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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Arbeitseinstellungen und Linigungsämter

l'incluslriö se as er^van vom 16. August 1387 bisher keinen Erfolg gehabt.
Im deutschen Reiche hat sich die Negierung bisher der Hoffnung hingegeben,
daß durch die Organe der Gewerbeinspektion die Errichtung von Einigungs-
ämtern sehr gefördert werden würde. Hierbei hat man aber übersehen, daß
in dem größten deutschen Bundesstaate, in Preußen, infolge dessen, daß hier
die Gewerbeaufsichtsbeamten neuerdings mit den Lasten der Kesselrevision be¬
schwert worden sind, die Gewerbeinspektoren selbst in einer bedentend erhöhten
Zahl nicht in der Lage sein würden, sich um die Gründung von Einigungs¬
ämtern energisch zu bemühen. Von preußischen Gewerbeinspektoren ist
uns versichert worden, daß ihre hauptsächlichsten Verufsgeschüfte und nament¬
lich auch ihre Thätigkeit als Kesselrevisoren so große Ansprüche an ihre
Arbeitszeit stellten, daß sie sich schon aus diesem Grunde der Förderung
einer friedlichen Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten nicht widmen könnten-
Abgesehen hiervon darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß die ver¬
mittelnde Thätigkeit der Gewerbeinspektvren hie und da an dem Widerstande
gewisser übermächtiger Einflüsse und Gewalten scheitert. Es ist das im
wesentlichen eine Folge jener Partikularistischen Organisation unsrer Gewerbe¬
aufsicht, der wir es nicht allein verdanken, daß sechsundzwanzig Landes¬
regierungen verschiedne Instruktionen für die Durchführung der Bestimmungen
der Gewerbeordnung erlassen, sondern daß auch innerhalb dieser Landes¬
regierungen wieder für jede Provinz, jeden Bezirk und Kreis, jn für jede
Stadt und jedes Dorf die obern und die untern Verwaltungsbehörden nach
eignem Belieben Anordnungen treffen, wahrend der Gewerbeinspektor selbst
machtlos dasteht.

Wie wir erwähnt haben, lehrt die Erfahrung, daß die Thätigkeit der
Einigungsämter im allgemeinen nur da von Erfolg begleitet gewesen ist, wo
ein das Vertrauen beider Teile genießender Vermittler einen friedlichen Aus¬
gleich herbeizuführen suchte und sich die streitenden Parteien verpflichtet hatten,
sich dem Schiedsspruch zu unterwerfen. Es ist auch erklärlich, daß die Ver¬
ständigung zwischen den streitenden Teilen in Frage gestellt wird, wenn diese
unmittelbar verhandeln, und wenn die nicht selten dnrch unverständige Führer
irregeleiteten Arbeiter erbittert in den Kampf eintreten und vielleicht unberech¬
tigte oder unerfüllbare Forderungen stellen. Bei solchen unmittelbaren Ver¬
handlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitern wird statt der Besonnen¬
heit und ruhigen Überlegung sehr oft leidenschaftliche Erregung die Oberhand
gewinnen. Die Verhandlungen der Tarifkommission und der Ausbruch wie
der Verlauf des Streiks im Buchdruckgewerbe bestätigen das. Wäre von
Anfang an ein Vermittler vorhanden gewesen, der einerseits das Vertrauen
beider Teile genossen, andrerseits sachkundig und objektiv die Verhältnisse im
Vuchdruckgewerbe zu beurteilen vermocht Hütte, so wäre der Streik samt
seinen bedauernswerten Folgen vielleicht vermieden worden. So viel steht


Arbeitseinstellungen und Linigungsämter

l'incluslriö se as er^van vom 16. August 1387 bisher keinen Erfolg gehabt.
Im deutschen Reiche hat sich die Negierung bisher der Hoffnung hingegeben,
daß durch die Organe der Gewerbeinspektion die Errichtung von Einigungs-
ämtern sehr gefördert werden würde. Hierbei hat man aber übersehen, daß
in dem größten deutschen Bundesstaate, in Preußen, infolge dessen, daß hier
die Gewerbeaufsichtsbeamten neuerdings mit den Lasten der Kesselrevision be¬
schwert worden sind, die Gewerbeinspektoren selbst in einer bedentend erhöhten
Zahl nicht in der Lage sein würden, sich um die Gründung von Einigungs¬
ämtern energisch zu bemühen. Von preußischen Gewerbeinspektoren ist
uns versichert worden, daß ihre hauptsächlichsten Verufsgeschüfte und nament¬
lich auch ihre Thätigkeit als Kesselrevisoren so große Ansprüche an ihre
Arbeitszeit stellten, daß sie sich schon aus diesem Grunde der Förderung
einer friedlichen Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten nicht widmen könnten-
Abgesehen hiervon darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß die ver¬
mittelnde Thätigkeit der Gewerbeinspektvren hie und da an dem Widerstande
gewisser übermächtiger Einflüsse und Gewalten scheitert. Es ist das im
wesentlichen eine Folge jener Partikularistischen Organisation unsrer Gewerbe¬
aufsicht, der wir es nicht allein verdanken, daß sechsundzwanzig Landes¬
regierungen verschiedne Instruktionen für die Durchführung der Bestimmungen
der Gewerbeordnung erlassen, sondern daß auch innerhalb dieser Landes¬
regierungen wieder für jede Provinz, jeden Bezirk und Kreis, jn für jede
Stadt und jedes Dorf die obern und die untern Verwaltungsbehörden nach
eignem Belieben Anordnungen treffen, wahrend der Gewerbeinspektor selbst
machtlos dasteht.

Wie wir erwähnt haben, lehrt die Erfahrung, daß die Thätigkeit der
Einigungsämter im allgemeinen nur da von Erfolg begleitet gewesen ist, wo
ein das Vertrauen beider Teile genießender Vermittler einen friedlichen Aus¬
gleich herbeizuführen suchte und sich die streitenden Parteien verpflichtet hatten,
sich dem Schiedsspruch zu unterwerfen. Es ist auch erklärlich, daß die Ver¬
ständigung zwischen den streitenden Teilen in Frage gestellt wird, wenn diese
unmittelbar verhandeln, und wenn die nicht selten dnrch unverständige Führer
irregeleiteten Arbeiter erbittert in den Kampf eintreten und vielleicht unberech¬
tigte oder unerfüllbare Forderungen stellen. Bei solchen unmittelbaren Ver¬
handlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitern wird statt der Besonnen¬
heit und ruhigen Überlegung sehr oft leidenschaftliche Erregung die Oberhand
gewinnen. Die Verhandlungen der Tarifkommission und der Ausbruch wie
der Verlauf des Streiks im Buchdruckgewerbe bestätigen das. Wäre von
Anfang an ein Vermittler vorhanden gewesen, der einerseits das Vertrauen
beider Teile genossen, andrerseits sachkundig und objektiv die Verhältnisse im
Vuchdruckgewerbe zu beurteilen vermocht Hütte, so wäre der Streik samt
seinen bedauernswerten Folgen vielleicht vermieden worden. So viel steht


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[0166] Arbeitseinstellungen und Linigungsämter l'incluslriö se as er^van vom 16. August 1387 bisher keinen Erfolg gehabt. Im deutschen Reiche hat sich die Negierung bisher der Hoffnung hingegeben, daß durch die Organe der Gewerbeinspektion die Errichtung von Einigungs- ämtern sehr gefördert werden würde. Hierbei hat man aber übersehen, daß in dem größten deutschen Bundesstaate, in Preußen, infolge dessen, daß hier die Gewerbeaufsichtsbeamten neuerdings mit den Lasten der Kesselrevision be¬ schwert worden sind, die Gewerbeinspektoren selbst in einer bedentend erhöhten Zahl nicht in der Lage sein würden, sich um die Gründung von Einigungs¬ ämtern energisch zu bemühen. Von preußischen Gewerbeinspektoren ist uns versichert worden, daß ihre hauptsächlichsten Verufsgeschüfte und nament¬ lich auch ihre Thätigkeit als Kesselrevisoren so große Ansprüche an ihre Arbeitszeit stellten, daß sie sich schon aus diesem Grunde der Förderung einer friedlichen Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten nicht widmen könnten- Abgesehen hiervon darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß die ver¬ mittelnde Thätigkeit der Gewerbeinspektvren hie und da an dem Widerstande gewisser übermächtiger Einflüsse und Gewalten scheitert. Es ist das im wesentlichen eine Folge jener Partikularistischen Organisation unsrer Gewerbe¬ aufsicht, der wir es nicht allein verdanken, daß sechsundzwanzig Landes¬ regierungen verschiedne Instruktionen für die Durchführung der Bestimmungen der Gewerbeordnung erlassen, sondern daß auch innerhalb dieser Landes¬ regierungen wieder für jede Provinz, jeden Bezirk und Kreis, jn für jede Stadt und jedes Dorf die obern und die untern Verwaltungsbehörden nach eignem Belieben Anordnungen treffen, wahrend der Gewerbeinspektor selbst machtlos dasteht. Wie wir erwähnt haben, lehrt die Erfahrung, daß die Thätigkeit der Einigungsämter im allgemeinen nur da von Erfolg begleitet gewesen ist, wo ein das Vertrauen beider Teile genießender Vermittler einen friedlichen Aus¬ gleich herbeizuführen suchte und sich die streitenden Parteien verpflichtet hatten, sich dem Schiedsspruch zu unterwerfen. Es ist auch erklärlich, daß die Ver¬ ständigung zwischen den streitenden Teilen in Frage gestellt wird, wenn diese unmittelbar verhandeln, und wenn die nicht selten dnrch unverständige Führer irregeleiteten Arbeiter erbittert in den Kampf eintreten und vielleicht unberech¬ tigte oder unerfüllbare Forderungen stellen. Bei solchen unmittelbaren Ver¬ handlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitern wird statt der Besonnen¬ heit und ruhigen Überlegung sehr oft leidenschaftliche Erregung die Oberhand gewinnen. Die Verhandlungen der Tarifkommission und der Ausbruch wie der Verlauf des Streiks im Buchdruckgewerbe bestätigen das. Wäre von Anfang an ein Vermittler vorhanden gewesen, der einerseits das Vertrauen beider Teile genossen, andrerseits sachkundig und objektiv die Verhältnisse im Vuchdruckgewerbe zu beurteilen vermocht Hütte, so wäre der Streik samt seinen bedauernswerten Folgen vielleicht vermieden worden. So viel steht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/166>, abgerufen am 23.07.2024.