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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Gesellschaften mit beschränkter Haftung

offnen Handelsgesellschaft, nähmen nach drei oder vier Strohmänner hinzu,
von denen jeder mir ein Pfund zu zeichnen brauche, und die ^Aktiengesell¬
schaft (die sieben Personen erfordre) sei fertig, Sie ließen sich als Aktien¬
gesellschaft eintragen, beobachteten aber im übrigen leine der Formen und
Vorschriften des Aktienrechtes, sonder" arbeiteten ganz wie die Teilhaber einer
offnen Gesellschaft. Auch bei uns sei die Sitte, solche Aktiengesellschaften zu
gründen, schon eingedrungen, und sie verbreite sich immer mehr. Gerade um
dieser nnßbräuchlichen Benutzung des Aktienrechtes entgegenzutreten, müsse die
Gesetzgebung die Möglichkeit gewähren, auch individualistische Gesellschaften
mit beschränkter Haftung zu gründen.

Bon neuem wurden gleiche Anregungen lant, als daS im Jahre t888 dein
Reichstage vorgelegte Gesetz über die Rechtsverhältnisse in den deutscheu Schutz¬
gebieten beraten wurde. Zunächst hatte die Klage, daß die Form der Aktien¬
gesellschaft nicht ausreiche, um für unsre Kolvnialbestrebnngen geeignete Gesell¬
schaften zu bilden, die Folge, daß in das gedachte Gesetz vom 15. März 1888
ein Paragraph 8 angenommen wurde, wonach deutschen Kolonialgesellschaften
durch Beschluß des Bundesrates die Fähigkeit beigelegt werden kann, unter
ihrem Rainen Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen, dergestalt,
daß für diese Verbindlichkeiten uur das GesellschaftSvermvgen hafte. Zugleich
veranlaßten jene Anregungen den preußischen Handelsminister, an sämtliche
Handelskammern die Frage zu stellen, ob nud in welchem Umfange eine Er¬
gänzung deS bestehenden Rechts durch Schaffung neuer Gesellschaftsformen
ein Bedürfnis sei, und über diese Frage auch vom Ausschuß des deutscheu
Handelstages ein Gutachten, zu fordern.

Bon den Handelskammern äußerten sich auf die gestellte Frage einund-
fünfzig in bejahendem Sinne, wogegen neunundzwanzig die Frage verneinten.
Auch das vom Ausschuß des Haudelstages erstattete Gutachten stellte sich ganz
auf den Standpunkt Öchelhäusers. Es wird darin ungefähr salzendes gesagt.

Unser wirtschaftliches Leben kranke in bedenklicher Weise daran, daß der
Unternehmungsgeist für neue, allmählich sich entwickelnde Unternehmungen
erlahmt sei. Für Unternehmungen, die mehr tastend und suchend vorgehen
müßten, passe die Form der Aktiengesellschaft nicht. Die durch das neue
Aktiengesetz geschaffnen Schwierigkeiten, die Unmöglichkeit, das Unternehmen
zu erweitern, die unbedingte Publizität, die Vorschriften über Aufstellung der
Bilanz, das alles stehe der wirtschaftlichen Thätigkeit entgegen. Die Hinderung
der fruchtbaren Verbindung zwischen Kapital und geistiger Tüchtigkeit müsse
endlich zu einer Berödnng unsers wirtschaftlichen Bodens führen. Es müsse
die Assoziation zwischen Kapital und Intelligenz erleichtert werden, und dies
geschehe am einfachsten dnrch Einführung von Gesellschaften, die sich auf das
Anteilsprinzip stützen nud die zugleich die Möglichkeit einer michtrciglicheu
Erhöhung des Gesellschaftskapitals gewahren. Für diese Notwendigkeit wird


Gesellschaften mit beschränkter Haftung

offnen Handelsgesellschaft, nähmen nach drei oder vier Strohmänner hinzu,
von denen jeder mir ein Pfund zu zeichnen brauche, und die ^Aktiengesell¬
schaft (die sieben Personen erfordre) sei fertig, Sie ließen sich als Aktien¬
gesellschaft eintragen, beobachteten aber im übrigen leine der Formen und
Vorschriften des Aktienrechtes, sonder» arbeiteten ganz wie die Teilhaber einer
offnen Gesellschaft. Auch bei uns sei die Sitte, solche Aktiengesellschaften zu
gründen, schon eingedrungen, und sie verbreite sich immer mehr. Gerade um
dieser nnßbräuchlichen Benutzung des Aktienrechtes entgegenzutreten, müsse die
Gesetzgebung die Möglichkeit gewähren, auch individualistische Gesellschaften
mit beschränkter Haftung zu gründen.

Bon neuem wurden gleiche Anregungen lant, als daS im Jahre t888 dein
Reichstage vorgelegte Gesetz über die Rechtsverhältnisse in den deutscheu Schutz¬
gebieten beraten wurde. Zunächst hatte die Klage, daß die Form der Aktien¬
gesellschaft nicht ausreiche, um für unsre Kolvnialbestrebnngen geeignete Gesell¬
schaften zu bilden, die Folge, daß in das gedachte Gesetz vom 15. März 1888
ein Paragraph 8 angenommen wurde, wonach deutschen Kolonialgesellschaften
durch Beschluß des Bundesrates die Fähigkeit beigelegt werden kann, unter
ihrem Rainen Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen, dergestalt,
daß für diese Verbindlichkeiten uur das GesellschaftSvermvgen hafte. Zugleich
veranlaßten jene Anregungen den preußischen Handelsminister, an sämtliche
Handelskammern die Frage zu stellen, ob nud in welchem Umfange eine Er¬
gänzung deS bestehenden Rechts durch Schaffung neuer Gesellschaftsformen
ein Bedürfnis sei, und über diese Frage auch vom Ausschuß des deutscheu
Handelstages ein Gutachten, zu fordern.

Bon den Handelskammern äußerten sich auf die gestellte Frage einund-
fünfzig in bejahendem Sinne, wogegen neunundzwanzig die Frage verneinten.
Auch das vom Ausschuß des Haudelstages erstattete Gutachten stellte sich ganz
auf den Standpunkt Öchelhäusers. Es wird darin ungefähr salzendes gesagt.

Unser wirtschaftliches Leben kranke in bedenklicher Weise daran, daß der
Unternehmungsgeist für neue, allmählich sich entwickelnde Unternehmungen
erlahmt sei. Für Unternehmungen, die mehr tastend und suchend vorgehen
müßten, passe die Form der Aktiengesellschaft nicht. Die durch das neue
Aktiengesetz geschaffnen Schwierigkeiten, die Unmöglichkeit, das Unternehmen
zu erweitern, die unbedingte Publizität, die Vorschriften über Aufstellung der
Bilanz, das alles stehe der wirtschaftlichen Thätigkeit entgegen. Die Hinderung
der fruchtbaren Verbindung zwischen Kapital und geistiger Tüchtigkeit müsse
endlich zu einer Berödnng unsers wirtschaftlichen Bodens führen. Es müsse
die Assoziation zwischen Kapital und Intelligenz erleichtert werden, und dies
geschehe am einfachsten dnrch Einführung von Gesellschaften, die sich auf das
Anteilsprinzip stützen nud die zugleich die Möglichkeit einer michtrciglicheu
Erhöhung des Gesellschaftskapitals gewahren. Für diese Notwendigkeit wird


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[0219] Gesellschaften mit beschränkter Haftung offnen Handelsgesellschaft, nähmen nach drei oder vier Strohmänner hinzu, von denen jeder mir ein Pfund zu zeichnen brauche, und die ^Aktiengesell¬ schaft (die sieben Personen erfordre) sei fertig, Sie ließen sich als Aktien¬ gesellschaft eintragen, beobachteten aber im übrigen leine der Formen und Vorschriften des Aktienrechtes, sonder» arbeiteten ganz wie die Teilhaber einer offnen Gesellschaft. Auch bei uns sei die Sitte, solche Aktiengesellschaften zu gründen, schon eingedrungen, und sie verbreite sich immer mehr. Gerade um dieser nnßbräuchlichen Benutzung des Aktienrechtes entgegenzutreten, müsse die Gesetzgebung die Möglichkeit gewähren, auch individualistische Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu gründen. Bon neuem wurden gleiche Anregungen lant, als daS im Jahre t888 dein Reichstage vorgelegte Gesetz über die Rechtsverhältnisse in den deutscheu Schutz¬ gebieten beraten wurde. Zunächst hatte die Klage, daß die Form der Aktien¬ gesellschaft nicht ausreiche, um für unsre Kolvnialbestrebnngen geeignete Gesell¬ schaften zu bilden, die Folge, daß in das gedachte Gesetz vom 15. März 1888 ein Paragraph 8 angenommen wurde, wonach deutschen Kolonialgesellschaften durch Beschluß des Bundesrates die Fähigkeit beigelegt werden kann, unter ihrem Rainen Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen, dergestalt, daß für diese Verbindlichkeiten uur das GesellschaftSvermvgen hafte. Zugleich veranlaßten jene Anregungen den preußischen Handelsminister, an sämtliche Handelskammern die Frage zu stellen, ob nud in welchem Umfange eine Er¬ gänzung deS bestehenden Rechts durch Schaffung neuer Gesellschaftsformen ein Bedürfnis sei, und über diese Frage auch vom Ausschuß des deutscheu Handelstages ein Gutachten, zu fordern. Bon den Handelskammern äußerten sich auf die gestellte Frage einund- fünfzig in bejahendem Sinne, wogegen neunundzwanzig die Frage verneinten. Auch das vom Ausschuß des Haudelstages erstattete Gutachten stellte sich ganz auf den Standpunkt Öchelhäusers. Es wird darin ungefähr salzendes gesagt. Unser wirtschaftliches Leben kranke in bedenklicher Weise daran, daß der Unternehmungsgeist für neue, allmählich sich entwickelnde Unternehmungen erlahmt sei. Für Unternehmungen, die mehr tastend und suchend vorgehen müßten, passe die Form der Aktiengesellschaft nicht. Die durch das neue Aktiengesetz geschaffnen Schwierigkeiten, die Unmöglichkeit, das Unternehmen zu erweitern, die unbedingte Publizität, die Vorschriften über Aufstellung der Bilanz, das alles stehe der wirtschaftlichen Thätigkeit entgegen. Die Hinderung der fruchtbaren Verbindung zwischen Kapital und geistiger Tüchtigkeit müsse endlich zu einer Berödnng unsers wirtschaftlichen Bodens führen. Es müsse die Assoziation zwischen Kapital und Intelligenz erleichtert werden, und dies geschehe am einfachsten dnrch Einführung von Gesellschaften, die sich auf das Anteilsprinzip stützen nud die zugleich die Möglichkeit einer michtrciglicheu Erhöhung des Gesellschaftskapitals gewahren. Für diese Notwendigkeit wird

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/219>, abgerufen am 23.07.2024.