Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus dänischer Zeit

Kuchen dazu, als es nur anging; dann schoben die männlichen Familienmit¬
glieder Kegel, die Tanten, von denen wir immer einige in Vorrat hatten,
strickten oder Selekten, und wir Kinder liefen ab und zu, aßen Obst und wurden
bald wieder hungrig und durstig. Großvater war immer sehr gut gegen uns.
Wenn er uns auch häufig erklärte, er wisse durchaus nicht, was unsre Eltern
mit ihren vielen Kindern anfangen wollten, so hätte er doch sicherlich keinen
einzigen von uns entbehren mögen. Er war auch niemals karg gegen uns.
Er hatte die außerordentlich angenehme Gewohnheit, uns vor der Abfahrt
aus dem Wirtshause zu fragen, ob wir auch noch etwas genießen wollten,
eine Frage, die verschiednen Tanten eben so verwerflich erschien, wie sie uns
wohl that. Denn wir wußten schon seit dem Vormittag, ja vielleicht schon
seit acht Tagen, was wir uns in Feldkircher selbständig bestellen wollten.
Manchmal hatten wir eine Leidenschaft für Eierbier, ein andermal war es
Glühwein oder Brauselimonade, ohne deren Genuß wir nicht länger leben
zu können glaubten, und als wir eines Sonntags bei Herrn Meinhard Kaffee
getrunken hatten, waren Jürgen und ich uns über unser Getränk schon
längst einig.

Zwei Glas Krambambuli und eine kleine Flasche davon auf zu! bestellte
Jürgen, während ich mit wichtiger Miene hinzusetzte: Aber mein Glas muß
eben so stark sein, wie Jürgens! Es war nämlich mein steter Kummer, daß
meine Getränke meistens schwächer bestellt wurden, als die der ältern Brüder.
Herr Meinhard achtete aber nicht auf meinen Zusatz. Er stand in seiner
kleinen Schenkstube, umgeben von unzähligen dunkeln Flaschen, und sah uns
verwundert an.

Was wollt ihr haben? Bambuli? Was ist denn das?

Krambambuli! wiederholte Jürgen mit Nachdruck. Herr Meinhard, das
trinkt der Kaiser von Rußland jeden Tag ein paarmal!

Is die Möglichkeit! -- Herr Meinhard war immer angenehm berührt, wenn
man auf seine Beziehungen zum russischen Hofe anspielte. Na, wenn der
Kaiser das Zeugs mit den komischen Namen trinkt, da müßt ihr kleinen
Dingers das ja auch mal kennen lernen!

Zwei Glas und eine kleine Flasche auf zu ! bestellte Jürgen noch einmal,
während der Wirt den Kopf schüttelte.

Kinners, sowas Feines führ ich noch garnich! Aber was nich is, kann
werden! nächster Tags schreib ich nach Lübeck von wegen den Franschwein --
da will ich gleich ein Geblüte Strampelkram mit bestellen. Also, das is was
Russisches -- na, denn is es was Gutes und was Starkes, denn was mein
Bruder in Petersburg is --

Aber wir hörten zum erstenmale in unserm Leben nicht auf die Geschichten
von Herrn Meinhards Bruder in Petersburg und schlichen enttäuscht aus
der Gaststube, ohne uns etwas andres zu bestellen.


Aus dänischer Zeit

Kuchen dazu, als es nur anging; dann schoben die männlichen Familienmit¬
glieder Kegel, die Tanten, von denen wir immer einige in Vorrat hatten,
strickten oder Selekten, und wir Kinder liefen ab und zu, aßen Obst und wurden
bald wieder hungrig und durstig. Großvater war immer sehr gut gegen uns.
Wenn er uns auch häufig erklärte, er wisse durchaus nicht, was unsre Eltern
mit ihren vielen Kindern anfangen wollten, so hätte er doch sicherlich keinen
einzigen von uns entbehren mögen. Er war auch niemals karg gegen uns.
Er hatte die außerordentlich angenehme Gewohnheit, uns vor der Abfahrt
aus dem Wirtshause zu fragen, ob wir auch noch etwas genießen wollten,
eine Frage, die verschiednen Tanten eben so verwerflich erschien, wie sie uns
wohl that. Denn wir wußten schon seit dem Vormittag, ja vielleicht schon
seit acht Tagen, was wir uns in Feldkircher selbständig bestellen wollten.
Manchmal hatten wir eine Leidenschaft für Eierbier, ein andermal war es
Glühwein oder Brauselimonade, ohne deren Genuß wir nicht länger leben
zu können glaubten, und als wir eines Sonntags bei Herrn Meinhard Kaffee
getrunken hatten, waren Jürgen und ich uns über unser Getränk schon
längst einig.

Zwei Glas Krambambuli und eine kleine Flasche davon auf zu! bestellte
Jürgen, während ich mit wichtiger Miene hinzusetzte: Aber mein Glas muß
eben so stark sein, wie Jürgens! Es war nämlich mein steter Kummer, daß
meine Getränke meistens schwächer bestellt wurden, als die der ältern Brüder.
Herr Meinhard achtete aber nicht auf meinen Zusatz. Er stand in seiner
kleinen Schenkstube, umgeben von unzähligen dunkeln Flaschen, und sah uns
verwundert an.

Was wollt ihr haben? Bambuli? Was ist denn das?

Krambambuli! wiederholte Jürgen mit Nachdruck. Herr Meinhard, das
trinkt der Kaiser von Rußland jeden Tag ein paarmal!

Is die Möglichkeit! — Herr Meinhard war immer angenehm berührt, wenn
man auf seine Beziehungen zum russischen Hofe anspielte. Na, wenn der
Kaiser das Zeugs mit den komischen Namen trinkt, da müßt ihr kleinen
Dingers das ja auch mal kennen lernen!

Zwei Glas und eine kleine Flasche auf zu ! bestellte Jürgen noch einmal,
während der Wirt den Kopf schüttelte.

Kinners, sowas Feines führ ich noch garnich! Aber was nich is, kann
werden! nächster Tags schreib ich nach Lübeck von wegen den Franschwein —
da will ich gleich ein Geblüte Strampelkram mit bestellen. Also, das is was
Russisches — na, denn is es was Gutes und was Starkes, denn was mein
Bruder in Petersburg is —

Aber wir hörten zum erstenmale in unserm Leben nicht auf die Geschichten
von Herrn Meinhards Bruder in Petersburg und schlichen enttäuscht aus
der Gaststube, ohne uns etwas andres zu bestellen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0190" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211358"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus dänischer Zeit</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_551" prev="#ID_550"> Kuchen dazu, als es nur anging; dann schoben die männlichen Familienmit¬<lb/>
glieder Kegel, die Tanten, von denen wir immer einige in Vorrat hatten,<lb/>
strickten oder Selekten, und wir Kinder liefen ab und zu, aßen Obst und wurden<lb/>
bald wieder hungrig und durstig. Großvater war immer sehr gut gegen uns.<lb/>
Wenn er uns auch häufig erklärte, er wisse durchaus nicht, was unsre Eltern<lb/>
mit ihren vielen Kindern anfangen wollten, so hätte er doch sicherlich keinen<lb/>
einzigen von uns entbehren mögen. Er war auch niemals karg gegen uns.<lb/>
Er hatte die außerordentlich angenehme Gewohnheit, uns vor der Abfahrt<lb/>
aus dem Wirtshause zu fragen, ob wir auch noch etwas genießen wollten,<lb/>
eine Frage, die verschiednen Tanten eben so verwerflich erschien, wie sie uns<lb/>
wohl that. Denn wir wußten schon seit dem Vormittag, ja vielleicht schon<lb/>
seit acht Tagen, was wir uns in Feldkircher selbständig bestellen wollten.<lb/>
Manchmal hatten wir eine Leidenschaft für Eierbier, ein andermal war es<lb/>
Glühwein oder Brauselimonade, ohne deren Genuß wir nicht länger leben<lb/>
zu können glaubten, und als wir eines Sonntags bei Herrn Meinhard Kaffee<lb/>
getrunken hatten, waren Jürgen und ich uns über unser Getränk schon<lb/>
längst einig.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_552"> Zwei Glas Krambambuli und eine kleine Flasche davon auf zu! bestellte<lb/>
Jürgen, während ich mit wichtiger Miene hinzusetzte: Aber mein Glas muß<lb/>
eben so stark sein, wie Jürgens! Es war nämlich mein steter Kummer, daß<lb/>
meine Getränke meistens schwächer bestellt wurden, als die der ältern Brüder.<lb/>
Herr Meinhard achtete aber nicht auf meinen Zusatz. Er stand in seiner<lb/>
kleinen Schenkstube, umgeben von unzähligen dunkeln Flaschen, und sah uns<lb/>
verwundert an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_553"> Was wollt ihr haben? Bambuli? Was ist denn das?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_554"> Krambambuli! wiederholte Jürgen mit Nachdruck. Herr Meinhard, das<lb/>
trinkt der Kaiser von Rußland jeden Tag ein paarmal!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_555"> Is die Möglichkeit! &#x2014; Herr Meinhard war immer angenehm berührt, wenn<lb/>
man auf seine Beziehungen zum russischen Hofe anspielte. Na, wenn der<lb/>
Kaiser das Zeugs mit den komischen Namen trinkt, da müßt ihr kleinen<lb/>
Dingers das ja auch mal kennen lernen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_556"> Zwei Glas und eine kleine Flasche auf zu ! bestellte Jürgen noch einmal,<lb/>
während der Wirt den Kopf schüttelte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_557"> Kinners, sowas Feines führ ich noch garnich! Aber was nich is, kann<lb/>
werden! nächster Tags schreib ich nach Lübeck von wegen den Franschwein &#x2014;<lb/>
da will ich gleich ein Geblüte Strampelkram mit bestellen. Also, das is was<lb/>
Russisches &#x2014; na, denn is es was Gutes und was Starkes, denn was mein<lb/>
Bruder in Petersburg is &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_558"> Aber wir hörten zum erstenmale in unserm Leben nicht auf die Geschichten<lb/>
von Herrn Meinhards Bruder in Petersburg und schlichen enttäuscht aus<lb/>
der Gaststube, ohne uns etwas andres zu bestellen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0190] Aus dänischer Zeit Kuchen dazu, als es nur anging; dann schoben die männlichen Familienmit¬ glieder Kegel, die Tanten, von denen wir immer einige in Vorrat hatten, strickten oder Selekten, und wir Kinder liefen ab und zu, aßen Obst und wurden bald wieder hungrig und durstig. Großvater war immer sehr gut gegen uns. Wenn er uns auch häufig erklärte, er wisse durchaus nicht, was unsre Eltern mit ihren vielen Kindern anfangen wollten, so hätte er doch sicherlich keinen einzigen von uns entbehren mögen. Er war auch niemals karg gegen uns. Er hatte die außerordentlich angenehme Gewohnheit, uns vor der Abfahrt aus dem Wirtshause zu fragen, ob wir auch noch etwas genießen wollten, eine Frage, die verschiednen Tanten eben so verwerflich erschien, wie sie uns wohl that. Denn wir wußten schon seit dem Vormittag, ja vielleicht schon seit acht Tagen, was wir uns in Feldkircher selbständig bestellen wollten. Manchmal hatten wir eine Leidenschaft für Eierbier, ein andermal war es Glühwein oder Brauselimonade, ohne deren Genuß wir nicht länger leben zu können glaubten, und als wir eines Sonntags bei Herrn Meinhard Kaffee getrunken hatten, waren Jürgen und ich uns über unser Getränk schon längst einig. Zwei Glas Krambambuli und eine kleine Flasche davon auf zu! bestellte Jürgen, während ich mit wichtiger Miene hinzusetzte: Aber mein Glas muß eben so stark sein, wie Jürgens! Es war nämlich mein steter Kummer, daß meine Getränke meistens schwächer bestellt wurden, als die der ältern Brüder. Herr Meinhard achtete aber nicht auf meinen Zusatz. Er stand in seiner kleinen Schenkstube, umgeben von unzähligen dunkeln Flaschen, und sah uns verwundert an. Was wollt ihr haben? Bambuli? Was ist denn das? Krambambuli! wiederholte Jürgen mit Nachdruck. Herr Meinhard, das trinkt der Kaiser von Rußland jeden Tag ein paarmal! Is die Möglichkeit! — Herr Meinhard war immer angenehm berührt, wenn man auf seine Beziehungen zum russischen Hofe anspielte. Na, wenn der Kaiser das Zeugs mit den komischen Namen trinkt, da müßt ihr kleinen Dingers das ja auch mal kennen lernen! Zwei Glas und eine kleine Flasche auf zu ! bestellte Jürgen noch einmal, während der Wirt den Kopf schüttelte. Kinners, sowas Feines führ ich noch garnich! Aber was nich is, kann werden! nächster Tags schreib ich nach Lübeck von wegen den Franschwein — da will ich gleich ein Geblüte Strampelkram mit bestellen. Also, das is was Russisches — na, denn is es was Gutes und was Starkes, denn was mein Bruder in Petersburg is — Aber wir hörten zum erstenmale in unserm Leben nicht auf die Geschichten von Herrn Meinhards Bruder in Petersburg und schlichen enttäuscht aus der Gaststube, ohne uns etwas andres zu bestellen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/190
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/190>, abgerufen am 23.07.2024.