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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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und Gabun zu einem Ganzen zusammenzuschweißen. Das dazwischenliegende
Gebiet vom That bis zum Meere soll dann zuerst in wirtschaftliche Abhängig¬
keit gebracht werden, der dann voraussichtlich bald auch die politische solgen
wird. In ähnlicher Weise wird von ihnen ja jetzt schon das portugiesische
Senegambien aufgezehrt.

Wie sehr dieser Gedanke den Franzosen schon in Fleisch und Blut über¬
gegangen ist, mag folgender Vorschlag einer französischen Zeitung beweisen,
den Hauptmann Tamra vergangnen Herbst in Tunis las: Wir müssen den
Sklavenhändlern den Weg sperren, d. h. die Tuaregs unterwerfen, Ghadames
nehmen, Ani Salad besetzen, am That herrschen, mit Gewalt auf Tripolitanien
und Marokko drücken und uns mit England in Ägypten verstündigen.

Einige Sorge bereitet den Franzosen nur das Vorgehen der Deutschen
von Togo und Kamerun aus. Dies beweisen die Auslassungen des Depu-
tirten vom Senegal, des Admirals Ballon, der im Loliur vom 5. Januar 1892
unter anderm folgendes schreibt: Es würde uns dann unmöglich sein, unsre
Besitzungen in Dahomeh, wie wir hoffen konnten, mit denen im Sudan zu
vereinigen. Wenn die Deutschen die Herren von Togo und den verschiednen
Gebieten sein werden, mit deren Besitzergreifung sie beschäftigt sind (Graf
Pfeil und Kling), wird sich ihr Gebiet gerade zwischen unsern Kolonien im
Sudan und Dahomeh erstrecken.

Die Absichten der Franzosen sind jetzt vor allem auf das Gewinnen des
Tsndgebietes gerichtet. Daß sie rüstig bei der Arbeit sind, ist bekannt. An
Stelle der im vorigen Jahre verunglückten Unternehmung Cmmpels, die von
Süden her, von Gabun aus, den That gewinnen sollte, ist nun in aller
Stille mit großer Macht de Brazza ausgesandt worden. Von Norden her,
von Algerien aus, soll der That durch den Bau der transsaharischen Bahn
gewonnen werden.

Schon seit sechzig Jahren trägt man sich mit dem Plane, Algerien und
die Kolonien am Senegal und Niger zu verbinden. Aber erst neuerdings hat
der Gedanke, den man für undurchführbar hielt, feste Gestalt angenommen.
Es war der dnrch seine in der algerischen Sahara ausgeführten Bauten und
Anlagen rühmlichst bekannte Grubeningenieur Georg Rolland, der auf Grund
zehnjähriger Beobachtungen und Aufnahmen mit einem EntWurfe hervortrat.
Er bringt nun drei Saharalinien in Vorschlag, die alle eine Länge von
2500 bis 3000 Kilometer haben; und zwar läßt er sie von den drei Haupt¬
städten der Provinz Algerien ausgehen. Die westliche Linie soll von Oran
im Thale des Ueb Mekerra aufwärtslaufen, sich in der Nähe der Grenze von
Marokko halten, um dann über Tuat in südwestlicher Richtung Timbuktu, den
nördlichsten Punkt des Niger, zu gewinnen. Die mittlere Linie nimmt Algier
zum Ausgange und soll El Goleah berühren; während die dritte, östliche
Linie von Constantine über Tugurt, Wargla, längs des Wadi Jghargar, nach


und Gabun zu einem Ganzen zusammenzuschweißen. Das dazwischenliegende
Gebiet vom That bis zum Meere soll dann zuerst in wirtschaftliche Abhängig¬
keit gebracht werden, der dann voraussichtlich bald auch die politische solgen
wird. In ähnlicher Weise wird von ihnen ja jetzt schon das portugiesische
Senegambien aufgezehrt.

Wie sehr dieser Gedanke den Franzosen schon in Fleisch und Blut über¬
gegangen ist, mag folgender Vorschlag einer französischen Zeitung beweisen,
den Hauptmann Tamra vergangnen Herbst in Tunis las: Wir müssen den
Sklavenhändlern den Weg sperren, d. h. die Tuaregs unterwerfen, Ghadames
nehmen, Ani Salad besetzen, am That herrschen, mit Gewalt auf Tripolitanien
und Marokko drücken und uns mit England in Ägypten verstündigen.

Einige Sorge bereitet den Franzosen nur das Vorgehen der Deutschen
von Togo und Kamerun aus. Dies beweisen die Auslassungen des Depu-
tirten vom Senegal, des Admirals Ballon, der im Loliur vom 5. Januar 1892
unter anderm folgendes schreibt: Es würde uns dann unmöglich sein, unsre
Besitzungen in Dahomeh, wie wir hoffen konnten, mit denen im Sudan zu
vereinigen. Wenn die Deutschen die Herren von Togo und den verschiednen
Gebieten sein werden, mit deren Besitzergreifung sie beschäftigt sind (Graf
Pfeil und Kling), wird sich ihr Gebiet gerade zwischen unsern Kolonien im
Sudan und Dahomeh erstrecken.

Die Absichten der Franzosen sind jetzt vor allem auf das Gewinnen des
Tsndgebietes gerichtet. Daß sie rüstig bei der Arbeit sind, ist bekannt. An
Stelle der im vorigen Jahre verunglückten Unternehmung Cmmpels, die von
Süden her, von Gabun aus, den That gewinnen sollte, ist nun in aller
Stille mit großer Macht de Brazza ausgesandt worden. Von Norden her,
von Algerien aus, soll der That durch den Bau der transsaharischen Bahn
gewonnen werden.

Schon seit sechzig Jahren trägt man sich mit dem Plane, Algerien und
die Kolonien am Senegal und Niger zu verbinden. Aber erst neuerdings hat
der Gedanke, den man für undurchführbar hielt, feste Gestalt angenommen.
Es war der dnrch seine in der algerischen Sahara ausgeführten Bauten und
Anlagen rühmlichst bekannte Grubeningenieur Georg Rolland, der auf Grund
zehnjähriger Beobachtungen und Aufnahmen mit einem EntWurfe hervortrat.
Er bringt nun drei Saharalinien in Vorschlag, die alle eine Länge von
2500 bis 3000 Kilometer haben; und zwar läßt er sie von den drei Haupt¬
städten der Provinz Algerien ausgehen. Die westliche Linie soll von Oran
im Thale des Ueb Mekerra aufwärtslaufen, sich in der Nähe der Grenze von
Marokko halten, um dann über Tuat in südwestlicher Richtung Timbuktu, den
nördlichsten Punkt des Niger, zu gewinnen. Die mittlere Linie nimmt Algier
zum Ausgange und soll El Goleah berühren; während die dritte, östliche
Linie von Constantine über Tugurt, Wargla, längs des Wadi Jghargar, nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/324>, abgerufen am 23.07.2024.