Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.Die preußischen Staatseisenbahnen mit einer solchen von 36 Kilometern in der Stunde durchfahren. Der Schnell¬ Aber auch in Bezug auf die Häufigkeit der Fahrgelegenheit gegenüber Nun sagen die Gegner: das ist alles ganz schön. Aber Ungarn hat den Die preußischen Staatseisenbahnen mit einer solchen von 36 Kilometern in der Stunde durchfahren. Der Schnell¬ Aber auch in Bezug auf die Häufigkeit der Fahrgelegenheit gegenüber Nun sagen die Gegner: das ist alles ganz schön. Aber Ungarn hat den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0379" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211548"/> <fw type="header" place="top"> Die preußischen Staatseisenbahnen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1138" prev="#ID_1137"> mit einer solchen von 36 Kilometern in der Stunde durchfahren. Der Schnell¬<lb/> zug Berlin-Wien legt in Preußen 55, auf den österreichischen Bahnen durch¬<lb/> schnittlich 52 Kilometer stündlich zurück. Und wenn mau auf der Linie<lb/> Berlin-Paris in Frankreich um drei Kilometer schneller fährt, als bei uns<lb/> (60 Kilometer gegen 57) und der Expreßzug Paris-Boulogne 6ö Kilometer<lb/> in der Stunde fährt, so überbieten wir die Franzosen dnrch den Eilzng Berlin-<lb/> Hamburg mit 75 Kilometern Fahrgeschwindigkeit doch noch um sechs Kilometer<lb/> oder drei viertel Meile in der Stunde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1139"> Aber auch in Bezug auf die Häufigkeit der Fahrgelegenheit gegenüber<lb/> den Privatbahnen zeigt die preußische Staatseisenbahnverwaltuug die größte<lb/> Rücksicht auf das reisende Publikum. Sie läßt jetzt auf allen Linien, mit Aus¬<lb/> nahme von drei oder vier Nebenbahnen i» Westpreußen und Hinterpommern,<lb/> die nur zwei Züge auszuweisen haben, in jeder Richtung täglich mindestens<lb/> drei Züge verkehren, und die Zugverbindungen sind nach der Verstaatlichung<lb/> überall bedeutend vermehrt worden. Zwischen Tilsit und Jnsterburg z. B.,<lb/> einer Strecke, die nach einem Ausspruche des Ministers vom vorigen Jahre<lb/> in vielen Beziehungen an die ungarischen Bahnlinien erinnert, also wie diese<lb/> noch keinen bedeutenden Personenverkehr aufzuweisen hat, verkehren trotzdem<lb/> jetzt vier Züge täglich in jeder Richtung, vor der Verstaatlichung zu Anfang<lb/> der achtziger Jahre nur zwei, und ähnlich ist die Zahl der Zugverbindungen<lb/> auf den übrigen älteren Linien vermehrt worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1140" next="#ID_1141"> Nun sagen die Gegner: das ist alles ganz schön. Aber Ungarn hat den<lb/> Zonentarif, und wir haben ihn nicht. Folglich sind mir hinter Ungarn zurück¬<lb/> geblieben. Ja, aber in Ungarn liegen die Verhültnisfe eben ganz anders als<lb/> bei uns. Dort ist der Verkehr wenig entwickelt, dort waren die Eisenbahnen<lb/> stets schwach besetzt gewesen, dort brauchte man auch nach Einführung des<lb/> billigern Zonentarifs den wenigen täglich verkehrenden Zügen nur hier und<lb/> da einen neuen hinzuzufügen, nur dein gesteigerten Reisebedürfnis Rechnung zu<lb/> tragen. Bei uns in Deutschland sind die Fernzüge ständig überfüllt, Schnell¬<lb/> zuge sowie Personenzüge. Man sehe sich einen solchen Personenzug aus<lb/> Schlesien an, wenn er mit seinen 12 bis 14 Wagen der deutschen Reichs¬<lb/> hauptstadt zueilt. In Guben ist kaum noch ein Platz zu bekommen. Man<lb/> ist genötigt, den Zug bis Frankfurt durchfahren zu lassen und für die Reisenden<lb/> aus den Zwischenstationen einen neuen Zug einzulegen. In Frankfurt ist auch<lb/> dieser gefüllt, und von hier aus geht dann unmittelbar nach dein zweiten ein<lb/> dritter Zug ab. So sind die Bahnen schon bei den jetzigen Fahrpreisen über¬<lb/> lastet. Und nnn bei Einführung des Zonentarifs, wenn die Berliner am<lb/> Sonnabend in Massen nach Breslau hinüberführen, um dort den Sonntag bei<lb/> ihren Verwandten zu verbringen! Der Verkehr würde nicht zu bewältigen sein.<lb/> Es würde an Wagenmaterial und an geschulten Fnhrpersvnal fehlen, ja die<lb/> gegenwärtigen Bahnanlagen mit ihren zwei Gleisen würden sich als ümm-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0379]
Die preußischen Staatseisenbahnen
mit einer solchen von 36 Kilometern in der Stunde durchfahren. Der Schnell¬
zug Berlin-Wien legt in Preußen 55, auf den österreichischen Bahnen durch¬
schnittlich 52 Kilometer stündlich zurück. Und wenn mau auf der Linie
Berlin-Paris in Frankreich um drei Kilometer schneller fährt, als bei uns
(60 Kilometer gegen 57) und der Expreßzug Paris-Boulogne 6ö Kilometer
in der Stunde fährt, so überbieten wir die Franzosen dnrch den Eilzng Berlin-
Hamburg mit 75 Kilometern Fahrgeschwindigkeit doch noch um sechs Kilometer
oder drei viertel Meile in der Stunde.
Aber auch in Bezug auf die Häufigkeit der Fahrgelegenheit gegenüber
den Privatbahnen zeigt die preußische Staatseisenbahnverwaltuug die größte
Rücksicht auf das reisende Publikum. Sie läßt jetzt auf allen Linien, mit Aus¬
nahme von drei oder vier Nebenbahnen i» Westpreußen und Hinterpommern,
die nur zwei Züge auszuweisen haben, in jeder Richtung täglich mindestens
drei Züge verkehren, und die Zugverbindungen sind nach der Verstaatlichung
überall bedeutend vermehrt worden. Zwischen Tilsit und Jnsterburg z. B.,
einer Strecke, die nach einem Ausspruche des Ministers vom vorigen Jahre
in vielen Beziehungen an die ungarischen Bahnlinien erinnert, also wie diese
noch keinen bedeutenden Personenverkehr aufzuweisen hat, verkehren trotzdem
jetzt vier Züge täglich in jeder Richtung, vor der Verstaatlichung zu Anfang
der achtziger Jahre nur zwei, und ähnlich ist die Zahl der Zugverbindungen
auf den übrigen älteren Linien vermehrt worden.
Nun sagen die Gegner: das ist alles ganz schön. Aber Ungarn hat den
Zonentarif, und wir haben ihn nicht. Folglich sind mir hinter Ungarn zurück¬
geblieben. Ja, aber in Ungarn liegen die Verhültnisfe eben ganz anders als
bei uns. Dort ist der Verkehr wenig entwickelt, dort waren die Eisenbahnen
stets schwach besetzt gewesen, dort brauchte man auch nach Einführung des
billigern Zonentarifs den wenigen täglich verkehrenden Zügen nur hier und
da einen neuen hinzuzufügen, nur dein gesteigerten Reisebedürfnis Rechnung zu
tragen. Bei uns in Deutschland sind die Fernzüge ständig überfüllt, Schnell¬
zuge sowie Personenzüge. Man sehe sich einen solchen Personenzug aus
Schlesien an, wenn er mit seinen 12 bis 14 Wagen der deutschen Reichs¬
hauptstadt zueilt. In Guben ist kaum noch ein Platz zu bekommen. Man
ist genötigt, den Zug bis Frankfurt durchfahren zu lassen und für die Reisenden
aus den Zwischenstationen einen neuen Zug einzulegen. In Frankfurt ist auch
dieser gefüllt, und von hier aus geht dann unmittelbar nach dein zweiten ein
dritter Zug ab. So sind die Bahnen schon bei den jetzigen Fahrpreisen über¬
lastet. Und nnn bei Einführung des Zonentarifs, wenn die Berliner am
Sonnabend in Massen nach Breslau hinüberführen, um dort den Sonntag bei
ihren Verwandten zu verbringen! Der Verkehr würde nicht zu bewältigen sein.
Es würde an Wagenmaterial und an geschulten Fnhrpersvnal fehlen, ja die
gegenwärtigen Bahnanlagen mit ihren zwei Gleisen würden sich als ümm-
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