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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Die technischen Hochschulen

Interesse zu verhindern, besiegten den Widerwillen, den die Mehrzahl der
hoher" (juristisch gebildeten) Staatslenker in den meisten deutscheu Staaten
gegen die Gleichstellung der neuen mit den alten Hochschulen unverkennbar
empfand. Nirgends aber -- die Errichtung des großen eidgenössischen Poly¬
technikums in Zürich um die Mitte der fünfziger Jahre ausgenommen --
scheint man leichten und freudigen Herzens an die Aufgabe herangetreten zu
sein, die von dem unabweisbaren Bedürfnis gestellt wurde. Am deutlichsten er¬
kennt man dies, wenn man die ältern Gründungen verwandter Natur, die
technischen Hochschulen, die vor dem Zeitalter der moderne" Technik in Deutsch¬
land ins Lebe" gerufen wurde", mit de" wissenschaftlichen Anstalten vergleicht,
ans denen unter beständig neuen Kämpfen und Umgestaltungen die gegenwär¬
tigen technischen Hochschulen emporgewachsen sind.

Die allgemein herrschende Vorstellung ist die, daß der Wunsch und die
Forderung, den Vertretern der Technik (ein Wort, mit dem freilich hundert
verschiedne Begriffe verbunden werden) die höchste wissenschaftliche Bildung
""gedeihe" zu lasse" und sie damit für die höchste" Leistungen z" befähige",
erst aus deu technische" Errungenschaften der beiden letzten Menschenalter ent¬
sprungen sei. Die Geschichte zeigt aber, daß an den erste" technischen Hoch¬
schule", die in verhältnismäßig stiller Zeit entstanden und deren Organisation
man ruhig und reiflich bedenken konnte, die entschiedenste Tendenz vorwaltete,
die neuen Anstalten auf die Höhe der Universitäten zu erhebe" und ihre"
Studenten die^ Gleichberechtigung mit de" Vertreter" der alte" Fakultäten
z" sicher". Als 1765" die Freiberger Bergakademie ins Leben gerufen wurde,
besetzte man ihre Lehrstühle mit den hervorragendsten wisse"schaftliche" Kräfte",
steckte dem Studium die weitesten Ziele und forderte für ihre Studenten die¬
selbe Vorbildung, die zum Bezug einer Universität sür unerläßlich galt. Als
die 1799 gegründete Berliner Banakademie unter Schinkels Leitung und Nach¬
wirkung in ihre Blütezeit trat, verwahrte sie sich bis zur Einseitigkeit gegen
die Vermengung mit dem platten Bedürfnis der Praxis und stützte sich durch¬
aus auf die gymnasiale Vorbildung, die sie schon früh bis zur Sekunda und
dann bis zur Abiturieutenprüfuug forderte. Hier wie dort hatte man, ""be¬
kümmert "in alles banausische Privattreiben, vorzugsweise die Bildung ma߬
gebender künftiger Staatsbeamten im Ange und war noch vollkommen in der
Lage, die Dinge genau zu überlegen und die Folge" der Organisation ziemlich
richtig abzuwägen.

Anders gestaltete" sich die Verhältnisse, als mit dem gewaltigen und ""-
geahnte" Aufschwung des Maschinenbanwesens und der Eiseiibahne" in den
dreißiger und vierziger Jahren unsers Jahrhunderts eine Hochflut technischer
Leistungen, Schöpfungen und Ansprüche hereinbrach. Die völlige Neuheit der
Erscheinungen, die ""glaubliche Schnelligkeit, mit der sich im Drange der
Konkurrenz ein neues Erwerbsleben entwickelte, die Ratlosigkeit, mit der ma"


Die technischen Hochschulen

Interesse zu verhindern, besiegten den Widerwillen, den die Mehrzahl der
hoher» (juristisch gebildeten) Staatslenker in den meisten deutscheu Staaten
gegen die Gleichstellung der neuen mit den alten Hochschulen unverkennbar
empfand. Nirgends aber — die Errichtung des großen eidgenössischen Poly¬
technikums in Zürich um die Mitte der fünfziger Jahre ausgenommen —
scheint man leichten und freudigen Herzens an die Aufgabe herangetreten zu
sein, die von dem unabweisbaren Bedürfnis gestellt wurde. Am deutlichsten er¬
kennt man dies, wenn man die ältern Gründungen verwandter Natur, die
technischen Hochschulen, die vor dem Zeitalter der moderne» Technik in Deutsch¬
land ins Lebe» gerufen wurde», mit de» wissenschaftlichen Anstalten vergleicht,
ans denen unter beständig neuen Kämpfen und Umgestaltungen die gegenwär¬
tigen technischen Hochschulen emporgewachsen sind.

Die allgemein herrschende Vorstellung ist die, daß der Wunsch und die
Forderung, den Vertretern der Technik (ein Wort, mit dem freilich hundert
verschiedne Begriffe verbunden werden) die höchste wissenschaftliche Bildung
«»gedeihe» zu lasse» und sie damit für die höchste» Leistungen z» befähige»,
erst aus deu technische» Errungenschaften der beiden letzten Menschenalter ent¬
sprungen sei. Die Geschichte zeigt aber, daß an den erste» technischen Hoch¬
schule», die in verhältnismäßig stiller Zeit entstanden und deren Organisation
man ruhig und reiflich bedenken konnte, die entschiedenste Tendenz vorwaltete,
die neuen Anstalten auf die Höhe der Universitäten zu erhebe» und ihre»
Studenten die^ Gleichberechtigung mit de» Vertreter» der alte» Fakultäten
z» sicher». Als 1765» die Freiberger Bergakademie ins Leben gerufen wurde,
besetzte man ihre Lehrstühle mit den hervorragendsten wisse»schaftliche» Kräfte»,
steckte dem Studium die weitesten Ziele und forderte für ihre Studenten die¬
selbe Vorbildung, die zum Bezug einer Universität sür unerläßlich galt. Als
die 1799 gegründete Berliner Banakademie unter Schinkels Leitung und Nach¬
wirkung in ihre Blütezeit trat, verwahrte sie sich bis zur Einseitigkeit gegen
die Vermengung mit dem platten Bedürfnis der Praxis und stützte sich durch¬
aus auf die gymnasiale Vorbildung, die sie schon früh bis zur Sekunda und
dann bis zur Abiturieutenprüfuug forderte. Hier wie dort hatte man, »»be¬
kümmert »in alles banausische Privattreiben, vorzugsweise die Bildung ma߬
gebender künftiger Staatsbeamten im Ange und war noch vollkommen in der
Lage, die Dinge genau zu überlegen und die Folge» der Organisation ziemlich
richtig abzuwägen.

Anders gestaltete» sich die Verhältnisse, als mit dem gewaltigen und »»-
geahnte» Aufschwung des Maschinenbanwesens und der Eiseiibahne» in den
dreißiger und vierziger Jahren unsers Jahrhunderts eine Hochflut technischer
Leistungen, Schöpfungen und Ansprüche hereinbrach. Die völlige Neuheit der
Erscheinungen, die »»glaubliche Schnelligkeit, mit der sich im Drange der
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[0432] Die technischen Hochschulen Interesse zu verhindern, besiegten den Widerwillen, den die Mehrzahl der hoher» (juristisch gebildeten) Staatslenker in den meisten deutscheu Staaten gegen die Gleichstellung der neuen mit den alten Hochschulen unverkennbar empfand. Nirgends aber — die Errichtung des großen eidgenössischen Poly¬ technikums in Zürich um die Mitte der fünfziger Jahre ausgenommen — scheint man leichten und freudigen Herzens an die Aufgabe herangetreten zu sein, die von dem unabweisbaren Bedürfnis gestellt wurde. Am deutlichsten er¬ kennt man dies, wenn man die ältern Gründungen verwandter Natur, die technischen Hochschulen, die vor dem Zeitalter der moderne» Technik in Deutsch¬ land ins Lebe» gerufen wurde», mit de» wissenschaftlichen Anstalten vergleicht, ans denen unter beständig neuen Kämpfen und Umgestaltungen die gegenwär¬ tigen technischen Hochschulen emporgewachsen sind. Die allgemein herrschende Vorstellung ist die, daß der Wunsch und die Forderung, den Vertretern der Technik (ein Wort, mit dem freilich hundert verschiedne Begriffe verbunden werden) die höchste wissenschaftliche Bildung «»gedeihe» zu lasse» und sie damit für die höchste» Leistungen z» befähige», erst aus deu technische» Errungenschaften der beiden letzten Menschenalter ent¬ sprungen sei. Die Geschichte zeigt aber, daß an den erste» technischen Hoch¬ schule», die in verhältnismäßig stiller Zeit entstanden und deren Organisation man ruhig und reiflich bedenken konnte, die entschiedenste Tendenz vorwaltete, die neuen Anstalten auf die Höhe der Universitäten zu erhebe» und ihre» Studenten die^ Gleichberechtigung mit de» Vertreter» der alte» Fakultäten z» sicher». Als 1765» die Freiberger Bergakademie ins Leben gerufen wurde, besetzte man ihre Lehrstühle mit den hervorragendsten wisse»schaftliche» Kräfte», steckte dem Studium die weitesten Ziele und forderte für ihre Studenten die¬ selbe Vorbildung, die zum Bezug einer Universität sür unerläßlich galt. Als die 1799 gegründete Berliner Banakademie unter Schinkels Leitung und Nach¬ wirkung in ihre Blütezeit trat, verwahrte sie sich bis zur Einseitigkeit gegen die Vermengung mit dem platten Bedürfnis der Praxis und stützte sich durch¬ aus auf die gymnasiale Vorbildung, die sie schon früh bis zur Sekunda und dann bis zur Abiturieutenprüfuug forderte. Hier wie dort hatte man, »»be¬ kümmert »in alles banausische Privattreiben, vorzugsweise die Bildung ma߬ gebender künftiger Staatsbeamten im Ange und war noch vollkommen in der Lage, die Dinge genau zu überlegen und die Folge» der Organisation ziemlich richtig abzuwägen. Anders gestaltete» sich die Verhältnisse, als mit dem gewaltigen und »»- geahnte» Aufschwung des Maschinenbanwesens und der Eiseiibahne» in den dreißiger und vierziger Jahren unsers Jahrhunderts eine Hochflut technischer Leistungen, Schöpfungen und Ansprüche hereinbrach. Die völlige Neuheit der Erscheinungen, die »»glaubliche Schnelligkeit, mit der sich im Drange der Konkurrenz ein neues Erwerbsleben entwickelte, die Ratlosigkeit, mit der ma»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/432>, abgerufen am 23.07.2024.