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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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der Freizügigkeit, für die es bezüglich des Fahrpreises Entfernungen im Per¬
sonenverkehr kaum noch geben sollte.

Sie alle, welcher Schattirung sie auch sonst angehören, stützen ihre For¬
derungen ans den Satz, daß die Eisenbahnen um der Allgemeinheit willen da
seien, und selbst die Gegner der Verstaatlichung, die bei den Beratungen des
Staatshaushaltes im Abgeordnetenhaus? die heftigsten Vorwürfe gegen die Ver¬
waltung erheben, verlangen doch aus einem Munde Überschüsse und zugleich
Rücksicht auf die Interessen der Allgemeinheit. Auch bei den Gegnern ist also
schon ein Fortschritt in der Denkweise zu beobachten. Denn sollen die Eisenbahnen
nicht allein die Taschen ihrer Besitzer füllen, betrachtet man sie gleichzeitig als
gewichtige Werkzeuge zur Hebung des Volkswohlstandes und zur Förderung
staatlicher Aufgaben, so gesteht man stillschweigend ein, daß die Bahnen am
besten diesen Zwecken gerecht werden können, wenn sie sich in der Hand des
Staates befinden. Eine Privatbahn wird, wenn nur den dringendsten An-
forderungen für die Sicherheit und die Bequemlichkeit der Reisenden Genüge
gethan ist, ihren eignen Vorteil immer vor den der Allgemeinheit stellen.

Aber gleichviel, ob Privatbahn oder Staatsbahn -- und in einer süd¬
amerikanischen Republik möchte anch ich der Privatbahn den Vorzug geben --,
jedenfalls sind die Vorwürfe, die gegen die preußischen Staatseisenbahnen er¬
hoben werden, vollständig unbegründet. Denn gerade diese stehen unter einer
mustergültigen Verwaltung, die beständig bemüht gewesen ist, den Fortschritten
der Technik zu folgen und den anwachsenden Verkehrsbedürfnissen nach
Möglichkeit Rechnung zu tragen.

Was verlangt man von unsern Staatsbahnen? Sie sollen den Zwecken
der Allgemeinheit dienen, und sie sollen auch dieselben Überschüsse erzielen wie
die Privatbahnen. Das eine schließt aber doch das andre aus, wenigstens
wenn der Vergleich mit einer Privatbahn gezogen wird, die gute Dividenden
abwirft. Bei der Privatbahn entscheidet über alle Maßnahme" der eigne
Vorteil. Man wird sich hie und da irren, aber man wird Umgestaltungen
oder Betriebserweiteruugen vermeiden, die von vornherein keinen Gelderfvlg
versprechen. Der Staat soll nun aber auch die Allgemeinheit im Auge be¬
halten, er soll auf die Interessen einzelner Landesteile ebenso Bedacht nehmen,
wie auf das Wohl seiner Beamten und Arbeiter. Ani ejnen verkehrsarmen
Landstrich zu heben, legt er durch ihn eine neue Bahn und schmälert hierdurch
seine eignen Einkünfte ebenso, wie wenn er zum Vorteil der Industrie seine
Frachtsätze ermäßigt oder aus Wohlwollen gegen seine Beamten und Arbeiter
deren Gehalte und Löhne ausbessere. Der Staat kann eben seine Eisenbahnen
nicht rein kaufmännisch verwalten wie eine Aktiengesellschaft, er muß dahin
streben, daß aus den Bahnen nicht uur er als Besitzer, sondern alle Glieder
des Staats möglichst großen Nutzen haben. Die Vorteile, die die Gesamt¬
heit oder deren Teile ans den Eisenbahnen ziehen, kommen dem Staate immer


Die preußischen Stac>tseise»l>ah>im

der Freizügigkeit, für die es bezüglich des Fahrpreises Entfernungen im Per¬
sonenverkehr kaum noch geben sollte.

Sie alle, welcher Schattirung sie auch sonst angehören, stützen ihre For¬
derungen ans den Satz, daß die Eisenbahnen um der Allgemeinheit willen da
seien, und selbst die Gegner der Verstaatlichung, die bei den Beratungen des
Staatshaushaltes im Abgeordnetenhaus? die heftigsten Vorwürfe gegen die Ver¬
waltung erheben, verlangen doch aus einem Munde Überschüsse und zugleich
Rücksicht auf die Interessen der Allgemeinheit. Auch bei den Gegnern ist also
schon ein Fortschritt in der Denkweise zu beobachten. Denn sollen die Eisenbahnen
nicht allein die Taschen ihrer Besitzer füllen, betrachtet man sie gleichzeitig als
gewichtige Werkzeuge zur Hebung des Volkswohlstandes und zur Förderung
staatlicher Aufgaben, so gesteht man stillschweigend ein, daß die Bahnen am
besten diesen Zwecken gerecht werden können, wenn sie sich in der Hand des
Staates befinden. Eine Privatbahn wird, wenn nur den dringendsten An-
forderungen für die Sicherheit und die Bequemlichkeit der Reisenden Genüge
gethan ist, ihren eignen Vorteil immer vor den der Allgemeinheit stellen.

Aber gleichviel, ob Privatbahn oder Staatsbahn — und in einer süd¬
amerikanischen Republik möchte anch ich der Privatbahn den Vorzug geben —,
jedenfalls sind die Vorwürfe, die gegen die preußischen Staatseisenbahnen er¬
hoben werden, vollständig unbegründet. Denn gerade diese stehen unter einer
mustergültigen Verwaltung, die beständig bemüht gewesen ist, den Fortschritten
der Technik zu folgen und den anwachsenden Verkehrsbedürfnissen nach
Möglichkeit Rechnung zu tragen.

Was verlangt man von unsern Staatsbahnen? Sie sollen den Zwecken
der Allgemeinheit dienen, und sie sollen auch dieselben Überschüsse erzielen wie
die Privatbahnen. Das eine schließt aber doch das andre aus, wenigstens
wenn der Vergleich mit einer Privatbahn gezogen wird, die gute Dividenden
abwirft. Bei der Privatbahn entscheidet über alle Maßnahme» der eigne
Vorteil. Man wird sich hie und da irren, aber man wird Umgestaltungen
oder Betriebserweiteruugen vermeiden, die von vornherein keinen Gelderfvlg
versprechen. Der Staat soll nun aber auch die Allgemeinheit im Auge be¬
halten, er soll auf die Interessen einzelner Landesteile ebenso Bedacht nehmen,
wie auf das Wohl seiner Beamten und Arbeiter. Ani ejnen verkehrsarmen
Landstrich zu heben, legt er durch ihn eine neue Bahn und schmälert hierdurch
seine eignen Einkünfte ebenso, wie wenn er zum Vorteil der Industrie seine
Frachtsätze ermäßigt oder aus Wohlwollen gegen seine Beamten und Arbeiter
deren Gehalte und Löhne ausbessere. Der Staat kann eben seine Eisenbahnen
nicht rein kaufmännisch verwalten wie eine Aktiengesellschaft, er muß dahin
streben, daß aus den Bahnen nicht uur er als Besitzer, sondern alle Glieder
des Staats möglichst großen Nutzen haben. Die Vorteile, die die Gesamt¬
heit oder deren Teile ans den Eisenbahnen ziehen, kommen dem Staate immer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/377>, abgerufen am 25.08.2024.