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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Nordwestafrika und die transsaharische Bahn

Augit, über Air Uhden nach Sokoto oder dem That verlaufen soll. Ein
Ingenieur Blanc hat auch noch eine vierte Linie vorgeschlagen, die vom süd¬
lichen Tunis unter Berührung der Bucht von Gades nach Ghadames und
Ghat durch tripolitanisches Gebiet dem That zustreben soll. In einer Schrift
traten der General Philibert und der Ingenieur Rolland aufs nachdrücklichste
für die Ausführbarkeit der transsaharischen Bahn ein, und so kam es, daß
die Regierung eine Prüfung der einschlägigen Fragen durch Sachverständige
veranlaßte, die sich für die dritte, östliche Linie Konstantine-Wargla-Augit
aussprachen; den Bau der Bahn nach dem That bezeichneten sie als dringend,
während sie die Strecke nach Timbuktu für aufschiebbar erklärten. Sofort
gingen die Franzosen ans Werk, und schon sind 239 Kilometer der Bahn in
Betrieb; allerdings ein kleiner Teil der ans ungefähr 3000 Kilometer berech¬
neten Strecke!

Die transsaharische Bahn zweigt sich bei El Guerrah, 37 Kilometer
südlich von Constantine, von der Linie Philippeville-Constantine-setis ab und
geht von da in südwestlicher Richtung durch weite Steppengebiete, die mit
großen Salzseen (Schotts) besetzt sind. Dann windet sich die Bahn von
Brera an in großen Bogen durch das rotbraune, zerrissene und kahle Fels¬
gebirge des Aurvs, um dann durch den Form es Sahara, den Mund der
Wüste, in die Schlucht des Ueb el Kantara einzutreten.

Zwischen Quitten, Aprikosen und Orangebäumen, dnrch die auch hier und
dort schon die Häuser von europäischen Kolonisten hindurchschauen, durch
schönen Dnttelpalmenwald geht es nun von Oase zu Oase an den letzten
Ausläufern des Aurssgebirges und an dem Col de Sfa vorbei, hinein in die
violettschimmernde, still und regungslos daliegende Wüste, aus der sich die
Oasen wie dunkle Inseln abheben, bis der Zug in Biskra, der Perle der
Wüste, hält. So weit geht vorläufig der Schienenweg!

Daß die transsaharische Bahn von größter militärischer, handelspolitische".-
und Kulturbedeutung ist, läßt sich schon jetzt erkennen. Überall neben der
Bahn sind durch Anlage von artesischen Brunnen und durch Urpflanzen von
Eukalypten und Dattelpalmen günstige Stationsorte geschaffen worden. Die
Sicherheit des Landes nimmt mit dem Vordringen der Bahn zu. Schon jetzt
wird, obwohl die Strecke Batna-Biskra erst vor kurzem dem Verkehr Wer¬
geben worden ist, der Handel mächtig gehoben. Lange Karawanen, getrieben
von Tuaregs, schleppen die Schätze der Oasen nach Biskra herbei. Unter den
fast 8000 Einwohnern zählt man -- abgesehen von den Soldaten -- schon
200 Europäer! Und wie hat sich das Ansehen Biskras verändert! Stolz
nennt es der Soldat sein ?M8 <w Salar-i. Durch die Bahn nach Biskra
ist es den Franzosen auch möglich geworden, eine Besatzung bis nach Tugurt,
das 200 Kilometer weiter in der Wüste liegt, vorzuschieben. So werden all¬
mählich dnrch zahlreiche französische Posten die wilden Tuaregs, in deren


Nordwestafrika und die transsaharische Bahn

Augit, über Air Uhden nach Sokoto oder dem That verlaufen soll. Ein
Ingenieur Blanc hat auch noch eine vierte Linie vorgeschlagen, die vom süd¬
lichen Tunis unter Berührung der Bucht von Gades nach Ghadames und
Ghat durch tripolitanisches Gebiet dem That zustreben soll. In einer Schrift
traten der General Philibert und der Ingenieur Rolland aufs nachdrücklichste
für die Ausführbarkeit der transsaharischen Bahn ein, und so kam es, daß
die Regierung eine Prüfung der einschlägigen Fragen durch Sachverständige
veranlaßte, die sich für die dritte, östliche Linie Konstantine-Wargla-Augit
aussprachen; den Bau der Bahn nach dem That bezeichneten sie als dringend,
während sie die Strecke nach Timbuktu für aufschiebbar erklärten. Sofort
gingen die Franzosen ans Werk, und schon sind 239 Kilometer der Bahn in
Betrieb; allerdings ein kleiner Teil der ans ungefähr 3000 Kilometer berech¬
neten Strecke!

Die transsaharische Bahn zweigt sich bei El Guerrah, 37 Kilometer
südlich von Constantine, von der Linie Philippeville-Constantine-setis ab und
geht von da in südwestlicher Richtung durch weite Steppengebiete, die mit
großen Salzseen (Schotts) besetzt sind. Dann windet sich die Bahn von
Brera an in großen Bogen durch das rotbraune, zerrissene und kahle Fels¬
gebirge des Aurvs, um dann durch den Form es Sahara, den Mund der
Wüste, in die Schlucht des Ueb el Kantara einzutreten.

Zwischen Quitten, Aprikosen und Orangebäumen, dnrch die auch hier und
dort schon die Häuser von europäischen Kolonisten hindurchschauen, durch
schönen Dnttelpalmenwald geht es nun von Oase zu Oase an den letzten
Ausläufern des Aurssgebirges und an dem Col de Sfa vorbei, hinein in die
violettschimmernde, still und regungslos daliegende Wüste, aus der sich die
Oasen wie dunkle Inseln abheben, bis der Zug in Biskra, der Perle der
Wüste, hält. So weit geht vorläufig der Schienenweg!

Daß die transsaharische Bahn von größter militärischer, handelspolitische».-
und Kulturbedeutung ist, läßt sich schon jetzt erkennen. Überall neben der
Bahn sind durch Anlage von artesischen Brunnen und durch Urpflanzen von
Eukalypten und Dattelpalmen günstige Stationsorte geschaffen worden. Die
Sicherheit des Landes nimmt mit dem Vordringen der Bahn zu. Schon jetzt
wird, obwohl die Strecke Batna-Biskra erst vor kurzem dem Verkehr Wer¬
geben worden ist, der Handel mächtig gehoben. Lange Karawanen, getrieben
von Tuaregs, schleppen die Schätze der Oasen nach Biskra herbei. Unter den
fast 8000 Einwohnern zählt man — abgesehen von den Soldaten — schon
200 Europäer! Und wie hat sich das Ansehen Biskras verändert! Stolz
nennt es der Soldat sein ?M8 <w Salar-i. Durch die Bahn nach Biskra
ist es den Franzosen auch möglich geworden, eine Besatzung bis nach Tugurt,
das 200 Kilometer weiter in der Wüste liegt, vorzuschieben. So werden all¬
mählich dnrch zahlreiche französische Posten die wilden Tuaregs, in deren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/325>, abgerufen am 26.08.2024.