzer von dem lockenden Bilde ab, daß sich unserm sehnsüchtigen Auge
darbot, und wenden uns wieder dem Ausgangspunkte dieser trotz alledem viel¬
leicht nicht unzeitgemäßer Betrachtung zu.

An den kurzen Hinweis auf die hauptsächlichsten Nachteile, die mit der
jetzigen Vorbildung der höhern Eisenbahnbeamten verbunden sind, schließt sich
von selbst die Frage an, wie es denn künftig damit zu halten wäre. Von
verschiednen beachtenswerte» Seiten ist schon vor einer längern Reihe
von Jahren der Vorschlag gemacht worden, für den Eisenbahndienst eine ähn¬
liche Vorbildung zu schaffen wie bei der Reichspost- und Telegraphen-Verwaltung,
die ihre vielfach hervorragenden Leistungen ohne Zweifel zum großen Teile
der zweckmäßigen Vorbildung ihres Personals verdankt. Dieser Gedanke
dürfte in unsern maßgebenden Kreisen wenig Anklang finden. Die Aufgaben
der Post- und Telegraphenverwaltung sind so viel einfacher und darum auch
einseitiger als die der Eisenbahnverwaltung, daß beide nicht gut mit einander
verglichen werden können. Wir treten warm dafür ein, daß besonders befähigte»
und strebsamen Kräften, auch wenn sie nicht ,,nach den bestehenden Bestim-
mungen" vorgebildet sind, der Weg zu den höhern Stellungen in größerm
Umfange als bisher geöffnet werde. Gleichwohl glauben wir uns dafür aus-
sprechen zu müssen, daß als Regel die Forderung einer wissenschaftlichen
Grundlage für die Vorbildung der höhern Eisenbahnbeamten aufrecht zu
erhalten sei. Denn die Eisenbahnverwaltung ist so weit verzweigt und viel¬
seitig, steht in so engem Zusammenhange mit allen staatlichen, gesellschaft¬
lichen und wirtschaftlichen Lebensverhältnissen und beeinflußt diese teilweise in


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0487" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211655"/>
          <fw type="header" place="top"> Umgestaltungen in der Lisenbcchiwerwaltung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1423" prev="#ID_1422"> fesselten" Lebensstufe unzugänglich notwendig ist? Kenn es befremden, daß<lb/>
in unserm Vecnntenkörper, abgesehn von byzantinischem Strebertum, das stets und<lb/>
überall anzutreffen war, ist und sein wird, tiesergehendcs Interesse für den<lb/>
erwählten Beruf und dessen Aufgaben mehr und mehr erstirbt, wenn der<lb/>
Beamte sich sagen muß, daß jedes größere Mühen, alle über das unbedingt<lb/>
vorgeschriebne Maß hinausgehenden Leistungen ihm im Wesentlichen nichts<lb/>
andres einbringen können, als das eigne Bewußtsein treu erfüllter Pflicht?<lb/>
Wie anders würde sich das Bild gestalten, wenn der Zopf, der uns doch<lb/>
wahrhaftig lange genug zum Gespött andrer Nationen im Nacken hängt, endlich<lb/>
fiele, wenn von dem einfachen Arbeiter an jedem der Weg zum Vorwärts¬<lb/>
komme» offen stünde, soweit seine natürliche Begabung und Vildungsfähigkeit<lb/>
unter den gegebnen Verhältnissen ihn zu tragen vermöchten? Und wäre der<lb/>
Staat nicht die berufenste &#x201E;Instanz", hier mit gutem Beispiele voranzugehen,<lb/>
anstatt so vielfach zu zeigen, wie es nicht gemacht werden sollte? Um wie<lb/>
vieles würden wir damit einer befriedigenden, weil friedlichen Lösung der<lb/>
sozialen Frage näher kommen! Fürwahr, ein ,.schöner Gedanke", aber auch<lb/>
nichts weiter. Wenigstens lassen die gegenwärtigen Zeitläufte wenig Aussicht<lb/>
auf seine Verwirklichung erkennen. Darum kehren wir uns nicht ohne einen<lb/>
Stoßseufzer von dem lockenden Bilde ab, daß sich unserm sehnsüchtigen Auge<lb/>
darbot, und wenden uns wieder dem Ausgangspunkte dieser trotz alledem viel¬<lb/>
leicht nicht unzeitgemäßer Betrachtung zu.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1424" next="#ID_1425"> An den kurzen Hinweis auf die hauptsächlichsten Nachteile, die mit der<lb/>
jetzigen Vorbildung der höhern Eisenbahnbeamten verbunden sind, schließt sich<lb/>
von selbst die Frage an, wie es denn künftig damit zu halten wäre. Von<lb/>
verschiednen beachtenswerte» Seiten ist schon vor einer längern Reihe<lb/>
von Jahren der Vorschlag gemacht worden, für den Eisenbahndienst eine ähn¬<lb/>
liche Vorbildung zu schaffen wie bei der Reichspost- und Telegraphen-Verwaltung,<lb/>
die ihre vielfach hervorragenden Leistungen ohne Zweifel zum großen Teile<lb/>
der zweckmäßigen Vorbildung ihres Personals verdankt. Dieser Gedanke<lb/>
dürfte in unsern maßgebenden Kreisen wenig Anklang finden. Die Aufgaben<lb/>
der Post- und Telegraphenverwaltung sind so viel einfacher und darum auch<lb/>
einseitiger als die der Eisenbahnverwaltung, daß beide nicht gut mit einander<lb/>
verglichen werden können. Wir treten warm dafür ein, daß besonders befähigte»<lb/>
und strebsamen Kräften, auch wenn sie nicht ,,nach den bestehenden Bestim-<lb/>
mungen" vorgebildet sind, der Weg zu den höhern Stellungen in größerm<lb/>
Umfange als bisher geöffnet werde. Gleichwohl glauben wir uns dafür aus-<lb/>
sprechen zu müssen, daß als Regel die Forderung einer wissenschaftlichen<lb/>
Grundlage für die Vorbildung der höhern Eisenbahnbeamten aufrecht zu<lb/>
erhalten sei. Denn die Eisenbahnverwaltung ist so weit verzweigt und viel¬<lb/>
seitig, steht in so engem Zusammenhange mit allen staatlichen, gesellschaft¬<lb/>
lichen und wirtschaftlichen Lebensverhältnissen und beeinflußt diese teilweise in</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0487] Umgestaltungen in der Lisenbcchiwerwaltung fesselten" Lebensstufe unzugänglich notwendig ist? Kenn es befremden, daß in unserm Vecnntenkörper, abgesehn von byzantinischem Strebertum, das stets und überall anzutreffen war, ist und sein wird, tiesergehendcs Interesse für den erwählten Beruf und dessen Aufgaben mehr und mehr erstirbt, wenn der Beamte sich sagen muß, daß jedes größere Mühen, alle über das unbedingt vorgeschriebne Maß hinausgehenden Leistungen ihm im Wesentlichen nichts andres einbringen können, als das eigne Bewußtsein treu erfüllter Pflicht? Wie anders würde sich das Bild gestalten, wenn der Zopf, der uns doch wahrhaftig lange genug zum Gespött andrer Nationen im Nacken hängt, endlich fiele, wenn von dem einfachen Arbeiter an jedem der Weg zum Vorwärts¬ komme» offen stünde, soweit seine natürliche Begabung und Vildungsfähigkeit unter den gegebnen Verhältnissen ihn zu tragen vermöchten? Und wäre der Staat nicht die berufenste „Instanz", hier mit gutem Beispiele voranzugehen, anstatt so vielfach zu zeigen, wie es nicht gemacht werden sollte? Um wie vieles würden wir damit einer befriedigenden, weil friedlichen Lösung der sozialen Frage näher kommen! Fürwahr, ein ,.schöner Gedanke", aber auch nichts weiter. Wenigstens lassen die gegenwärtigen Zeitläufte wenig Aussicht auf seine Verwirklichung erkennen. Darum kehren wir uns nicht ohne einen Stoßseufzer von dem lockenden Bilde ab, daß sich unserm sehnsüchtigen Auge darbot, und wenden uns wieder dem Ausgangspunkte dieser trotz alledem viel¬ leicht nicht unzeitgemäßer Betrachtung zu. An den kurzen Hinweis auf die hauptsächlichsten Nachteile, die mit der jetzigen Vorbildung der höhern Eisenbahnbeamten verbunden sind, schließt sich von selbst die Frage an, wie es denn künftig damit zu halten wäre. Von verschiednen beachtenswerte» Seiten ist schon vor einer längern Reihe von Jahren der Vorschlag gemacht worden, für den Eisenbahndienst eine ähn¬ liche Vorbildung zu schaffen wie bei der Reichspost- und Telegraphen-Verwaltung, die ihre vielfach hervorragenden Leistungen ohne Zweifel zum großen Teile der zweckmäßigen Vorbildung ihres Personals verdankt. Dieser Gedanke dürfte in unsern maßgebenden Kreisen wenig Anklang finden. Die Aufgaben der Post- und Telegraphenverwaltung sind so viel einfacher und darum auch einseitiger als die der Eisenbahnverwaltung, daß beide nicht gut mit einander verglichen werden können. Wir treten warm dafür ein, daß besonders befähigte» und strebsamen Kräften, auch wenn sie nicht ,,nach den bestehenden Bestim- mungen" vorgebildet sind, der Weg zu den höhern Stellungen in größerm Umfange als bisher geöffnet werde. Gleichwohl glauben wir uns dafür aus- sprechen zu müssen, daß als Regel die Forderung einer wissenschaftlichen Grundlage für die Vorbildung der höhern Eisenbahnbeamten aufrecht zu erhalten sei. Denn die Eisenbahnverwaltung ist so weit verzweigt und viel¬ seitig, steht in so engem Zusammenhange mit allen staatlichen, gesellschaft¬ lichen und wirtschaftlichen Lebensverhältnissen und beeinflußt diese teilweise in

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/487
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/487>, abgerufen am 23.07.2024.