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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Zur Geschichte der Iiclpolecnlischeil Kriege

feindlichen Reiter. Aber co kam selten zum Haudgenieuge, denn die Feinde
ergriffen gewöhnlich die Flucht, sobald sie diesen behaarten, halbnackten Niesen
erblickten, der wie toll draus losjagte und dabei ein entsetzliches Geheul
nusstieß.

Als einen andern merkwürdigen Typus jener "apvleo"ische" Kriegshelden
stellt Marbot den General Augereau hin, der von allen das abenteuerlichste
Leben geführt hat. Die Angaben und Urteile der Geschichtschreiber über ihn
sind sehr verschieden, scheinen aber zur" größten Teile falsch zu sein. Marbot
giebt hier wohl zuerst eine wahrheitsgetreue Darstellung von den Schicksalen
und dem Charakter dieses merkwürdigen Mannes. Augereau wurde 1757 zu Paris
geboren, wo sein Bater ein großes Frnchtgeschäft hatte. Seine Mutter stammte
ans München und brachte den Knaben die deutsche Sprache bei, was ihm später von
großem Vorteil war. Mit seinem siebzehnten Jahre trat er in das Karabinier-
regiment zu Saninur und wurde bald Unteroffizier, da er ein vortrefflicher
Reiter und Schütze war. Damals herrschte unter den Unteroffizieren der ver-
schiednen Regimenter eine wahre Duellwut, und Augereau wurde verschiedene-
male vorgeschickt, um die Würde des Regiments zu wahre". Immer kehrte
er siegreich zurück. So stieg sein Selbstbewußtsein immer hoher; und als
eines Tages ein junger Offizier vor der Front seine Reitpeitsche gegen ihn
erhob, schlug sie ihm Augereau ans der Hand. Der Leutnant zog seinen
Säbel und hieb wie wütend ans ihn el". Nun zog dieser gleichfalls blank
und schlug seinein Borgesetzten vor der Front nieder. Der Regimentskomman¬
deur ließ Augereau nach der Schweiz fliehen, da ihn sonst unfehlbar die Todes¬
strafe hätte treffen müssen, und er den tüchtigen Unteroffizier retten wollte.
Augereau ging nach Genf und trat dort als Buchhalter i" ein Uhrengeschäft, das
große Berbindungen mit den" Orient unterhielt. Bald darauf begab er sich mit
einem Geschäftsreisenden nach Griechenland und von dort nach Konstantinopel,
nach Kleinasien und nach der Krim. Nun war damals gerade ein Krieg
zwischen Rußland und der Türkei ausgebrochen. Augereau trat sogleich in
russische Dienste und wurde bei": Se"rin aus Jsmmloff verwundet. Nach dem
Friedensschluß wurde sein Regiment nach Polen geschickt. Hier desertirte er
und ging nach Preußen, wo er in das Regiment des Prinzen Heinrich ge¬
steckt wurde. Bei einer Musterung fiel Augereau dem König Friedrich auf:
VoM u" Keau Krvosäior; 6<z auvl pg,)'" c!8t.-it? -- II est ?ravy!ÜL, Kiro.
1s.ut Ins, will, xis! s'it ont, lit.0 LuiWL VN vV>I(!NMI1<>, N0N8 VN 0N88WNL
eg.it, cjNölquö ellosv. In Preuße" war also für ihn auch nichts zu erreichen.
So desertirte er denn auch hier wieder und zwar mit sechzig seiner Kame¬
raden; sie waren alle bewaffnet, wehrten sich verzweifelt gegen ihre Verfolger
und schlugen sich nach Sachsen durch. Ju Dresden erfuhr Augereau, daß
die Geburt des Dauphin durch eine allgemeine Amnestie in Frankreich gefeiert
werden sollte. Er kehrte sofort nach seinem Vaterlande zurück und trat wieder


Zur Geschichte der Iiclpolecnlischeil Kriege

feindlichen Reiter. Aber co kam selten zum Haudgenieuge, denn die Feinde
ergriffen gewöhnlich die Flucht, sobald sie diesen behaarten, halbnackten Niesen
erblickten, der wie toll draus losjagte und dabei ein entsetzliches Geheul
nusstieß.

Als einen andern merkwürdigen Typus jener »apvleo»ische» Kriegshelden
stellt Marbot den General Augereau hin, der von allen das abenteuerlichste
Leben geführt hat. Die Angaben und Urteile der Geschichtschreiber über ihn
sind sehr verschieden, scheinen aber zur» größten Teile falsch zu sein. Marbot
giebt hier wohl zuerst eine wahrheitsgetreue Darstellung von den Schicksalen
und dem Charakter dieses merkwürdigen Mannes. Augereau wurde 1757 zu Paris
geboren, wo sein Bater ein großes Frnchtgeschäft hatte. Seine Mutter stammte
ans München und brachte den Knaben die deutsche Sprache bei, was ihm später von
großem Vorteil war. Mit seinem siebzehnten Jahre trat er in das Karabinier-
regiment zu Saninur und wurde bald Unteroffizier, da er ein vortrefflicher
Reiter und Schütze war. Damals herrschte unter den Unteroffizieren der ver-
schiednen Regimenter eine wahre Duellwut, und Augereau wurde verschiedene-
male vorgeschickt, um die Würde des Regiments zu wahre». Immer kehrte
er siegreich zurück. So stieg sein Selbstbewußtsein immer hoher; und als
eines Tages ein junger Offizier vor der Front seine Reitpeitsche gegen ihn
erhob, schlug sie ihm Augereau ans der Hand. Der Leutnant zog seinen
Säbel und hieb wie wütend ans ihn el». Nun zog dieser gleichfalls blank
und schlug seinein Borgesetzten vor der Front nieder. Der Regimentskomman¬
deur ließ Augereau nach der Schweiz fliehen, da ihn sonst unfehlbar die Todes¬
strafe hätte treffen müssen, und er den tüchtigen Unteroffizier retten wollte.
Augereau ging nach Genf und trat dort als Buchhalter i» ein Uhrengeschäft, das
große Berbindungen mit den» Orient unterhielt. Bald darauf begab er sich mit
einem Geschäftsreisenden nach Griechenland und von dort nach Konstantinopel,
nach Kleinasien und nach der Krim. Nun war damals gerade ein Krieg
zwischen Rußland und der Türkei ausgebrochen. Augereau trat sogleich in
russische Dienste und wurde bei»: Se»rin aus Jsmmloff verwundet. Nach dem
Friedensschluß wurde sein Regiment nach Polen geschickt. Hier desertirte er
und ging nach Preußen, wo er in das Regiment des Prinzen Heinrich ge¬
steckt wurde. Bei einer Musterung fiel Augereau dem König Friedrich auf:
VoM u» Keau Krvosäior; 6<z auvl pg,)'« c!8t.-it? — II est ?ravy!ÜL, Kiro.
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eg.it, cjNölquö ellosv. In Preuße» war also für ihn auch nichts zu erreichen.
So desertirte er denn auch hier wieder und zwar mit sechzig seiner Kame¬
raden; sie waren alle bewaffnet, wehrten sich verzweifelt gegen ihre Verfolger
und schlugen sich nach Sachsen durch. Ju Dresden erfuhr Augereau, daß
die Geburt des Dauphin durch eine allgemeine Amnestie in Frankreich gefeiert
werden sollte. Er kehrte sofort nach seinem Vaterlande zurück und trat wieder


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[0308] Zur Geschichte der Iiclpolecnlischeil Kriege feindlichen Reiter. Aber co kam selten zum Haudgenieuge, denn die Feinde ergriffen gewöhnlich die Flucht, sobald sie diesen behaarten, halbnackten Niesen erblickten, der wie toll draus losjagte und dabei ein entsetzliches Geheul nusstieß. Als einen andern merkwürdigen Typus jener »apvleo»ische» Kriegshelden stellt Marbot den General Augereau hin, der von allen das abenteuerlichste Leben geführt hat. Die Angaben und Urteile der Geschichtschreiber über ihn sind sehr verschieden, scheinen aber zur» größten Teile falsch zu sein. Marbot giebt hier wohl zuerst eine wahrheitsgetreue Darstellung von den Schicksalen und dem Charakter dieses merkwürdigen Mannes. Augereau wurde 1757 zu Paris geboren, wo sein Bater ein großes Frnchtgeschäft hatte. Seine Mutter stammte ans München und brachte den Knaben die deutsche Sprache bei, was ihm später von großem Vorteil war. Mit seinem siebzehnten Jahre trat er in das Karabinier- regiment zu Saninur und wurde bald Unteroffizier, da er ein vortrefflicher Reiter und Schütze war. Damals herrschte unter den Unteroffizieren der ver- schiednen Regimenter eine wahre Duellwut, und Augereau wurde verschiedene- male vorgeschickt, um die Würde des Regiments zu wahre». Immer kehrte er siegreich zurück. So stieg sein Selbstbewußtsein immer hoher; und als eines Tages ein junger Offizier vor der Front seine Reitpeitsche gegen ihn erhob, schlug sie ihm Augereau ans der Hand. Der Leutnant zog seinen Säbel und hieb wie wütend ans ihn el». Nun zog dieser gleichfalls blank und schlug seinein Borgesetzten vor der Front nieder. Der Regimentskomman¬ deur ließ Augereau nach der Schweiz fliehen, da ihn sonst unfehlbar die Todes¬ strafe hätte treffen müssen, und er den tüchtigen Unteroffizier retten wollte. Augereau ging nach Genf und trat dort als Buchhalter i» ein Uhrengeschäft, das große Berbindungen mit den» Orient unterhielt. Bald darauf begab er sich mit einem Geschäftsreisenden nach Griechenland und von dort nach Konstantinopel, nach Kleinasien und nach der Krim. Nun war damals gerade ein Krieg zwischen Rußland und der Türkei ausgebrochen. Augereau trat sogleich in russische Dienste und wurde bei»: Se»rin aus Jsmmloff verwundet. Nach dem Friedensschluß wurde sein Regiment nach Polen geschickt. Hier desertirte er und ging nach Preußen, wo er in das Regiment des Prinzen Heinrich ge¬ steckt wurde. Bei einer Musterung fiel Augereau dem König Friedrich auf: VoM u» Keau Krvosäior; 6<z auvl pg,)'« c!8t.-it? — II est ?ravy!ÜL, Kiro. 1s.ut Ins, will, xis! s'it ont, lit.0 LuiWL VN vV>I(!NMI1<>, N0N8 VN 0N88WNL eg.it, cjNölquö ellosv. In Preuße» war also für ihn auch nichts zu erreichen. So desertirte er denn auch hier wieder und zwar mit sechzig seiner Kame¬ raden; sie waren alle bewaffnet, wehrten sich verzweifelt gegen ihre Verfolger und schlugen sich nach Sachsen durch. Ju Dresden erfuhr Augereau, daß die Geburt des Dauphin durch eine allgemeine Amnestie in Frankreich gefeiert werden sollte. Er kehrte sofort nach seinem Vaterlande zurück und trat wieder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/308>, abgerufen am 23.07.2024.