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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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angehörenden physischen Personen für die Schulden der juristischen Person
nicht zu haften haben. Es ist das eine Folge der Übertreibung, die sich um
die römische Lehre knüpft, daß die juristische Person von deu in ihr begriffnen
physischen Personen etwas ganz verschiednes sei. Bereits Jhering^) hat mit
Nachdruck darauf hingewiesen, das; doch in der juristischen Person in der That
nichts andres vertreten sei, als die Interessen der ihr angehörenden physischen
Personen. "Nicht die juristische Person als solche, sondern die einzelnen Mit¬
glieder sind die wahren Rechtssubjekte; jene ist nichts als die nach außen ge¬
kehrte eigentümliche Vermittlnugsfvrm für die rechtlichen Beziehungen dieser
zur Außenwelt." Mit andern Worten: die juristische Person ist nichts andres
als eine Rechtsform, in der die in ihr begriffnen physischen Personen ihre
geeinigten Interessen verfolgen. Und wen" für diese Interessen von den
Organen der juristischen Person Schulden gemacht werden, so ist nichts natür¬
licher, als daß die det juristischen Person angehörenden physischen Personen
diese Schulden zu decken haben. Eine untergeordnete Frage ist dabei die, in
welcher Form die Mitglieder zu der Zahlung der Schulden hernnznziehen
sind; ob man den Gläubiger" einen unmittelbaren, privatrechtlichen Anspruch
gegen sie einräume" will, oder ob man den Gläubigern nnr das Recht giebt,
zu verlangen, daß der Vorstand der juristischen Person oder andre dazu ge¬
schaffne Organe das zur Deckung der Schulden erforderliche von den Mit¬
gliedern einziehe". Nach der Natur vieler in Betracht kommenden Verbände
wird die letztere Form das allein mögliche sein oder doch jedenfalls de"
Vorzug verdiene".

Schon die Glvssatvrcn lehrten, obgleich sie für ihre Lehre das römische
Recht zur Grundlage nahmen, daß die Mitglieder einer Korporation deren
Schulden zu decken hätten. Mich Savigny"") fügt seiner Besprechung der rö¬
mischen Stelle, die die Verschiedenheit der juristischen Person von ihren Mit¬
gliedern betont, die Worte hinzu: "Damit ist aber wohl vereinbar, daß die
Korporation ihre eignen Mitglieder nötigen .kann, Beträge zur Bezahlung
der Korporationsschulden zu geben; ein solcher Anspruch gründet sich auf das
innere Verhältnis der Korporation zu ihren Mitgliedern und ist von dem
nach anßen gerichteten Schuldverhältnisse ganz unabhängig." Endlich kann
auch nicht bezweifelt werden, daß nach den Grundsätzen des ältern deutsche"
Rechtes für die Schulden der Genossenschaft deren Mitglieder zu hafte"
hatten.'^*)

Suchen wir uns die'^Sache an einzelnen Erscheinungen klar zu macheu.





*) System, Bd. 2, S. 293.
**) Geist des römischen Rechts. Bd. 3, S. 961.
Vergleiche Gierke, das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2 S. 383, 404; Bd. 3
S. 214, 378, 380, 449. Neuerdings Hat Sohm noch in seiner Schrift "Die deutsche Ge¬
nossenschaft, 1889," wieder diese" Grundsatz ausführlich dargelegt. -

angehörenden physischen Personen für die Schulden der juristischen Person
nicht zu haften haben. Es ist das eine Folge der Übertreibung, die sich um
die römische Lehre knüpft, daß die juristische Person von deu in ihr begriffnen
physischen Personen etwas ganz verschiednes sei. Bereits Jhering^) hat mit
Nachdruck darauf hingewiesen, das; doch in der juristischen Person in der That
nichts andres vertreten sei, als die Interessen der ihr angehörenden physischen
Personen. „Nicht die juristische Person als solche, sondern die einzelnen Mit¬
glieder sind die wahren Rechtssubjekte; jene ist nichts als die nach außen ge¬
kehrte eigentümliche Vermittlnugsfvrm für die rechtlichen Beziehungen dieser
zur Außenwelt." Mit andern Worten: die juristische Person ist nichts andres
als eine Rechtsform, in der die in ihr begriffnen physischen Personen ihre
geeinigten Interessen verfolgen. Und wen» für diese Interessen von den
Organen der juristischen Person Schulden gemacht werden, so ist nichts natür¬
licher, als daß die det juristischen Person angehörenden physischen Personen
diese Schulden zu decken haben. Eine untergeordnete Frage ist dabei die, in
welcher Form die Mitglieder zu der Zahlung der Schulden hernnznziehen
sind; ob man den Gläubiger» einen unmittelbaren, privatrechtlichen Anspruch
gegen sie einräume» will, oder ob man den Gläubigern nnr das Recht giebt,
zu verlangen, daß der Vorstand der juristischen Person oder andre dazu ge¬
schaffne Organe das zur Deckung der Schulden erforderliche von den Mit¬
gliedern einziehe». Nach der Natur vieler in Betracht kommenden Verbände
wird die letztere Form das allein mögliche sein oder doch jedenfalls de»
Vorzug verdiene».

Schon die Glvssatvrcn lehrten, obgleich sie für ihre Lehre das römische
Recht zur Grundlage nahmen, daß die Mitglieder einer Korporation deren
Schulden zu decken hätten. Mich Savigny"") fügt seiner Besprechung der rö¬
mischen Stelle, die die Verschiedenheit der juristischen Person von ihren Mit¬
gliedern betont, die Worte hinzu: „Damit ist aber wohl vereinbar, daß die
Korporation ihre eignen Mitglieder nötigen .kann, Beträge zur Bezahlung
der Korporationsschulden zu geben; ein solcher Anspruch gründet sich auf das
innere Verhältnis der Korporation zu ihren Mitgliedern und ist von dem
nach anßen gerichteten Schuldverhältnisse ganz unabhängig." Endlich kann
auch nicht bezweifelt werden, daß nach den Grundsätzen des ältern deutsche»
Rechtes für die Schulden der Genossenschaft deren Mitglieder zu hafte»
hatten.'^*)

Suchen wir uns die'^Sache an einzelnen Erscheinungen klar zu macheu.





*) System, Bd. 2, S. 293.
**) Geist des römischen Rechts. Bd. 3, S. 961.
Vergleiche Gierke, das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2 S. 383, 404; Bd. 3
S. 214, 378, 380, 449. Neuerdings Hat Sohm noch in seiner Schrift „Die deutsche Ge¬
nossenschaft, 1889," wieder diese» Grundsatz ausführlich dargelegt. -
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[0229] angehörenden physischen Personen für die Schulden der juristischen Person nicht zu haften haben. Es ist das eine Folge der Übertreibung, die sich um die römische Lehre knüpft, daß die juristische Person von deu in ihr begriffnen physischen Personen etwas ganz verschiednes sei. Bereits Jhering^) hat mit Nachdruck darauf hingewiesen, das; doch in der juristischen Person in der That nichts andres vertreten sei, als die Interessen der ihr angehörenden physischen Personen. „Nicht die juristische Person als solche, sondern die einzelnen Mit¬ glieder sind die wahren Rechtssubjekte; jene ist nichts als die nach außen ge¬ kehrte eigentümliche Vermittlnugsfvrm für die rechtlichen Beziehungen dieser zur Außenwelt." Mit andern Worten: die juristische Person ist nichts andres als eine Rechtsform, in der die in ihr begriffnen physischen Personen ihre geeinigten Interessen verfolgen. Und wen» für diese Interessen von den Organen der juristischen Person Schulden gemacht werden, so ist nichts natür¬ licher, als daß die det juristischen Person angehörenden physischen Personen diese Schulden zu decken haben. Eine untergeordnete Frage ist dabei die, in welcher Form die Mitglieder zu der Zahlung der Schulden hernnznziehen sind; ob man den Gläubiger» einen unmittelbaren, privatrechtlichen Anspruch gegen sie einräume» will, oder ob man den Gläubigern nnr das Recht giebt, zu verlangen, daß der Vorstand der juristischen Person oder andre dazu ge¬ schaffne Organe das zur Deckung der Schulden erforderliche von den Mit¬ gliedern einziehe». Nach der Natur vieler in Betracht kommenden Verbände wird die letztere Form das allein mögliche sein oder doch jedenfalls de» Vorzug verdiene». Schon die Glvssatvrcn lehrten, obgleich sie für ihre Lehre das römische Recht zur Grundlage nahmen, daß die Mitglieder einer Korporation deren Schulden zu decken hätten. Mich Savigny"") fügt seiner Besprechung der rö¬ mischen Stelle, die die Verschiedenheit der juristischen Person von ihren Mit¬ gliedern betont, die Worte hinzu: „Damit ist aber wohl vereinbar, daß die Korporation ihre eignen Mitglieder nötigen .kann, Beträge zur Bezahlung der Korporationsschulden zu geben; ein solcher Anspruch gründet sich auf das innere Verhältnis der Korporation zu ihren Mitgliedern und ist von dem nach anßen gerichteten Schuldverhältnisse ganz unabhängig." Endlich kann auch nicht bezweifelt werden, daß nach den Grundsätzen des ältern deutsche» Rechtes für die Schulden der Genossenschaft deren Mitglieder zu hafte» hatten.'^*) Suchen wir uns die'^Sache an einzelnen Erscheinungen klar zu macheu. *) System, Bd. 2, S. 293. **) Geist des römischen Rechts. Bd. 3, S. 961. Vergleiche Gierke, das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2 S. 383, 404; Bd. 3 S. 214, 378, 380, 449. Neuerdings Hat Sohm noch in seiner Schrift „Die deutsche Ge¬ nossenschaft, 1889," wieder diese» Grundsatz ausführlich dargelegt. -

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/229>, abgerufen am 23.07.2024.