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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Bilder ans dem Nniversitätsloboi,

uieiute, daß die Sprache im Anfang etwas an Richard 111. erinnere, und daß
das hochfligende Pathos kaum von Studenten in erträglicher Weife wieder¬
gegeben werden könne. Fuchs machte die Bemerkung, daß eine Kampfszene
auf der Bühne eines der schwierigsten Kunststücke sei, und daß Dilettanten
bei solchen Gelegenheiten leicht den ganzen Eindruck ins Lächerliche zögen, daß
überdies das auflodernde Brenne" eines Baumes, wie es im Stücke verlangt
wird, auf der Bühne schwer darstellbar sei; kurz sie hatten so viele Aus¬
stellungen zu machen, daß Wildenbruch in Unruhe und Besorgnis geriet. Aber
wir hielten an unsrer Wahl fest, obgleich wir uns nicht verhehlen konnten,
daß es für uus Studenten ein großes Wagnis sei, das Erstlingsdrama eines
unbekannten Dichters auszuführen.

Nun handelte es sich nur noch um ein drittes Stück, das weder gegen
Wallensteins Lager abfiele, noch der Wirkung der Svcmhild Abbruch thäte.
Selbst mit Hilfe der Schauspieler war es schwierig, in der dramatischen
Litteratur etwas passendes zu finden, und so griffen wir denn zu Hans Sachsens
Fastnachtsspielen, überzeugt, daß wir mit der Wahl des zwar derben aber un¬
gefährlichen schwankes "Das heiße Eisen" der Aufführung zugleich einen litterar-
geschichtlichen Beigeschmack verleihen würden.

So war denn die eine wichtige Frage in kurzer Zeit erledigt. Nun
aber begannen die langwierigen diplomatischen Verhandlungen mit Van Hell,
dem damaligen Direktor des Nationaltheaters, der nur mit Mühe und Not sein
schon unter Borsdorffs Leitung leck gewordnes Fahrzeug über Wasser halte"
konnte.

Van Hell empfing uns mit so viel Würde und Selbstbewußtsein, wie etwa
Apollo eine irdische Künstlerschar empfangen würde. Natürlich hatte er an
der Wahl der Stücke alles mögliche auszusetzen. Schiller, Hans Sachs,
Wildenbruch -- nehmen Sie mirs nicht übel, meine Herren, das geht in die
Brüche. Wer ist denn Wildenbruch? Lassen Sie sich um Himmels willen auf
keine Premieren ein. Überlegen Sie doch: Sie wollen als Dilettanten eine
Premiere spielen! Ans einer der größten Bühnen Deutschlands! Sie wollen
neue Rollen schaffen! Nehmen Sie mirs nicht übel, aber das ist ein wenig un¬
verfroren -- unvorsichtig wollte ich sagen. Sie müssen ein Stück spielen, das
schon als großartige Dichtung allein auf das Publikum wirkt, ein Stück, das
gar nicht zu verderben ist, wo sich jeder Spieler nach einem vorhandnen Muster
richten kann. Aber bei allen Göttern, keine nagelneuen Rollen!

Wir wurden etwas kleinmütig, denn aus dem Munde eines erfahrnen
Bühnenleiters mußten wir die Worte anerkennen. Das Publikum -- fuhr er
mit feingespielter Erregung fort -- wird vor Lachen bersten, und unfreiwillige
Komik ist für uus das Todesurteil. Sie können nicht verlangen, daß ich
meine Bühne solcher Gefahr aussetze. Auch befürchte ich. daß Sie sich über die
erwarteten Erfolge täuschen. Kurz -- Sie werden nicht auf die Kosten kommen.


Bilder ans dem Nniversitätsloboi,

uieiute, daß die Sprache im Anfang etwas an Richard 111. erinnere, und daß
das hochfligende Pathos kaum von Studenten in erträglicher Weife wieder¬
gegeben werden könne. Fuchs machte die Bemerkung, daß eine Kampfszene
auf der Bühne eines der schwierigsten Kunststücke sei, und daß Dilettanten
bei solchen Gelegenheiten leicht den ganzen Eindruck ins Lächerliche zögen, daß
überdies das auflodernde Brenne» eines Baumes, wie es im Stücke verlangt
wird, auf der Bühne schwer darstellbar sei; kurz sie hatten so viele Aus¬
stellungen zu machen, daß Wildenbruch in Unruhe und Besorgnis geriet. Aber
wir hielten an unsrer Wahl fest, obgleich wir uns nicht verhehlen konnten,
daß es für uus Studenten ein großes Wagnis sei, das Erstlingsdrama eines
unbekannten Dichters auszuführen.

Nun handelte es sich nur noch um ein drittes Stück, das weder gegen
Wallensteins Lager abfiele, noch der Wirkung der Svcmhild Abbruch thäte.
Selbst mit Hilfe der Schauspieler war es schwierig, in der dramatischen
Litteratur etwas passendes zu finden, und so griffen wir denn zu Hans Sachsens
Fastnachtsspielen, überzeugt, daß wir mit der Wahl des zwar derben aber un¬
gefährlichen schwankes „Das heiße Eisen" der Aufführung zugleich einen litterar-
geschichtlichen Beigeschmack verleihen würden.

So war denn die eine wichtige Frage in kurzer Zeit erledigt. Nun
aber begannen die langwierigen diplomatischen Verhandlungen mit Van Hell,
dem damaligen Direktor des Nationaltheaters, der nur mit Mühe und Not sein
schon unter Borsdorffs Leitung leck gewordnes Fahrzeug über Wasser halte»
konnte.

Van Hell empfing uns mit so viel Würde und Selbstbewußtsein, wie etwa
Apollo eine irdische Künstlerschar empfangen würde. Natürlich hatte er an
der Wahl der Stücke alles mögliche auszusetzen. Schiller, Hans Sachs,
Wildenbruch — nehmen Sie mirs nicht übel, meine Herren, das geht in die
Brüche. Wer ist denn Wildenbruch? Lassen Sie sich um Himmels willen auf
keine Premieren ein. Überlegen Sie doch: Sie wollen als Dilettanten eine
Premiere spielen! Ans einer der größten Bühnen Deutschlands! Sie wollen
neue Rollen schaffen! Nehmen Sie mirs nicht übel, aber das ist ein wenig un¬
verfroren — unvorsichtig wollte ich sagen. Sie müssen ein Stück spielen, das
schon als großartige Dichtung allein auf das Publikum wirkt, ein Stück, das
gar nicht zu verderben ist, wo sich jeder Spieler nach einem vorhandnen Muster
richten kann. Aber bei allen Göttern, keine nagelneuen Rollen!

Wir wurden etwas kleinmütig, denn aus dem Munde eines erfahrnen
Bühnenleiters mußten wir die Worte anerkennen. Das Publikum — fuhr er
mit feingespielter Erregung fort — wird vor Lachen bersten, und unfreiwillige
Komik ist für uus das Todesurteil. Sie können nicht verlangen, daß ich
meine Bühne solcher Gefahr aussetze. Auch befürchte ich. daß Sie sich über die
erwarteten Erfolge täuschen. Kurz — Sie werden nicht auf die Kosten kommen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/44>, abgerufen am 23.07.2024.