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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Boden vergißt oder miterschlägt, zeigt er sich in dem Aberglauben befangen,
als ob jene sogenannten Kapitalien, die weiter nichts als Schulden sind, wirk¬
liche Kapitalien und etwas wirkliches neben dein Boden, den Gebäuden und
Arbeitswerkzeugen wären; als ob zum Volksvermögcn nicht bloß das Lauergut
gehörte, sondern daneben auch noch die darauf eingeschriebne Hypothek, als
ob nicht bloß die Bahnkörper und Wagen, sondern daneben auch noch die
Eisenbcchuaktien, nicht bloß die Minen, die Arbeitskraft der Bergleute und der
Geist der Ingenieure, sondern daneben auch noch die Montanaktien, nicht bloß
die Domänen und die den Brot-, Schnaps- und Bierzoll aufbringende Berbrauchs-
traft der Staatsbürger, sondern auch die Stantsschuldscheine dazu gehörten!
Was fälschlich Kapitalreichtum genannt zu werden Pflegt, ist weiter nichts als ein
Rechtsverhältnis, demzufolge die Felder nicht denen gehöre", die sie bebauen,
die Häuser nicht denen, die sie bewohnen, die Maschinen und Werkzeuge nicht
denen, die sie gebrauchen, sondern andern Personen, die einen Schein über ihr
Vesitzrecht an diese Dinge in der Hand haben. Überall, wo das Kapital als
eine Produktionskraft neben Arbeit und Boden genannt wird, ist nicht wirk¬
liches Kapital gemeint, denn das besteht eben im kultivirten Boden und in
den Arbeitswerkzeugeu, sondern es ist der Vermögensanspruch, das Besitzrecht ge¬
wisser Personen auf diese Gegenstände gemeint. Wenn die Personen, die den
Boden bebauen und die Häuser bewohnen, nicht audern Personen verschuldet
wären, wenn die Bergleute, die Kohle und Erz aus dem Schoße der Erde
heraufbefördern, nicht im Dienste von Personen arbeiteten, denen die Aktie oder
ein sonstiges Papier das Recht auf den Genuß des Ertrages verleiht, dann
konnte nicht neben dem wirklichen, in Feldern, Gruben, Häusern u. s. w. be¬
stehenden Volksreichtum ein scheinbarer erdichtet werden, könnte nicht der Philister
die Besitztitel, deren ungeheure Zahlenwerte er täglich in den Zeitungen liest, für
ein Gut neben den Gütern halten, auf die sie ein Recht verleihen. Wenn
man heutzutage neben Boden und Arbeit auch noch das Kapital für notwendig
zur Produktion erklärt, so hat man dabei nicht etwa den richtigen Gedanken
im Sinne, daß in jeder zivilisirten Gesellschaft nnr auf der Grundlage von
vorgethaner Arbeit weiter gearbeitet wird, sondern man erklärt damit eine
Einrichtung für notwendig, bei der das Bauergut nicht oder wenigstens nicht
ganz dem Bauer, sondern einem Hypothekengläubiger oder einem Landlord, die
Grube nicht einer Genossenschaft von Bergleuten, sondern einer Gesellschaft von
Aktionären, das Handwerkszeug nicht dem Handwerker, sondern den Aktionären
eines Vorschußvereins gehört. (Bekanntlich haben die Vorschußvereine seit
Erlaß des neuen Genossenschaftsgesetzes angefangen, sich als das, was sie ihrem
Wesen nach von jeher waren: Aktiengesellschaften, offen zu erklären.) Vielleicht
ist diese Scheidung des Volkes in Arbeiter und Besitzer wirklich notwendig für
die Produktion, wir wollen hier und hente darüber nicht streiten. Wissen wir
doch recht wohl, daß so manches großartige, für das Gemeinwohl notwendige


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Boden vergißt oder miterschlägt, zeigt er sich in dem Aberglauben befangen,
als ob jene sogenannten Kapitalien, die weiter nichts als Schulden sind, wirk¬
liche Kapitalien und etwas wirkliches neben dein Boden, den Gebäuden und
Arbeitswerkzeugen wären; als ob zum Volksvermögcn nicht bloß das Lauergut
gehörte, sondern daneben auch noch die darauf eingeschriebne Hypothek, als
ob nicht bloß die Bahnkörper und Wagen, sondern daneben auch noch die
Eisenbcchuaktien, nicht bloß die Minen, die Arbeitskraft der Bergleute und der
Geist der Ingenieure, sondern daneben auch noch die Montanaktien, nicht bloß
die Domänen und die den Brot-, Schnaps- und Bierzoll aufbringende Berbrauchs-
traft der Staatsbürger, sondern auch die Stantsschuldscheine dazu gehörten!
Was fälschlich Kapitalreichtum genannt zu werden Pflegt, ist weiter nichts als ein
Rechtsverhältnis, demzufolge die Felder nicht denen gehöre«, die sie bebauen,
die Häuser nicht denen, die sie bewohnen, die Maschinen und Werkzeuge nicht
denen, die sie gebrauchen, sondern andern Personen, die einen Schein über ihr
Vesitzrecht an diese Dinge in der Hand haben. Überall, wo das Kapital als
eine Produktionskraft neben Arbeit und Boden genannt wird, ist nicht wirk¬
liches Kapital gemeint, denn das besteht eben im kultivirten Boden und in
den Arbeitswerkzeugeu, sondern es ist der Vermögensanspruch, das Besitzrecht ge¬
wisser Personen auf diese Gegenstände gemeint. Wenn die Personen, die den
Boden bebauen und die Häuser bewohnen, nicht audern Personen verschuldet
wären, wenn die Bergleute, die Kohle und Erz aus dem Schoße der Erde
heraufbefördern, nicht im Dienste von Personen arbeiteten, denen die Aktie oder
ein sonstiges Papier das Recht auf den Genuß des Ertrages verleiht, dann
konnte nicht neben dem wirklichen, in Feldern, Gruben, Häusern u. s. w. be¬
stehenden Volksreichtum ein scheinbarer erdichtet werden, könnte nicht der Philister
die Besitztitel, deren ungeheure Zahlenwerte er täglich in den Zeitungen liest, für
ein Gut neben den Gütern halten, auf die sie ein Recht verleihen. Wenn
man heutzutage neben Boden und Arbeit auch noch das Kapital für notwendig
zur Produktion erklärt, so hat man dabei nicht etwa den richtigen Gedanken
im Sinne, daß in jeder zivilisirten Gesellschaft nnr auf der Grundlage von
vorgethaner Arbeit weiter gearbeitet wird, sondern man erklärt damit eine
Einrichtung für notwendig, bei der das Bauergut nicht oder wenigstens nicht
ganz dem Bauer, sondern einem Hypothekengläubiger oder einem Landlord, die
Grube nicht einer Genossenschaft von Bergleuten, sondern einer Gesellschaft von
Aktionären, das Handwerkszeug nicht dem Handwerker, sondern den Aktionären
eines Vorschußvereins gehört. (Bekanntlich haben die Vorschußvereine seit
Erlaß des neuen Genossenschaftsgesetzes angefangen, sich als das, was sie ihrem
Wesen nach von jeher waren: Aktiengesellschaften, offen zu erklären.) Vielleicht
ist diese Scheidung des Volkes in Arbeiter und Besitzer wirklich notwendig für
die Produktion, wir wollen hier und hente darüber nicht streiten. Wissen wir
doch recht wohl, daß so manches großartige, für das Gemeinwohl notwendige


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[0118] pas wirlsch^se^-jahi >»9^ Boden vergißt oder miterschlägt, zeigt er sich in dem Aberglauben befangen, als ob jene sogenannten Kapitalien, die weiter nichts als Schulden sind, wirk¬ liche Kapitalien und etwas wirkliches neben dein Boden, den Gebäuden und Arbeitswerkzeugen wären; als ob zum Volksvermögcn nicht bloß das Lauergut gehörte, sondern daneben auch noch die darauf eingeschriebne Hypothek, als ob nicht bloß die Bahnkörper und Wagen, sondern daneben auch noch die Eisenbcchuaktien, nicht bloß die Minen, die Arbeitskraft der Bergleute und der Geist der Ingenieure, sondern daneben auch noch die Montanaktien, nicht bloß die Domänen und die den Brot-, Schnaps- und Bierzoll aufbringende Berbrauchs- traft der Staatsbürger, sondern auch die Stantsschuldscheine dazu gehörten! Was fälschlich Kapitalreichtum genannt zu werden Pflegt, ist weiter nichts als ein Rechtsverhältnis, demzufolge die Felder nicht denen gehöre«, die sie bebauen, die Häuser nicht denen, die sie bewohnen, die Maschinen und Werkzeuge nicht denen, die sie gebrauchen, sondern andern Personen, die einen Schein über ihr Vesitzrecht an diese Dinge in der Hand haben. Überall, wo das Kapital als eine Produktionskraft neben Arbeit und Boden genannt wird, ist nicht wirk¬ liches Kapital gemeint, denn das besteht eben im kultivirten Boden und in den Arbeitswerkzeugeu, sondern es ist der Vermögensanspruch, das Besitzrecht ge¬ wisser Personen auf diese Gegenstände gemeint. Wenn die Personen, die den Boden bebauen und die Häuser bewohnen, nicht audern Personen verschuldet wären, wenn die Bergleute, die Kohle und Erz aus dem Schoße der Erde heraufbefördern, nicht im Dienste von Personen arbeiteten, denen die Aktie oder ein sonstiges Papier das Recht auf den Genuß des Ertrages verleiht, dann konnte nicht neben dem wirklichen, in Feldern, Gruben, Häusern u. s. w. be¬ stehenden Volksreichtum ein scheinbarer erdichtet werden, könnte nicht der Philister die Besitztitel, deren ungeheure Zahlenwerte er täglich in den Zeitungen liest, für ein Gut neben den Gütern halten, auf die sie ein Recht verleihen. Wenn man heutzutage neben Boden und Arbeit auch noch das Kapital für notwendig zur Produktion erklärt, so hat man dabei nicht etwa den richtigen Gedanken im Sinne, daß in jeder zivilisirten Gesellschaft nnr auf der Grundlage von vorgethaner Arbeit weiter gearbeitet wird, sondern man erklärt damit eine Einrichtung für notwendig, bei der das Bauergut nicht oder wenigstens nicht ganz dem Bauer, sondern einem Hypothekengläubiger oder einem Landlord, die Grube nicht einer Genossenschaft von Bergleuten, sondern einer Gesellschaft von Aktionären, das Handwerkszeug nicht dem Handwerker, sondern den Aktionären eines Vorschußvereins gehört. (Bekanntlich haben die Vorschußvereine seit Erlaß des neuen Genossenschaftsgesetzes angefangen, sich als das, was sie ihrem Wesen nach von jeher waren: Aktiengesellschaften, offen zu erklären.) Vielleicht ist diese Scheidung des Volkes in Arbeiter und Besitzer wirklich notwendig für die Produktion, wir wollen hier und hente darüber nicht streiten. Wissen wir doch recht wohl, daß so manches großartige, für das Gemeinwohl notwendige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/118>, abgerufen am 23.07.2024.