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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Friedrich Myconius

Das war ein um so größeres Opfer, als sich der gothaische Kirchenvater,
dem Beispiele Luthers folgend, jedoch nicht ohne ernste Bedenken, mittlerweile
mit einer Gothaer Bürgerstochter, Magarete Jäckin, vermählt hatte. Doch
dem Rufe seines Landesherrn leistete er gern Folge. Galt es doch bei dieser
Gelegenheit auch das Evangelium weiter zu verbreiten.

Seine Anwesenheit in den Rheinlanden wurde von den Kölner Mönchen
benutzt, in Düsseldorf uach der Sitte jener Zeit ein geistliches Turnier zu ver¬
anstalten, ein Seitenstiick zu Luthers Leipziger Disputation mit I)r. Eck. Es
fand im Februar 1527 in Gegenwart des Herzogs Johann, einiger Fürsten
und vor "vielen Herren vom Adel und der Ritterschaft, gelehrtem und gemeinem
Volk" zwischen ihm und dem nicht minder beredten Franziskanermönch Johann
Kvrbach statt, der zehn Artikel aufgestellt hatte und verteidigte, die Mecum
widerlegte. Als dieser zum Schluß sein Glaubensbekenntnis klar und offen
darlegte, soll ihm Korbach die Hand gereicht und geäußert haben: "Lieber Fritz!
Ich habe diese Sache gerne gehört und kann und weiß es gar nicht zu tadeln,
sondern gefällt mir recht wohl, und ist gerecht und der Grund der Wahrheit,
und wenn du das predigst, so lehrst du den rechten christlichen Glauben."
Myconius predigte damals auch in Braunschweig, Celle, Soest und Essen.

Ans besondern Wunsch des Landgrafen von Hessen wohnte er dann dem
Marburger Religivnsgcspräch bei, wenn er sich auch kaum nachgiebiger als
Luther selbst zeigte. Dagegen ist es zum Teil sein Verdienst, daß wenigstens
die Wittenberger Concordie zustande kam, indem er vorher die süddeutschen
Abgesandten Capito, Bneer und Wolfsart "nach Vermögen freundlich" in
Gotha empfing und mit ihnen Vorverhandlungen Pflog, auf deren Grundlage dann
zwischen ihnen und Luther vermittelt wurde.

Luther, der bereits 1525 an Mecum, "der Unbekannte an den Unbekannten,"
geschrieben hatte, erblickte längst in ihm eine der kräftigsten Stützen der Refor¬
mation. Daher kam es, daß der gothaische Geueralsuperiutendent sast bei
keinem in ihrer weitern Entwicklung wichtigen Ereignisse fehlen dürfte. "An
den Fürstentageu zu Schmalkalden, da sich die Stand des Reichs zum Evangelio
und zur Notwehr wider die Tyrannei znsammenvereiuiget, bin ich viermal
Prediger gewesen. An den Reichstagen zu Frankfurt, zu Nürnberg hat man
mich auch gebraucht." So hat er als Vertreter Thüringens auch die Schmnl-
kaldischen Artikel unterzeichnet.

Da sein Ansehen mehr und mehr stieg, ist nicht zu verwundern, daß ihn
ein Jahr darauf, 1538, der Kurfürst zu einer besonders schwierigen diplomatischen
Sendung an den Deldusor kia<zi, an Heinrich zVIII. von England verwandte,
eine Mission, von der, so ehrenvoll sie mich sein mochte, Myconius doch wenig
Freude erntete. Weshalb Heinrich damals mit den protestantischen Fürsten
Fühlung suchte, ist bekannt; weniger bekannt dürfte sein, daß er wiederholt bei
diesen darum nachsuchte, deutsche Geistliche und Vertrauensmänner nach


Friedrich Myconius

Das war ein um so größeres Opfer, als sich der gothaische Kirchenvater,
dem Beispiele Luthers folgend, jedoch nicht ohne ernste Bedenken, mittlerweile
mit einer Gothaer Bürgerstochter, Magarete Jäckin, vermählt hatte. Doch
dem Rufe seines Landesherrn leistete er gern Folge. Galt es doch bei dieser
Gelegenheit auch das Evangelium weiter zu verbreiten.

Seine Anwesenheit in den Rheinlanden wurde von den Kölner Mönchen
benutzt, in Düsseldorf uach der Sitte jener Zeit ein geistliches Turnier zu ver¬
anstalten, ein Seitenstiick zu Luthers Leipziger Disputation mit I)r. Eck. Es
fand im Februar 1527 in Gegenwart des Herzogs Johann, einiger Fürsten
und vor „vielen Herren vom Adel und der Ritterschaft, gelehrtem und gemeinem
Volk" zwischen ihm und dem nicht minder beredten Franziskanermönch Johann
Kvrbach statt, der zehn Artikel aufgestellt hatte und verteidigte, die Mecum
widerlegte. Als dieser zum Schluß sein Glaubensbekenntnis klar und offen
darlegte, soll ihm Korbach die Hand gereicht und geäußert haben: „Lieber Fritz!
Ich habe diese Sache gerne gehört und kann und weiß es gar nicht zu tadeln,
sondern gefällt mir recht wohl, und ist gerecht und der Grund der Wahrheit,
und wenn du das predigst, so lehrst du den rechten christlichen Glauben."
Myconius predigte damals auch in Braunschweig, Celle, Soest und Essen.

Ans besondern Wunsch des Landgrafen von Hessen wohnte er dann dem
Marburger Religivnsgcspräch bei, wenn er sich auch kaum nachgiebiger als
Luther selbst zeigte. Dagegen ist es zum Teil sein Verdienst, daß wenigstens
die Wittenberger Concordie zustande kam, indem er vorher die süddeutschen
Abgesandten Capito, Bneer und Wolfsart „nach Vermögen freundlich" in
Gotha empfing und mit ihnen Vorverhandlungen Pflog, auf deren Grundlage dann
zwischen ihnen und Luther vermittelt wurde.

Luther, der bereits 1525 an Mecum, „der Unbekannte an den Unbekannten,"
geschrieben hatte, erblickte längst in ihm eine der kräftigsten Stützen der Refor¬
mation. Daher kam es, daß der gothaische Geueralsuperiutendent sast bei
keinem in ihrer weitern Entwicklung wichtigen Ereignisse fehlen dürfte. „An
den Fürstentageu zu Schmalkalden, da sich die Stand des Reichs zum Evangelio
und zur Notwehr wider die Tyrannei znsammenvereiuiget, bin ich viermal
Prediger gewesen. An den Reichstagen zu Frankfurt, zu Nürnberg hat man
mich auch gebraucht." So hat er als Vertreter Thüringens auch die Schmnl-
kaldischen Artikel unterzeichnet.

Da sein Ansehen mehr und mehr stieg, ist nicht zu verwundern, daß ihn
ein Jahr darauf, 1538, der Kurfürst zu einer besonders schwierigen diplomatischen
Sendung an den Deldusor kia<zi, an Heinrich zVIII. von England verwandte,
eine Mission, von der, so ehrenvoll sie mich sein mochte, Myconius doch wenig
Freude erntete. Weshalb Heinrich damals mit den protestantischen Fürsten
Fühlung suchte, ist bekannt; weniger bekannt dürfte sein, daß er wiederholt bei
diesen darum nachsuchte, deutsche Geistliche und Vertrauensmänner nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/131>, abgerufen am 23.07.2024.