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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Litteratur

Settegast erwähnt mich die Grenzboten. Er bemerkt zum Jahre 1348, daß
er revolutionäre Maßlosigkeiten entschieden abweise und sich zu einem geläuterten
Liberalismus bekenne. Dann fährt er fort: "Den Stürmen des Revolutionsjahres
sollte nicht in schwüler Atmosphäre der Reaktion dauernde Windstille folgen.
Dafür sorgten die Hüter gesunder Volksaufklärung, unter denen Gustav Freytng
und Julinu Schmidt stets einen hervorragenden Platz behaupteten. In den Kreisen
Vorurteilsfreier wird niemals vergessen werden, welche Dienste diese Politischen Vor¬
kämpfer zur Klttrnng und Stärkung besonnenen Fortschritts mittelst ihres Organs,
die ^ Grenzboten, dem Vaterlande in schwerer Zeit geleistet haben." Von Politik
ist sonst in dem Buche nur so weit die Rede, als sie des Verfassers Fach, die
Landwirtschaft, berührt. Einen mäßigen Zollschntz des Köruerbans hat er seiner
Zeit ebenfalls empfohlen, aber den Satz von 25 Mark für ausreichend und die
Erhöhung des Zolls bis auf 50 Mark "für einen verhängnisvollen volkswirtschaft¬
lichen Fehlgriff" erklärt. Wie vollkommen auch Settegasts Wirken von dem Hu¬
manismus seines Lehrers Farenheid durchgeistigt gewesen ist, das offenbart am
schönsten seine Festrede bei der Jubiläumsfeier der landwirtschaftlichen Akademie
zu Proskau. Er hat darin einerseits den durch die Namen Thner, Liebig und
Darwin bezeichneten wissenschaftlichen Fortschritt der Landwirtschaft dargelegt und
ist andrerseits der Auffassung entgegengetreten, daß die Landwirtschaft, wie jedes
andre Gewerbe, lediglich den Zweck habe, einen möglichst hohen Reinertrag heraus¬
zuschlagen, und daß demnach gleich andern Kosten auch der Arbeitslohn rücksichts¬
los zu vermindern sei, soweit es das Gesetz von Angebot und Nachfrage gestattet.
Wir führen uns zu Gemüte -- sagt er hiergegen --, "daß die Arbeitsware des
Menschen von der Person untrennbar ist, und daß an die höchsten Fragen der
Sittlichkeit und Gerechtigkeit der materielle Maßstab des Nutzens oder des Nein¬
ertrages nicht gelegt werden kann."






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr, Wilh. Grnnow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur

Settegast erwähnt mich die Grenzboten. Er bemerkt zum Jahre 1348, daß
er revolutionäre Maßlosigkeiten entschieden abweise und sich zu einem geläuterten
Liberalismus bekenne. Dann fährt er fort: „Den Stürmen des Revolutionsjahres
sollte nicht in schwüler Atmosphäre der Reaktion dauernde Windstille folgen.
Dafür sorgten die Hüter gesunder Volksaufklärung, unter denen Gustav Freytng
und Julinu Schmidt stets einen hervorragenden Platz behaupteten. In den Kreisen
Vorurteilsfreier wird niemals vergessen werden, welche Dienste diese Politischen Vor¬
kämpfer zur Klttrnng und Stärkung besonnenen Fortschritts mittelst ihres Organs,
die ^ Grenzboten, dem Vaterlande in schwerer Zeit geleistet haben." Von Politik
ist sonst in dem Buche nur so weit die Rede, als sie des Verfassers Fach, die
Landwirtschaft, berührt. Einen mäßigen Zollschntz des Köruerbans hat er seiner
Zeit ebenfalls empfohlen, aber den Satz von 25 Mark für ausreichend und die
Erhöhung des Zolls bis auf 50 Mark „für einen verhängnisvollen volkswirtschaft¬
lichen Fehlgriff" erklärt. Wie vollkommen auch Settegasts Wirken von dem Hu¬
manismus seines Lehrers Farenheid durchgeistigt gewesen ist, das offenbart am
schönsten seine Festrede bei der Jubiläumsfeier der landwirtschaftlichen Akademie
zu Proskau. Er hat darin einerseits den durch die Namen Thner, Liebig und
Darwin bezeichneten wissenschaftlichen Fortschritt der Landwirtschaft dargelegt und
ist andrerseits der Auffassung entgegengetreten, daß die Landwirtschaft, wie jedes
andre Gewerbe, lediglich den Zweck habe, einen möglichst hohen Reinertrag heraus¬
zuschlagen, und daß demnach gleich andern Kosten auch der Arbeitslohn rücksichts¬
los zu vermindern sei, soweit es das Gesetz von Angebot und Nachfrage gestattet.
Wir führen uns zu Gemüte — sagt er hiergegen —, „daß die Arbeitsware des
Menschen von der Person untrennbar ist, und daß an die höchsten Fragen der
Sittlichkeit und Gerechtigkeit der materielle Maßstab des Nutzens oder des Nein¬
ertrages nicht gelegt werden kann."






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr, Wilh. Grnnow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0424] Litteratur Settegast erwähnt mich die Grenzboten. Er bemerkt zum Jahre 1348, daß er revolutionäre Maßlosigkeiten entschieden abweise und sich zu einem geläuterten Liberalismus bekenne. Dann fährt er fort: „Den Stürmen des Revolutionsjahres sollte nicht in schwüler Atmosphäre der Reaktion dauernde Windstille folgen. Dafür sorgten die Hüter gesunder Volksaufklärung, unter denen Gustav Freytng und Julinu Schmidt stets einen hervorragenden Platz behaupteten. In den Kreisen Vorurteilsfreier wird niemals vergessen werden, welche Dienste diese Politischen Vor¬ kämpfer zur Klttrnng und Stärkung besonnenen Fortschritts mittelst ihres Organs, die ^ Grenzboten, dem Vaterlande in schwerer Zeit geleistet haben." Von Politik ist sonst in dem Buche nur so weit die Rede, als sie des Verfassers Fach, die Landwirtschaft, berührt. Einen mäßigen Zollschntz des Köruerbans hat er seiner Zeit ebenfalls empfohlen, aber den Satz von 25 Mark für ausreichend und die Erhöhung des Zolls bis auf 50 Mark „für einen verhängnisvollen volkswirtschaft¬ lichen Fehlgriff" erklärt. Wie vollkommen auch Settegasts Wirken von dem Hu¬ manismus seines Lehrers Farenheid durchgeistigt gewesen ist, das offenbart am schönsten seine Festrede bei der Jubiläumsfeier der landwirtschaftlichen Akademie zu Proskau. Er hat darin einerseits den durch die Namen Thner, Liebig und Darwin bezeichneten wissenschaftlichen Fortschritt der Landwirtschaft dargelegt und ist andrerseits der Auffassung entgegengetreten, daß die Landwirtschaft, wie jedes andre Gewerbe, lediglich den Zweck habe, einen möglichst hohen Reinertrag heraus¬ zuschlagen, und daß demnach gleich andern Kosten auch der Arbeitslohn rücksichts¬ los zu vermindern sei, soweit es das Gesetz von Angebot und Nachfrage gestattet. Wir führen uns zu Gemüte — sagt er hiergegen —, „daß die Arbeitsware des Menschen von der Person untrennbar ist, und daß an die höchsten Fragen der Sittlichkeit und Gerechtigkeit der materielle Maßstab des Nutzens oder des Nein¬ ertrages nicht gelegt werden kann." Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr, Wilh. Grnnow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/424>, abgerufen am 23.07.2024.