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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Aus dänischer Zeit

nachher bekommen hast, wie eifrig stickte ich die Rosen hinein, wenn er dabei
saß und mir auf die Hände sah! Ach, es war eine schöne Zeit -- zu schön,
als daß sie lange hätte dauern können. Eines Tages suchte ich meine Stickerei
vergebens, und dann kam der Leutnant plötzlich anch nicht mehr zu uns.
Die Tante behauptete, ich sei wohl selbst unordentlich mit der Arbeit gewesen;
aber ich konnte das Verschwinden doch nicht begreifen. Allerdings dachte ich
nicht viel darüber nach; viel schrecklicher war mir der Gedanke, daß der
Leutnant nicht wiederkam. Ich wollte nicht nach ihm fragen, und nachher,
als ich zufällig erfuhr, daß er versetzt worden sei. hatte ich schon heimlich
viele Thränen vergossen. Kein gutes Wort hatte er mir gesagt, und nun
war er von mir gegangen!

Tante Auguste schwieg einen Augenblick und seufzte; dauuu wandte sie
sich wieder zu mir. Nicht wahr, die Geschichte ist langweilig? aber nun ist
sie auch gleich zu Ende. Zufällig fand die Tante nachher meine Arbeit wieder;
ich aber mochte nicht mehr an den Nosen sticken. So wie es war. legte ich
das Bündel weg und habe es nie wieder geöffnet. Die Tante starb; einige
Jahre brachten wir dann bei deinen Großeltern zu, wo wir den alten Koffer
ließen. Du weißt, wie es dann später kam, daß ihr Kinder einiges aus seinem
Inhalt erhieltet. Ich dachte nicht mehr an die Rosen. Da erhielt ich eines
Tages aus Kopenhagen einen Brief. Gehört hatte ich wohl von dem ehe¬
maligen Leutnant; er war hoch gestiegen, und seine Frau war ein früheres
Hoffrüuleiu. Nun schrieb er mir. Es war ein Briefchen von ihm mit einem
Ring darin gewesen, den er selbst in die Stickerei geschoben hatte. Ob es die
Tante gesehen hatte? Es war gerade um die Zeit, wo ich die ganze Arbeit
verlor. Aber die Taute meinte es gut mit mir! sie ist lange, lange tot -- ich
möchte ihr keinen unfreundlichen Gedanken nachsenden in die Ewigkeit. Sie
wußte ja auch uicht, daß mein Lebensglück an dem Manne hing, der nun von
mir gegangen war, ohne Abschied, ohne ein Wort, weil er meine Handlungs¬
weise nicht begreifen konnte!

Die alte Dame hatte die Hände gefaltet und sah still vor sich hin.
Draußen begannen plötzlich die Kirchenglocken zu läuten und einige Kinder
liefen lachend und plaudernd um unserm Fenster vorbei; Tante Auguste hörte
vou all dem Geräusch gar nichts. Strahlend lächelte sie.

Er hat mich geliebt! sagte sie mit verklärtem Gesicht. Er hat mich
doch geliebt! Seitdem ich das weiß, bin ich so glücklich geworden, viel glück¬
licher als früher. Er schrieb mir so herzlich, bald, nachdem er seinen kleinen
Brief bei dir gefunden hatte, und er bat mich um Verzeihung, daß er an
mir gezweifelt hatte. Unglücklich war er von mir gegangen, und uun, wo
doch viele Jahre zwischen uus und unsrer Jugend lagen, nun mußte er er¬
fahren, daß ich niemals von seiner Liebe gehört hatte. Lange Zeit habe ich nicht
an ihn denken mögen; jetzt, wenn ich für mich allein sitze und alles so still


Aus dänischer Zeit

nachher bekommen hast, wie eifrig stickte ich die Rosen hinein, wenn er dabei
saß und mir auf die Hände sah! Ach, es war eine schöne Zeit — zu schön,
als daß sie lange hätte dauern können. Eines Tages suchte ich meine Stickerei
vergebens, und dann kam der Leutnant plötzlich anch nicht mehr zu uns.
Die Tante behauptete, ich sei wohl selbst unordentlich mit der Arbeit gewesen;
aber ich konnte das Verschwinden doch nicht begreifen. Allerdings dachte ich
nicht viel darüber nach; viel schrecklicher war mir der Gedanke, daß der
Leutnant nicht wiederkam. Ich wollte nicht nach ihm fragen, und nachher,
als ich zufällig erfuhr, daß er versetzt worden sei. hatte ich schon heimlich
viele Thränen vergossen. Kein gutes Wort hatte er mir gesagt, und nun
war er von mir gegangen!

Tante Auguste schwieg einen Augenblick und seufzte; dauuu wandte sie
sich wieder zu mir. Nicht wahr, die Geschichte ist langweilig? aber nun ist
sie auch gleich zu Ende. Zufällig fand die Tante nachher meine Arbeit wieder;
ich aber mochte nicht mehr an den Nosen sticken. So wie es war. legte ich
das Bündel weg und habe es nie wieder geöffnet. Die Tante starb; einige
Jahre brachten wir dann bei deinen Großeltern zu, wo wir den alten Koffer
ließen. Du weißt, wie es dann später kam, daß ihr Kinder einiges aus seinem
Inhalt erhieltet. Ich dachte nicht mehr an die Rosen. Da erhielt ich eines
Tages aus Kopenhagen einen Brief. Gehört hatte ich wohl von dem ehe¬
maligen Leutnant; er war hoch gestiegen, und seine Frau war ein früheres
Hoffrüuleiu. Nun schrieb er mir. Es war ein Briefchen von ihm mit einem
Ring darin gewesen, den er selbst in die Stickerei geschoben hatte. Ob es die
Tante gesehen hatte? Es war gerade um die Zeit, wo ich die ganze Arbeit
verlor. Aber die Taute meinte es gut mit mir! sie ist lange, lange tot — ich
möchte ihr keinen unfreundlichen Gedanken nachsenden in die Ewigkeit. Sie
wußte ja auch uicht, daß mein Lebensglück an dem Manne hing, der nun von
mir gegangen war, ohne Abschied, ohne ein Wort, weil er meine Handlungs¬
weise nicht begreifen konnte!

Die alte Dame hatte die Hände gefaltet und sah still vor sich hin.
Draußen begannen plötzlich die Kirchenglocken zu läuten und einige Kinder
liefen lachend und plaudernd um unserm Fenster vorbei; Tante Auguste hörte
vou all dem Geräusch gar nichts. Strahlend lächelte sie.

Er hat mich geliebt! sagte sie mit verklärtem Gesicht. Er hat mich
doch geliebt! Seitdem ich das weiß, bin ich so glücklich geworden, viel glück¬
licher als früher. Er schrieb mir so herzlich, bald, nachdem er seinen kleinen
Brief bei dir gefunden hatte, und er bat mich um Verzeihung, daß er an
mir gezweifelt hatte. Unglücklich war er von mir gegangen, und uun, wo
doch viele Jahre zwischen uus und unsrer Jugend lagen, nun mußte er er¬
fahren, daß ich niemals von seiner Liebe gehört hatte. Lange Zeit habe ich nicht
an ihn denken mögen; jetzt, wenn ich für mich allein sitze und alles so still


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[0412] Aus dänischer Zeit nachher bekommen hast, wie eifrig stickte ich die Rosen hinein, wenn er dabei saß und mir auf die Hände sah! Ach, es war eine schöne Zeit — zu schön, als daß sie lange hätte dauern können. Eines Tages suchte ich meine Stickerei vergebens, und dann kam der Leutnant plötzlich anch nicht mehr zu uns. Die Tante behauptete, ich sei wohl selbst unordentlich mit der Arbeit gewesen; aber ich konnte das Verschwinden doch nicht begreifen. Allerdings dachte ich nicht viel darüber nach; viel schrecklicher war mir der Gedanke, daß der Leutnant nicht wiederkam. Ich wollte nicht nach ihm fragen, und nachher, als ich zufällig erfuhr, daß er versetzt worden sei. hatte ich schon heimlich viele Thränen vergossen. Kein gutes Wort hatte er mir gesagt, und nun war er von mir gegangen! Tante Auguste schwieg einen Augenblick und seufzte; dauuu wandte sie sich wieder zu mir. Nicht wahr, die Geschichte ist langweilig? aber nun ist sie auch gleich zu Ende. Zufällig fand die Tante nachher meine Arbeit wieder; ich aber mochte nicht mehr an den Nosen sticken. So wie es war. legte ich das Bündel weg und habe es nie wieder geöffnet. Die Tante starb; einige Jahre brachten wir dann bei deinen Großeltern zu, wo wir den alten Koffer ließen. Du weißt, wie es dann später kam, daß ihr Kinder einiges aus seinem Inhalt erhieltet. Ich dachte nicht mehr an die Rosen. Da erhielt ich eines Tages aus Kopenhagen einen Brief. Gehört hatte ich wohl von dem ehe¬ maligen Leutnant; er war hoch gestiegen, und seine Frau war ein früheres Hoffrüuleiu. Nun schrieb er mir. Es war ein Briefchen von ihm mit einem Ring darin gewesen, den er selbst in die Stickerei geschoben hatte. Ob es die Tante gesehen hatte? Es war gerade um die Zeit, wo ich die ganze Arbeit verlor. Aber die Taute meinte es gut mit mir! sie ist lange, lange tot — ich möchte ihr keinen unfreundlichen Gedanken nachsenden in die Ewigkeit. Sie wußte ja auch uicht, daß mein Lebensglück an dem Manne hing, der nun von mir gegangen war, ohne Abschied, ohne ein Wort, weil er meine Handlungs¬ weise nicht begreifen konnte! Die alte Dame hatte die Hände gefaltet und sah still vor sich hin. Draußen begannen plötzlich die Kirchenglocken zu läuten und einige Kinder liefen lachend und plaudernd um unserm Fenster vorbei; Tante Auguste hörte vou all dem Geräusch gar nichts. Strahlend lächelte sie. Er hat mich geliebt! sagte sie mit verklärtem Gesicht. Er hat mich doch geliebt! Seitdem ich das weiß, bin ich so glücklich geworden, viel glück¬ licher als früher. Er schrieb mir so herzlich, bald, nachdem er seinen kleinen Brief bei dir gefunden hatte, und er bat mich um Verzeihung, daß er an mir gezweifelt hatte. Unglücklich war er von mir gegangen, und uun, wo doch viele Jahre zwischen uus und unsrer Jugend lagen, nun mußte er er¬ fahren, daß ich niemals von seiner Liebe gehört hatte. Lange Zeit habe ich nicht an ihn denken mögen; jetzt, wenn ich für mich allein sitze und alles so still

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/412>, abgerufen am 23.07.2024.