Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.Das Wirtschaftsjahr Durch diese Ohnmacht Rußlands, fährt der "Ecvnomist" fort, werde der Das Wirtschaftsjahr Durch diese Ohnmacht Rußlands, fährt der „Ecvnomist" fort, werde der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211285"/> <fw type="header" place="top"> Das Wirtschaftsjahr</fw><lb/> <p xml:id="ID_353" next="#ID_354"> Durch diese Ohnmacht Rußlands, fährt der „Ecvnomist" fort, werde der<lb/> Friede und durch diesen das wirtschaftliche Gedeihen verbürgt, dessen sonstige<lb/> Bedingungen reichlich vorhanden seien. „Die Welt ist so reich, und die Summe<lb/> -der Kapitalien ist so enorm, daß selbst eine heftige Krise, die Milliarden zer¬<lb/> stört, nur wie eine Fleischwunde empfunden wird." Die Begriffsverwirrung,<lb/> die sich unter dem Worte Kapital verbirgt, hat sich dermaßen in den Köpfen<lb/> festgesetzt, daß auch die gescheitesten und gelehrtesten Fachleute dieses verhängnis¬<lb/> volle Wort nicht in den Mund nehmen können, ohne eine Dummheit zu be¬<lb/> gehen. Warum wird die „Zerstörung von Milliarden" nur als eine Fleisch-<lb/> wunde empfunden? Weil bei solchen Zerstörungen, wie sie der Verfasser<lb/> meint, gar nichts zerstört wird! Feuersbrünste, Wasserfluten, Erdbeben, toll¬<lb/> gewordene revolutionäre Banden, die Neblaus, das sind Mächte, die wirklich<lb/> Kapital zerstören. Aber ein Börsenkrach zerstört nichts. Er thut uur von<lb/> zwei Dingen eins, ,und manchmal auch beide: entweder er enthüllt einigen<lb/> tausend Menschen die bittere Wahrheit, daß die Vermögensansprüche, die sie<lb/> in Gestalt von Wertpapieren in den Händen oder im Schranke zu haben glaubte»,<lb/> nichtig sind, indem das vermeintliche Vermögen, auf das dies Papier einen An¬<lb/> spruch verleihen sollten, nirgends in der Welt vorhanden ist; oder er überträgt<lb/> wohlbegründete Vermögensansprüche, Ansprüche an wirklich vorhandnes Ver¬<lb/> mögen im Werte von einigen hundert Millionen von einer Partei spekulireuder<lb/> Kapitalbesitzer auf die andre, von der Hauffe auf die Baisse oder umgekehrt. Viel¬<lb/> leicht war es die Ahnung dieser Wahrheit, was den Verfasser bewog, ein „und"<lb/> zu setzen, wo nnr ein Komma stehen durfte, wenn er wirkliche Kapitalien im<lb/> Sinne hatte: „Die Welt ist so reich, und die Summe der Kapitalien ist so<lb/> enorm"; worin soll denn sonst der Reichtum besteh», wenn nicht in den<lb/> Kapitalien? In einem andern Satze unterscheidet er sogar ausdrücklich zwischen<lb/> beiden: „Die Produktion der Volker verfügt über unzählige Milliarden an<lb/> Kapital und über viele Millionen Maschinen und Werkzeuge." Wie unklar!<lb/> Zum Produzireu gehört zweierlei: Boden und Arbeit. Sperrt den fleißigsten<lb/> Menschen allein in einen leeren Fesselballon oder in einen leeren Kerker, und<lb/> es ist aus mit seiner Produktion. Setzt den Faulen auf die fruchtbarste Erde,<lb/> und es wird nichts produzirt. Immer und ewig gehören diese zwei zur<lb/> Produktion, und nur diese zwei, sonst nichts; und wer behauptet, es sei noch<lb/> ein drittes dazu nötig, der ist entweder ein Uuwisseuder oder ein bewußter<lb/> Lügner. Die Arbeit geht allerdings bedeutend leichter von statten, wenn sie<lb/> vorgethane Arbeit in Gestalt vou verbessertem Boden, von Erntevvrräten, von<lb/> Maschinen und Werkzeugen benutzen kann, und diese Dinge, die Früchte vor¬<lb/> gethaner Arbeit, bilden eben das Kapital. Der obige Satz müßte also heißen:<lb/> „Die Produktion der Völker verfügt über kultivirten Boden, über Werkzeuge<lb/> und Vorräte im Werte von mehreren hundert Milliarden." Indem aber der<lb/> Verfasser das milliardenwerte Kapital neben die Werkzeuge stellt und den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0117]
Das Wirtschaftsjahr
Durch diese Ohnmacht Rußlands, fährt der „Ecvnomist" fort, werde der
Friede und durch diesen das wirtschaftliche Gedeihen verbürgt, dessen sonstige
Bedingungen reichlich vorhanden seien. „Die Welt ist so reich, und die Summe
-der Kapitalien ist so enorm, daß selbst eine heftige Krise, die Milliarden zer¬
stört, nur wie eine Fleischwunde empfunden wird." Die Begriffsverwirrung,
die sich unter dem Worte Kapital verbirgt, hat sich dermaßen in den Köpfen
festgesetzt, daß auch die gescheitesten und gelehrtesten Fachleute dieses verhängnis¬
volle Wort nicht in den Mund nehmen können, ohne eine Dummheit zu be¬
gehen. Warum wird die „Zerstörung von Milliarden" nur als eine Fleisch-
wunde empfunden? Weil bei solchen Zerstörungen, wie sie der Verfasser
meint, gar nichts zerstört wird! Feuersbrünste, Wasserfluten, Erdbeben, toll¬
gewordene revolutionäre Banden, die Neblaus, das sind Mächte, die wirklich
Kapital zerstören. Aber ein Börsenkrach zerstört nichts. Er thut uur von
zwei Dingen eins, ,und manchmal auch beide: entweder er enthüllt einigen
tausend Menschen die bittere Wahrheit, daß die Vermögensansprüche, die sie
in Gestalt von Wertpapieren in den Händen oder im Schranke zu haben glaubte»,
nichtig sind, indem das vermeintliche Vermögen, auf das dies Papier einen An¬
spruch verleihen sollten, nirgends in der Welt vorhanden ist; oder er überträgt
wohlbegründete Vermögensansprüche, Ansprüche an wirklich vorhandnes Ver¬
mögen im Werte von einigen hundert Millionen von einer Partei spekulireuder
Kapitalbesitzer auf die andre, von der Hauffe auf die Baisse oder umgekehrt. Viel¬
leicht war es die Ahnung dieser Wahrheit, was den Verfasser bewog, ein „und"
zu setzen, wo nnr ein Komma stehen durfte, wenn er wirkliche Kapitalien im
Sinne hatte: „Die Welt ist so reich, und die Summe der Kapitalien ist so
enorm"; worin soll denn sonst der Reichtum besteh», wenn nicht in den
Kapitalien? In einem andern Satze unterscheidet er sogar ausdrücklich zwischen
beiden: „Die Produktion der Volker verfügt über unzählige Milliarden an
Kapital und über viele Millionen Maschinen und Werkzeuge." Wie unklar!
Zum Produzireu gehört zweierlei: Boden und Arbeit. Sperrt den fleißigsten
Menschen allein in einen leeren Fesselballon oder in einen leeren Kerker, und
es ist aus mit seiner Produktion. Setzt den Faulen auf die fruchtbarste Erde,
und es wird nichts produzirt. Immer und ewig gehören diese zwei zur
Produktion, und nur diese zwei, sonst nichts; und wer behauptet, es sei noch
ein drittes dazu nötig, der ist entweder ein Uuwisseuder oder ein bewußter
Lügner. Die Arbeit geht allerdings bedeutend leichter von statten, wenn sie
vorgethane Arbeit in Gestalt vou verbessertem Boden, von Erntevvrräten, von
Maschinen und Werkzeugen benutzen kann, und diese Dinge, die Früchte vor¬
gethaner Arbeit, bilden eben das Kapital. Der obige Satz müßte also heißen:
„Die Produktion der Völker verfügt über kultivirten Boden, über Werkzeuge
und Vorräte im Werte von mehreren hundert Milliarden." Indem aber der
Verfasser das milliardenwerte Kapital neben die Werkzeuge stellt und den
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