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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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daß der Vorstand des Börsenvereins als Vertreter berechtigter Interessen ge¬
handelt hat. Versteht das Reichsgericht seinen Satz von der "Bethätigung
eines Konkurrenzbetriebes" dahin, daß die übrigen Buchhändler den Schleu¬
derern nur dadurch entgegentreten dürften, daß auch sie zu Schleuderpreisen
verkauften (!), so wollen wir dieser Ansicht nur folgenden einfachen Fall
gegenüberstellen. Gesetzt, in einer Stadt hat sür gewisse Waren bisher nur
ein Geschäft bestanden. Nun will ein zweiter Kaufmann für dieselben Waren
ein Geschäft gründen. Er verlangt aber von dem ersten, daß dieser ihm die
Waren dazu liefere. Dieser verweigert es. Darauf verklagt ihn jeuer wegen
Störung in den natürlichen Beziehungen des gewerblichen Lebens auf Schaden¬
ersatz. Das Gericht verurteilt den Verklagten, weil dieser nur durch Be¬
thätigung des eignen Konkurrenzbetriebes, nicht aber durch Verweigerung der
Waren den Kläger an seinem Gewerbe Hütte verhindern dürfen. Das wäre
eine Entscheidung nach den Sätzen des Reichsgerichts. Daß die angezogenen
Stellen des preußischen Landrechts und des sächsischen Gesetzbuchs so etwas
nicht enthalten, wird wohl kaum jemandem zweifelhaft sein.

Auch noch bei einer andern Stelle seiner eignen Entscheidungsgründe
hätten dem Reichsgericht wohl einige Bedenken gegen seine Entscheidung
kommen können. Um darzulegen, daß der Geschäftsbetrieb der Schleuderer
rechtlich unanfechtbar sei, wird in dem Urteile vom 24. Juni 1891 gesagt:
"Ohne Eingriff in eine fremde Rechtssphäre kann von einer illoyalen Kon¬
kurrenz im Rechtssinne nicht gesprochen werden. In einem andern als dem
Rechtssinne ist der Begriff auf dem Rechtsgebiete ohne Bedeutung. Es besteht
für den Buchhändler keine Rechtspflicht, auf die Erhaltung seiner Konkurrenten
in der Provinz oder darauf, daß für Autoren weniger tnrrenter Werke ein
lebenskräftiger Sortimentshandel wirksam bleiben kann, Bedacht zu nehmen."
Das ist unzweifelhaft richtig. Aber eben so richtig ist es auch, daß keine
Rechtspflicht für die Verleger besteht, durch Lieferung von Werken auf die
Erhaltung der Schleuderer in ihrem Betriebe Bedacht zu nehmen, und daß
auch, wenn sie diese Lieferung verweigern, oder wenn sie andre auffordern,
dies zu thun, von einem Eingriff in die Rechtssphäre im Rechtssinne nicht
gesprochen werden kann. Dem Rechte des einen steht das Recht des andern
gegenüber, und man kann nicht jenes Recht hochhalten, dieses aber verurteilen.
Nicht darauf kommt es an, ob die Schleuderer durch ihren Betrieb Rechte
der andern Buchhändler verletzt haben, sondern darauf, ob die audern Buch¬
händler durch Verweigerung ihrer Verlagsartikel oder durch die Aufforderung
zu dieser Verweigerung Rechte der Schleuderer verletzt haben.

So viel über den sachlichen Inhalt der Reichsgerichtsurteile. Wir haben
aber auch noch ein Wort über ihre Sprache zu sagen. Oben sind bereits
Proben dieser Sprache mitgeteilt worden. In dem daraus ersichtlichen Stile
läuft das Urteil von 1890 durch elf, das Urteil vou 1891 durch sieben eng-


daß der Vorstand des Börsenvereins als Vertreter berechtigter Interessen ge¬
handelt hat. Versteht das Reichsgericht seinen Satz von der „Bethätigung
eines Konkurrenzbetriebes" dahin, daß die übrigen Buchhändler den Schleu¬
derern nur dadurch entgegentreten dürften, daß auch sie zu Schleuderpreisen
verkauften (!), so wollen wir dieser Ansicht nur folgenden einfachen Fall
gegenüberstellen. Gesetzt, in einer Stadt hat sür gewisse Waren bisher nur
ein Geschäft bestanden. Nun will ein zweiter Kaufmann für dieselben Waren
ein Geschäft gründen. Er verlangt aber von dem ersten, daß dieser ihm die
Waren dazu liefere. Dieser verweigert es. Darauf verklagt ihn jeuer wegen
Störung in den natürlichen Beziehungen des gewerblichen Lebens auf Schaden¬
ersatz. Das Gericht verurteilt den Verklagten, weil dieser nur durch Be¬
thätigung des eignen Konkurrenzbetriebes, nicht aber durch Verweigerung der
Waren den Kläger an seinem Gewerbe Hütte verhindern dürfen. Das wäre
eine Entscheidung nach den Sätzen des Reichsgerichts. Daß die angezogenen
Stellen des preußischen Landrechts und des sächsischen Gesetzbuchs so etwas
nicht enthalten, wird wohl kaum jemandem zweifelhaft sein.

Auch noch bei einer andern Stelle seiner eignen Entscheidungsgründe
hätten dem Reichsgericht wohl einige Bedenken gegen seine Entscheidung
kommen können. Um darzulegen, daß der Geschäftsbetrieb der Schleuderer
rechtlich unanfechtbar sei, wird in dem Urteile vom 24. Juni 1891 gesagt:
„Ohne Eingriff in eine fremde Rechtssphäre kann von einer illoyalen Kon¬
kurrenz im Rechtssinne nicht gesprochen werden. In einem andern als dem
Rechtssinne ist der Begriff auf dem Rechtsgebiete ohne Bedeutung. Es besteht
für den Buchhändler keine Rechtspflicht, auf die Erhaltung seiner Konkurrenten
in der Provinz oder darauf, daß für Autoren weniger tnrrenter Werke ein
lebenskräftiger Sortimentshandel wirksam bleiben kann, Bedacht zu nehmen."
Das ist unzweifelhaft richtig. Aber eben so richtig ist es auch, daß keine
Rechtspflicht für die Verleger besteht, durch Lieferung von Werken auf die
Erhaltung der Schleuderer in ihrem Betriebe Bedacht zu nehmen, und daß
auch, wenn sie diese Lieferung verweigern, oder wenn sie andre auffordern,
dies zu thun, von einem Eingriff in die Rechtssphäre im Rechtssinne nicht
gesprochen werden kann. Dem Rechte des einen steht das Recht des andern
gegenüber, und man kann nicht jenes Recht hochhalten, dieses aber verurteilen.
Nicht darauf kommt es an, ob die Schleuderer durch ihren Betrieb Rechte
der andern Buchhändler verletzt haben, sondern darauf, ob die audern Buch¬
händler durch Verweigerung ihrer Verlagsartikel oder durch die Aufforderung
zu dieser Verweigerung Rechte der Schleuderer verletzt haben.

So viel über den sachlichen Inhalt der Reichsgerichtsurteile. Wir haben
aber auch noch ein Wort über ihre Sprache zu sagen. Oben sind bereits
Proben dieser Sprache mitgeteilt worden. In dem daraus ersichtlichen Stile
läuft das Urteil von 1890 durch elf, das Urteil vou 1891 durch sieben eng-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/335>, abgerufen am 23.07.2024.