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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

Persönlichkeit verliehen wird, so wird man annehmen dürfen, daß die Staats¬
gewalt bei dieser Verleihung die Frage Prüft, ob der Verband seiner ganzen
Organisation nach eine Sicherheit gewähre, die für die mangelnde Haftbarkeit
physischer Personen einen Ersatz darbietet.

Was die Berggewerkschaft betrifft -- um auch diese nochmals hier heran¬
zuziehen --, so ist die Gewerkschaft untrennbar mit dem Bergwerke verbunden.
Wer ihr kreditirt, kreditirt also gewissermaßen dein Bergwerke, einer an Grund
und Boden haftenden Anlage. Dadurch gewinnen die Gläubiger einer Gewerk¬
schaft eine Art dinglicher Sicherheit. Die Schulden haften auf dem Bergwerke
nach Art einer Grundschuld. Und hierin kann wohl ein Ersatz für den Mangel
einer Haftung physischer Personen gesunden werden.

Was endlich die Aktiengesellschaft betrifft, so sind bei dieser, nachdem
man die staatliche Genehmigung aufgegeben hat, ohne Zweifel die strengen
Formen ihrer Gründung und Verwaltung, die mau durch das Gesetz vom
16. Juli 1884 noch wesentlich gesteigert hat, sowie die Öffentlichkeit ihres
Betriebes als das gedacht, was den Gläubigern gegen die aus der beschränkten
Haftbarkeit sich ergebenden Gefahren Schutz gewähren soll. In dieser Beziehung
wird in der Begründung des neuen Entwurfs selbst folgendes gesagt: "Bei
der Aktiengesellschaft wird die Sicherung des Grundkapitals sehr wesentlich
dnrch die Vorschriften über den Gründungshergang, sowie durch die tonkur-
rirende Verantwortlichkeit einer Reihe verschiedner Gesellschaftsorgane und
durch die umfassende Öffentlichkeit sowohl der Einzelheiten der Gründung,
als der spätern Ergebnisse des Gesellschaftsbetriebes unterstützt. Sind die
betreffenden Bestimmungen auch in erster Linie zum Schutze der Aktienerwerber
bestimmt, so dienen sie doch zugleich als Garantie für die Interessen der Ge-
sellschaftSglüubiger." Daß übrigens selbst diese schützenden Formen nicht immer
ausreichen, die Interessen der Aktionäre und der Gläubiger zu sichern, hat
jüngst noch der schmähliche Zusammenbruch der Leipziger Diskonto-Gesellschaft
gezeigt.

Welche Sicherheit bietet nun aber die neue Gesellschaft, die man zu
schaffen gedenkt, als Ersatz für die entzogue persönliche Haftung der Teil¬
nehmer? In unmittelbarem Anschluß an die soeben angeführte Aufzählung
der Garantien des Aktienrechts wird in der Begründung des neuen Entwurfs
gesagt: "Bei der neuen Gesellschaft werden derartige Garantien in gleichem Um¬
fange nicht bestehen können, da weder der ausgedehnte Verwaltungsapparat
der Aktiengesellschaft noch die weitgehende Publizität, die für diese vorge¬
schrieben ist, hier zur Anwendung kommen können. Dafür bedarf es im In¬
teresse der Gläubiger eines Ersatzes. Er ist am geeignetsten dadurch zu
schaffen, daß den Gesellschaftern eine Gesnmthaftung dafür auferlegt wird,
daß das im Gesellschaftsverträge bestimmte Stammkapital vollständig zur
Einzahlung gelangt, und daß auch nicht später eine Verminderung desselben


Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

Persönlichkeit verliehen wird, so wird man annehmen dürfen, daß die Staats¬
gewalt bei dieser Verleihung die Frage Prüft, ob der Verband seiner ganzen
Organisation nach eine Sicherheit gewähre, die für die mangelnde Haftbarkeit
physischer Personen einen Ersatz darbietet.

Was die Berggewerkschaft betrifft — um auch diese nochmals hier heran¬
zuziehen —, so ist die Gewerkschaft untrennbar mit dem Bergwerke verbunden.
Wer ihr kreditirt, kreditirt also gewissermaßen dein Bergwerke, einer an Grund
und Boden haftenden Anlage. Dadurch gewinnen die Gläubiger einer Gewerk¬
schaft eine Art dinglicher Sicherheit. Die Schulden haften auf dem Bergwerke
nach Art einer Grundschuld. Und hierin kann wohl ein Ersatz für den Mangel
einer Haftung physischer Personen gesunden werden.

Was endlich die Aktiengesellschaft betrifft, so sind bei dieser, nachdem
man die staatliche Genehmigung aufgegeben hat, ohne Zweifel die strengen
Formen ihrer Gründung und Verwaltung, die mau durch das Gesetz vom
16. Juli 1884 noch wesentlich gesteigert hat, sowie die Öffentlichkeit ihres
Betriebes als das gedacht, was den Gläubigern gegen die aus der beschränkten
Haftbarkeit sich ergebenden Gefahren Schutz gewähren soll. In dieser Beziehung
wird in der Begründung des neuen Entwurfs selbst folgendes gesagt: „Bei
der Aktiengesellschaft wird die Sicherung des Grundkapitals sehr wesentlich
dnrch die Vorschriften über den Gründungshergang, sowie durch die tonkur-
rirende Verantwortlichkeit einer Reihe verschiedner Gesellschaftsorgane und
durch die umfassende Öffentlichkeit sowohl der Einzelheiten der Gründung,
als der spätern Ergebnisse des Gesellschaftsbetriebes unterstützt. Sind die
betreffenden Bestimmungen auch in erster Linie zum Schutze der Aktienerwerber
bestimmt, so dienen sie doch zugleich als Garantie für die Interessen der Ge-
sellschaftSglüubiger." Daß übrigens selbst diese schützenden Formen nicht immer
ausreichen, die Interessen der Aktionäre und der Gläubiger zu sichern, hat
jüngst noch der schmähliche Zusammenbruch der Leipziger Diskonto-Gesellschaft
gezeigt.

Welche Sicherheit bietet nun aber die neue Gesellschaft, die man zu
schaffen gedenkt, als Ersatz für die entzogue persönliche Haftung der Teil¬
nehmer? In unmittelbarem Anschluß an die soeben angeführte Aufzählung
der Garantien des Aktienrechts wird in der Begründung des neuen Entwurfs
gesagt: „Bei der neuen Gesellschaft werden derartige Garantien in gleichem Um¬
fange nicht bestehen können, da weder der ausgedehnte Verwaltungsapparat
der Aktiengesellschaft noch die weitgehende Publizität, die für diese vorge¬
schrieben ist, hier zur Anwendung kommen können. Dafür bedarf es im In¬
teresse der Gläubiger eines Ersatzes. Er ist am geeignetsten dadurch zu
schaffen, daß den Gesellschaftern eine Gesnmthaftung dafür auferlegt wird,
daß das im Gesellschaftsverträge bestimmte Stammkapital vollständig zur
Einzahlung gelangt, und daß auch nicht später eine Verminderung desselben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/231>, abgerufen am 23.07.2024.