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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Zur Geschichte der "apoleonischen Kriege

Episoden, ganz wiederzugeben. Nur eine Stelle wollen wir hervorheben. Er
sagt: Der Maler Gerard hat in seinem Gemälde der Schlacht bei Austerlitz
den Augenblick dargestellt, wo General Rapp verwundet und mit Blut bedeckt
aus dem Kampfe eilt und dem Kaiser die Fahnen überreicht, die soeben erbeutet
worden sind. Als Gefangnen führt er den Fürsten Repnin mit sich. Ich
war bei diesem großartigen Schauspiel zugegen, das dieser Maler mit wunder¬
barer Genauigkeit wiedergegeben hat. Alle Köpfe sind Porträts, selbst
der von jenem wackern Jäger, der von einer Kugel durchbohrt, ohne einen
Schmerzenslaut bis an den Kaiser vordringt, ihm die soeben eroberte Stan¬
darte überreicht und dann tot zusammenbricht. Napoleon wollte das Andenken
an diesen Jäger ehren und befahl dem Maler, ihm einen Platz in seinem
Kunstwerke zu geben. Man bemerkt auch einen Mameluken auf dem Bilde,
der in der einen Hand eine feindliche Fahne hält und in der andern die Zügel
seines sterbenden Pferdes. Dieser Mann, mit Namen Mustafa, war in der
Garde bekannt wegen seines Mutes und seiner Wildheit. Er hatte sich bei
dem Angriff auf den Großherzog Konstantin gestürzt, der sich nur dadurch
von ihm befreien konnte, daß er seine Pistole ans ihn abdrückte und das Pferd
des Mameluken schwer verwundete. Mustafa war betrübt, dem Kaiser uur
eine Standarte darbringen zu können; als er sie überreichte, sagte er in seinem
Jargon: ^I>! si moi sombre primos (.ZonstAntin, rivi vouxvr töte et moi porter
ü> 1'<;my"rü"r! Napoleon fuhr ihn entrüstet an mit den Worten: Vvnx-tu
Iren w tairv, vitam Stuol^ö!

Nach der Schlacht bei Austerlitz wurde Marbot mit einer Depesche Na¬
poleons an den König von Preußen geschickt. In Berlin hatte er Gelegen¬
heit, den Prinzen Louis Ferdinand kennen zu lernen, der einen tiefen Eindruck
ans ihn machte. Er schildert das Hofleben, charakterisirt den König, die
Königin und die preußischen Offiziere und macht sich über die lärmende
Prahlerei der Kriegspartei lustig, deren Anhänger ans der steinernen Treppe
der französischen Gesandtschaft herausfordernd ihre Säbel wetzten. Marbot
mußte Berlin verlassen und überbrachte Napoleon die Antwort des preußischen
Königs, zugleich erzählte er ihm von jener lächerlichen Großthuerei. Napoleon
geriet darüber in Wild und rief ans: I-es ir>8ol6ntL lÄnkurons ÄZM-ömI i'our,
bivntöd, yue no" aiines Lord en bon stat. Marbot kehrte dann zu Augereau
zurück und machte das Gefecht bei Saalfeld mit. Der Prinz Louis, erzählt
er, hätte sich aus seiner ungünstigen Stellung noch auf das preußische Korps
zurückziehen können, das Jena besetzt hielt. Da er aber der Hanptanstifter
des Krieges war, so schien es ihm ungehörig, sich ohne Kampf zurückzuziehen.
Er wurde für seiue Tollkühnheit schwer gestraft. Der Marschall Lannes
benutzte geschickt die Höhenzüge, an deren Fuß der Prinz seine Truppen ent¬
faltet hatte, und ließ diese von seiner Artillerie beschießen. Sobald er die
Schlachtordnung erschüttert hatte, stürzte sich die französische Infanterie von


Zur Geschichte der »apoleonischen Kriege

Episoden, ganz wiederzugeben. Nur eine Stelle wollen wir hervorheben. Er
sagt: Der Maler Gerard hat in seinem Gemälde der Schlacht bei Austerlitz
den Augenblick dargestellt, wo General Rapp verwundet und mit Blut bedeckt
aus dem Kampfe eilt und dem Kaiser die Fahnen überreicht, die soeben erbeutet
worden sind. Als Gefangnen führt er den Fürsten Repnin mit sich. Ich
war bei diesem großartigen Schauspiel zugegen, das dieser Maler mit wunder¬
barer Genauigkeit wiedergegeben hat. Alle Köpfe sind Porträts, selbst
der von jenem wackern Jäger, der von einer Kugel durchbohrt, ohne einen
Schmerzenslaut bis an den Kaiser vordringt, ihm die soeben eroberte Stan¬
darte überreicht und dann tot zusammenbricht. Napoleon wollte das Andenken
an diesen Jäger ehren und befahl dem Maler, ihm einen Platz in seinem
Kunstwerke zu geben. Man bemerkt auch einen Mameluken auf dem Bilde,
der in der einen Hand eine feindliche Fahne hält und in der andern die Zügel
seines sterbenden Pferdes. Dieser Mann, mit Namen Mustafa, war in der
Garde bekannt wegen seines Mutes und seiner Wildheit. Er hatte sich bei
dem Angriff auf den Großherzog Konstantin gestürzt, der sich nur dadurch
von ihm befreien konnte, daß er seine Pistole ans ihn abdrückte und das Pferd
des Mameluken schwer verwundete. Mustafa war betrübt, dem Kaiser uur
eine Standarte darbringen zu können; als er sie überreichte, sagte er in seinem
Jargon: ^I>! si moi sombre primos (.ZonstAntin, rivi vouxvr töte et moi porter
ü> 1'<;my«rü»r! Napoleon fuhr ihn entrüstet an mit den Worten: Vvnx-tu
Iren w tairv, vitam Stuol^ö!

Nach der Schlacht bei Austerlitz wurde Marbot mit einer Depesche Na¬
poleons an den König von Preußen geschickt. In Berlin hatte er Gelegen¬
heit, den Prinzen Louis Ferdinand kennen zu lernen, der einen tiefen Eindruck
ans ihn machte. Er schildert das Hofleben, charakterisirt den König, die
Königin und die preußischen Offiziere und macht sich über die lärmende
Prahlerei der Kriegspartei lustig, deren Anhänger ans der steinernen Treppe
der französischen Gesandtschaft herausfordernd ihre Säbel wetzten. Marbot
mußte Berlin verlassen und überbrachte Napoleon die Antwort des preußischen
Königs, zugleich erzählte er ihm von jener lächerlichen Großthuerei. Napoleon
geriet darüber in Wild und rief ans: I-es ir>8ol6ntL lÄnkurons ÄZM-ömI i'our,
bivntöd, yue no« aiines Lord en bon stat. Marbot kehrte dann zu Augereau
zurück und machte das Gefecht bei Saalfeld mit. Der Prinz Louis, erzählt
er, hätte sich aus seiner ungünstigen Stellung noch auf das preußische Korps
zurückziehen können, das Jena besetzt hielt. Da er aber der Hanptanstifter
des Krieges war, so schien es ihm ungehörig, sich ohne Kampf zurückzuziehen.
Er wurde für seiue Tollkühnheit schwer gestraft. Der Marschall Lannes
benutzte geschickt die Höhenzüge, an deren Fuß der Prinz seine Truppen ent¬
faltet hatte, und ließ diese von seiner Artillerie beschießen. Sobald er die
Schlachtordnung erschüttert hatte, stürzte sich die französische Infanterie von


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[0311] Zur Geschichte der »apoleonischen Kriege Episoden, ganz wiederzugeben. Nur eine Stelle wollen wir hervorheben. Er sagt: Der Maler Gerard hat in seinem Gemälde der Schlacht bei Austerlitz den Augenblick dargestellt, wo General Rapp verwundet und mit Blut bedeckt aus dem Kampfe eilt und dem Kaiser die Fahnen überreicht, die soeben erbeutet worden sind. Als Gefangnen führt er den Fürsten Repnin mit sich. Ich war bei diesem großartigen Schauspiel zugegen, das dieser Maler mit wunder¬ barer Genauigkeit wiedergegeben hat. Alle Köpfe sind Porträts, selbst der von jenem wackern Jäger, der von einer Kugel durchbohrt, ohne einen Schmerzenslaut bis an den Kaiser vordringt, ihm die soeben eroberte Stan¬ darte überreicht und dann tot zusammenbricht. Napoleon wollte das Andenken an diesen Jäger ehren und befahl dem Maler, ihm einen Platz in seinem Kunstwerke zu geben. Man bemerkt auch einen Mameluken auf dem Bilde, der in der einen Hand eine feindliche Fahne hält und in der andern die Zügel seines sterbenden Pferdes. Dieser Mann, mit Namen Mustafa, war in der Garde bekannt wegen seines Mutes und seiner Wildheit. Er hatte sich bei dem Angriff auf den Großherzog Konstantin gestürzt, der sich nur dadurch von ihm befreien konnte, daß er seine Pistole ans ihn abdrückte und das Pferd des Mameluken schwer verwundete. Mustafa war betrübt, dem Kaiser uur eine Standarte darbringen zu können; als er sie überreichte, sagte er in seinem Jargon: ^I>! si moi sombre primos (.ZonstAntin, rivi vouxvr töte et moi porter ü> 1'<;my«rü»r! Napoleon fuhr ihn entrüstet an mit den Worten: Vvnx-tu Iren w tairv, vitam Stuol^ö! Nach der Schlacht bei Austerlitz wurde Marbot mit einer Depesche Na¬ poleons an den König von Preußen geschickt. In Berlin hatte er Gelegen¬ heit, den Prinzen Louis Ferdinand kennen zu lernen, der einen tiefen Eindruck ans ihn machte. Er schildert das Hofleben, charakterisirt den König, die Königin und die preußischen Offiziere und macht sich über die lärmende Prahlerei der Kriegspartei lustig, deren Anhänger ans der steinernen Treppe der französischen Gesandtschaft herausfordernd ihre Säbel wetzten. Marbot mußte Berlin verlassen und überbrachte Napoleon die Antwort des preußischen Königs, zugleich erzählte er ihm von jener lächerlichen Großthuerei. Napoleon geriet darüber in Wild und rief ans: I-es ir>8ol6ntL lÄnkurons ÄZM-ömI i'our, bivntöd, yue no« aiines Lord en bon stat. Marbot kehrte dann zu Augereau zurück und machte das Gefecht bei Saalfeld mit. Der Prinz Louis, erzählt er, hätte sich aus seiner ungünstigen Stellung noch auf das preußische Korps zurückziehen können, das Jena besetzt hielt. Da er aber der Hanptanstifter des Krieges war, so schien es ihm ungehörig, sich ohne Kampf zurückzuziehen. Er wurde für seiue Tollkühnheit schwer gestraft. Der Marschall Lannes benutzte geschickt die Höhenzüge, an deren Fuß der Prinz seine Truppen ent¬ faltet hatte, und ließ diese von seiner Artillerie beschießen. Sobald er die Schlachtordnung erschüttert hatte, stürzte sich die französische Infanterie von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/311>, abgerufen am 23.07.2024.