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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Die Aussichten unsers siidwestafrikanischen Schutzgebietes

daß die Entwicklung eines größern Ackerbaues im Schutzgebiete von der
Entfaltung des Bergbaues in erster Linie abhänge. Was nun diesen anlangt,
so haben ohne Zweifel die Goldfnnde, auf die hin sich vor einigen Jahren
in Deutschland mehrere finanzkräftige Gesellschaften gebildet hatten, übertriebne
Hoffnung hervorgerufen. Wenn Schinz nicht genug Fachmann ist, sich über
diese Verhältnisse abschließend auszusprechen, so ergänzt ihn glücklicherweise
vortrefflich die kürzlich in den Veröffentlichungen der Hamburger Geographischen
Gesellschaft erschienene Schrift: Deutsch-Südwest-Afrika. Reisebilder
und Skizzen aus den Jahren 1888 und 1889 von Dr. Georg Gührich,
Privatdozenten der Geologie an der Universität Breslnu. Gührich hat die
meisten Örtlichkeiten des Schutzgebietes, an die sich der Ruf des Goldreich¬
tums knüpfte, geologisch und bergmännisch untersucht; sein Endurteil lautet:
aus dem Minenvorkommnissen des Landes, soweit sie bisher näher bekannt
geworden sind, ist nichts zu hoffen; es dürfte aber auch weiter klar sein, daß,
wenn überhaupt, nur ganz besonders reiche Minen Aussicht aus Rentabilität
bieten. Zu den Schwierigkeiten des Abbaues bei der Wasserarmut und dem
Mangel des Brennmaterials kommen die Verkehrshindernisse. Gührich meint,
daß sich vielleicht die Kupfermine von Ottawi mit der Zeit ergiebig erweisen
könnte; sie liegt aber 60 geographische Meilen von der Küste in dem wüsten Striche
zwischen Damara- und Ovamboland, und nach den Erfahrungen, die in süd¬
licheren Gebieten Südwestafrikas in größerer Entfernung von der Küste ge¬
macht sind, ist diese Aussicht nicht sehr groß.

Anders verhält es sich mit der Viehzucht. Das Beispiel Australiens
lehrt, daß sich diese, besonders die Schafzucht, unabhängig von den Bedin¬
gungen des Ackerbaues zu großer Ergiebigkeit entwickeln könnte. Ein Teil der
28 Millionen Mark, die 1885 die Kapkolonie für ausgeführte Wolle bezog,
könnte auch im siidwestafrikanischen Schutzgebiete gewonnen werden, und Schinz
muntert geradezu zu Versuchen in diesem Fach, besonders im Großnamalande
auf. Die ausgedehnte Rinderzucht der mit ihren Rinderherden aufs engste
verwachsenen Ovaherero genügt heute dem Bedarf der Eingebornen und der
wenigen weißen Käufer, doch ist ein größerer Betrieb in Zukunft um so weniger
als unmöglich zu bezeichnen, als die dem Viehstände verderbliche Tsetsefliege
in Südwestafrika nur an beschränkten Örtlichkeiten vorkommt. Fischfang und
Fischguanobereitung würden an den in der kalten Strömung fischreichen
Küsten, wie schon der frühere Reichskommissar Goering empfahl, günstige Be¬
dingungen finden. Dagegen ist die Jagd schon lange nicht mehr ertragreich,
und was endlich den Handel mit den Eingebornen betrifft, so sind diesem
durch die dünne Bevölkerung und die Armut so enge Schranken gezogen, daß
an eine nennenswerte Entwicklung nicht zu denken ist.

Zum Schluß noch zwei vorteilhafte Umstände. Ein sehr günstiges Urteil
fällt Schinz über die Arbeitskräfte, die aus den bisher unterdrückten und


Die Aussichten unsers siidwestafrikanischen Schutzgebietes

daß die Entwicklung eines größern Ackerbaues im Schutzgebiete von der
Entfaltung des Bergbaues in erster Linie abhänge. Was nun diesen anlangt,
so haben ohne Zweifel die Goldfnnde, auf die hin sich vor einigen Jahren
in Deutschland mehrere finanzkräftige Gesellschaften gebildet hatten, übertriebne
Hoffnung hervorgerufen. Wenn Schinz nicht genug Fachmann ist, sich über
diese Verhältnisse abschließend auszusprechen, so ergänzt ihn glücklicherweise
vortrefflich die kürzlich in den Veröffentlichungen der Hamburger Geographischen
Gesellschaft erschienene Schrift: Deutsch-Südwest-Afrika. Reisebilder
und Skizzen aus den Jahren 1888 und 1889 von Dr. Georg Gührich,
Privatdozenten der Geologie an der Universität Breslnu. Gührich hat die
meisten Örtlichkeiten des Schutzgebietes, an die sich der Ruf des Goldreich¬
tums knüpfte, geologisch und bergmännisch untersucht; sein Endurteil lautet:
aus dem Minenvorkommnissen des Landes, soweit sie bisher näher bekannt
geworden sind, ist nichts zu hoffen; es dürfte aber auch weiter klar sein, daß,
wenn überhaupt, nur ganz besonders reiche Minen Aussicht aus Rentabilität
bieten. Zu den Schwierigkeiten des Abbaues bei der Wasserarmut und dem
Mangel des Brennmaterials kommen die Verkehrshindernisse. Gührich meint,
daß sich vielleicht die Kupfermine von Ottawi mit der Zeit ergiebig erweisen
könnte; sie liegt aber 60 geographische Meilen von der Küste in dem wüsten Striche
zwischen Damara- und Ovamboland, und nach den Erfahrungen, die in süd¬
licheren Gebieten Südwestafrikas in größerer Entfernung von der Küste ge¬
macht sind, ist diese Aussicht nicht sehr groß.

Anders verhält es sich mit der Viehzucht. Das Beispiel Australiens
lehrt, daß sich diese, besonders die Schafzucht, unabhängig von den Bedin¬
gungen des Ackerbaues zu großer Ergiebigkeit entwickeln könnte. Ein Teil der
28 Millionen Mark, die 1885 die Kapkolonie für ausgeführte Wolle bezog,
könnte auch im siidwestafrikanischen Schutzgebiete gewonnen werden, und Schinz
muntert geradezu zu Versuchen in diesem Fach, besonders im Großnamalande
auf. Die ausgedehnte Rinderzucht der mit ihren Rinderherden aufs engste
verwachsenen Ovaherero genügt heute dem Bedarf der Eingebornen und der
wenigen weißen Käufer, doch ist ein größerer Betrieb in Zukunft um so weniger
als unmöglich zu bezeichnen, als die dem Viehstände verderbliche Tsetsefliege
in Südwestafrika nur an beschränkten Örtlichkeiten vorkommt. Fischfang und
Fischguanobereitung würden an den in der kalten Strömung fischreichen
Küsten, wie schon der frühere Reichskommissar Goering empfahl, günstige Be¬
dingungen finden. Dagegen ist die Jagd schon lange nicht mehr ertragreich,
und was endlich den Handel mit den Eingebornen betrifft, so sind diesem
durch die dünne Bevölkerung und die Armut so enge Schranken gezogen, daß
an eine nennenswerte Entwicklung nicht zu denken ist.

Zum Schluß noch zwei vorteilhafte Umstände. Ein sehr günstiges Urteil
fällt Schinz über die Arbeitskräfte, die aus den bisher unterdrückten und


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[0182] Die Aussichten unsers siidwestafrikanischen Schutzgebietes daß die Entwicklung eines größern Ackerbaues im Schutzgebiete von der Entfaltung des Bergbaues in erster Linie abhänge. Was nun diesen anlangt, so haben ohne Zweifel die Goldfnnde, auf die hin sich vor einigen Jahren in Deutschland mehrere finanzkräftige Gesellschaften gebildet hatten, übertriebne Hoffnung hervorgerufen. Wenn Schinz nicht genug Fachmann ist, sich über diese Verhältnisse abschließend auszusprechen, so ergänzt ihn glücklicherweise vortrefflich die kürzlich in den Veröffentlichungen der Hamburger Geographischen Gesellschaft erschienene Schrift: Deutsch-Südwest-Afrika. Reisebilder und Skizzen aus den Jahren 1888 und 1889 von Dr. Georg Gührich, Privatdozenten der Geologie an der Universität Breslnu. Gührich hat die meisten Örtlichkeiten des Schutzgebietes, an die sich der Ruf des Goldreich¬ tums knüpfte, geologisch und bergmännisch untersucht; sein Endurteil lautet: aus dem Minenvorkommnissen des Landes, soweit sie bisher näher bekannt geworden sind, ist nichts zu hoffen; es dürfte aber auch weiter klar sein, daß, wenn überhaupt, nur ganz besonders reiche Minen Aussicht aus Rentabilität bieten. Zu den Schwierigkeiten des Abbaues bei der Wasserarmut und dem Mangel des Brennmaterials kommen die Verkehrshindernisse. Gührich meint, daß sich vielleicht die Kupfermine von Ottawi mit der Zeit ergiebig erweisen könnte; sie liegt aber 60 geographische Meilen von der Küste in dem wüsten Striche zwischen Damara- und Ovamboland, und nach den Erfahrungen, die in süd¬ licheren Gebieten Südwestafrikas in größerer Entfernung von der Küste ge¬ macht sind, ist diese Aussicht nicht sehr groß. Anders verhält es sich mit der Viehzucht. Das Beispiel Australiens lehrt, daß sich diese, besonders die Schafzucht, unabhängig von den Bedin¬ gungen des Ackerbaues zu großer Ergiebigkeit entwickeln könnte. Ein Teil der 28 Millionen Mark, die 1885 die Kapkolonie für ausgeführte Wolle bezog, könnte auch im siidwestafrikanischen Schutzgebiete gewonnen werden, und Schinz muntert geradezu zu Versuchen in diesem Fach, besonders im Großnamalande auf. Die ausgedehnte Rinderzucht der mit ihren Rinderherden aufs engste verwachsenen Ovaherero genügt heute dem Bedarf der Eingebornen und der wenigen weißen Käufer, doch ist ein größerer Betrieb in Zukunft um so weniger als unmöglich zu bezeichnen, als die dem Viehstände verderbliche Tsetsefliege in Südwestafrika nur an beschränkten Örtlichkeiten vorkommt. Fischfang und Fischguanobereitung würden an den in der kalten Strömung fischreichen Küsten, wie schon der frühere Reichskommissar Goering empfahl, günstige Be¬ dingungen finden. Dagegen ist die Jagd schon lange nicht mehr ertragreich, und was endlich den Handel mit den Eingebornen betrifft, so sind diesem durch die dünne Bevölkerung und die Armut so enge Schranken gezogen, daß an eine nennenswerte Entwicklung nicht zu denken ist. Zum Schluß noch zwei vorteilhafte Umstände. Ein sehr günstiges Urteil fällt Schinz über die Arbeitskräfte, die aus den bisher unterdrückten und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/182>, abgerufen am 23.07.2024.