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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Lilder ans dein Universitätsleben

Die Germanen und Römer wurden am nächsten Vormittag noch einmal
ordentlich gedrillt und ihnen das bühnenmäßige Schreien, Fechten und Sterben
gründlich beigebracht, Und in der That siel nun die Hauptausführuug glänzend
aus. Der alte Kaiser war wirklich erschienen und vou eiuer großen Zahl
von Chargirteu feierlich empfangen worden. Er blieb bis zum Schluß der
Vorstellung in seiner Loge und verfolgte das Spiel der Studenten mit sichtlicher
Aufmerksamkeit, Den ältesten der Komitecmitglieder geruhte Seine Majestät zu
sich zu ^befehlen; er sprach seiue volle Anerkennung über die Leistungen aus.
Das Kriegslager sei vortrefflich gewesen, und anch das letzte Stuck habe ihm
sehr gut gefallen, besonders der Cethegus. Selbst van Hell erhielt etwas vou
dem kaiserlichen Wohlwollen ab, obgleich er wenig für uus gethan hatte.
Jedenfalls war dies das erste und auch wohl das einzige mal, daß Kaiser
Wilhelm das Nationaltheater besucht hatte.

Die Stimmung unter den Spielern war, wie man sich leicht vorstellen
kann, nach solchem unerwartetem Erfolg äußerst gehoben. Wildenbruch glühte
vor Wonne und hätte uus alle umarmen mögen. Die in der Presse erschiene¬
nen Besprechungen gingen zwar mit gnädiger Herablassung über unsre Auffüh¬
rung und über Wildeubruchs Stück zur Tagesordnung über, wobei sie
ihre Verwundrung über unsre Premiere nicht unterdrücken konnten. Aber der
Dichter hatte unsre Herzen durch seiue persönliche Liebenswürdigkeit wie durch
seineu genialen Schwung erobert, und das galt ihm mehr. Er mochte ahnen, daß
dieser Abend die eigentliche Geburtsstunde seiner dramatischen Muse, die erste
Stufe seiner Erfolge gewesen war.

Aber ein Sturzbad blieb dem hochgehenden Schwärmer nicht erspart. Bei
dem heitern Fcstkommers, der den Schluß unsrer erfolgreichen Bnhncnthätigkeit
bildete, und zu dem auch die betreffenden Schauspielerinnen eingeladen worden
waren, wurde eine ziemlich derbe Parodie ans Svanhild aufgeführt. "Schwein-
hild," "Zotegus/' "Groß-Spurius" und "Camelius" bildeten die Rollen -- man
kann ans diesen schaudervollen Namen schon einigermaßen die märchenhafte
Poesie des Stückes herauslesen. Es war in der That etwas kräftige Speise
des Berliner Materialismus in den Windeln, aber als erste Parodie ans ein
Wildeubruchschcs Stück immerhin merkwürdig. Schließlich lachte der Dichter
doch mit und stimmte mit voller Kehle in das Fidelitätslied ein :


Brüder, kennt ihr den Studenten,
Der im Kampf mit Elementen
Nicht mit Ruhme dürste hageln
Ha! ich hab mich brav geschlagen!
Na, wir Habens auch bewiesen,
Haben uns gezeigt wie Niesen,
Traten ans die ThespiSbrctter
Frei und lilhn wie junge Gatter,

Grenzboten I 1892 1,'!
Lilder ans dein Universitätsleben

Die Germanen und Römer wurden am nächsten Vormittag noch einmal
ordentlich gedrillt und ihnen das bühnenmäßige Schreien, Fechten und Sterben
gründlich beigebracht, Und in der That siel nun die Hauptausführuug glänzend
aus. Der alte Kaiser war wirklich erschienen und vou eiuer großen Zahl
von Chargirteu feierlich empfangen worden. Er blieb bis zum Schluß der
Vorstellung in seiner Loge und verfolgte das Spiel der Studenten mit sichtlicher
Aufmerksamkeit, Den ältesten der Komitecmitglieder geruhte Seine Majestät zu
sich zu ^befehlen; er sprach seiue volle Anerkennung über die Leistungen aus.
Das Kriegslager sei vortrefflich gewesen, und anch das letzte Stuck habe ihm
sehr gut gefallen, besonders der Cethegus. Selbst van Hell erhielt etwas vou
dem kaiserlichen Wohlwollen ab, obgleich er wenig für uus gethan hatte.
Jedenfalls war dies das erste und auch wohl das einzige mal, daß Kaiser
Wilhelm das Nationaltheater besucht hatte.

Die Stimmung unter den Spielern war, wie man sich leicht vorstellen
kann, nach solchem unerwartetem Erfolg äußerst gehoben. Wildenbruch glühte
vor Wonne und hätte uus alle umarmen mögen. Die in der Presse erschiene¬
nen Besprechungen gingen zwar mit gnädiger Herablassung über unsre Auffüh¬
rung und über Wildeubruchs Stück zur Tagesordnung über, wobei sie
ihre Verwundrung über unsre Premiere nicht unterdrücken konnten. Aber der
Dichter hatte unsre Herzen durch seiue persönliche Liebenswürdigkeit wie durch
seineu genialen Schwung erobert, und das galt ihm mehr. Er mochte ahnen, daß
dieser Abend die eigentliche Geburtsstunde seiner dramatischen Muse, die erste
Stufe seiner Erfolge gewesen war.

Aber ein Sturzbad blieb dem hochgehenden Schwärmer nicht erspart. Bei
dem heitern Fcstkommers, der den Schluß unsrer erfolgreichen Bnhncnthätigkeit
bildete, und zu dem auch die betreffenden Schauspielerinnen eingeladen worden
waren, wurde eine ziemlich derbe Parodie ans Svanhild aufgeführt. „Schwein-
hild," „Zotegus/' „Groß-Spurius" und „Camelius" bildeten die Rollen — man
kann ans diesen schaudervollen Namen schon einigermaßen die märchenhafte
Poesie des Stückes herauslesen. Es war in der That etwas kräftige Speise
des Berliner Materialismus in den Windeln, aber als erste Parodie ans ein
Wildeubruchschcs Stück immerhin merkwürdig. Schließlich lachte der Dichter
doch mit und stimmte mit voller Kehle in das Fidelitätslied ein :


Brüder, kennt ihr den Studenten,
Der im Kampf mit Elementen
Nicht mit Ruhme dürste hageln
Ha! ich hab mich brav geschlagen!
Na, wir Habens auch bewiesen,
Haben uns gezeigt wie Niesen,
Traten ans die ThespiSbrctter
Frei und lilhn wie junge Gatter,

Grenzboten I 1892 1,'!
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[0105] Lilder ans dein Universitätsleben Die Germanen und Römer wurden am nächsten Vormittag noch einmal ordentlich gedrillt und ihnen das bühnenmäßige Schreien, Fechten und Sterben gründlich beigebracht, Und in der That siel nun die Hauptausführuug glänzend aus. Der alte Kaiser war wirklich erschienen und vou eiuer großen Zahl von Chargirteu feierlich empfangen worden. Er blieb bis zum Schluß der Vorstellung in seiner Loge und verfolgte das Spiel der Studenten mit sichtlicher Aufmerksamkeit, Den ältesten der Komitecmitglieder geruhte Seine Majestät zu sich zu ^befehlen; er sprach seiue volle Anerkennung über die Leistungen aus. Das Kriegslager sei vortrefflich gewesen, und anch das letzte Stuck habe ihm sehr gut gefallen, besonders der Cethegus. Selbst van Hell erhielt etwas vou dem kaiserlichen Wohlwollen ab, obgleich er wenig für uus gethan hatte. Jedenfalls war dies das erste und auch wohl das einzige mal, daß Kaiser Wilhelm das Nationaltheater besucht hatte. Die Stimmung unter den Spielern war, wie man sich leicht vorstellen kann, nach solchem unerwartetem Erfolg äußerst gehoben. Wildenbruch glühte vor Wonne und hätte uus alle umarmen mögen. Die in der Presse erschiene¬ nen Besprechungen gingen zwar mit gnädiger Herablassung über unsre Auffüh¬ rung und über Wildeubruchs Stück zur Tagesordnung über, wobei sie ihre Verwundrung über unsre Premiere nicht unterdrücken konnten. Aber der Dichter hatte unsre Herzen durch seiue persönliche Liebenswürdigkeit wie durch seineu genialen Schwung erobert, und das galt ihm mehr. Er mochte ahnen, daß dieser Abend die eigentliche Geburtsstunde seiner dramatischen Muse, die erste Stufe seiner Erfolge gewesen war. Aber ein Sturzbad blieb dem hochgehenden Schwärmer nicht erspart. Bei dem heitern Fcstkommers, der den Schluß unsrer erfolgreichen Bnhncnthätigkeit bildete, und zu dem auch die betreffenden Schauspielerinnen eingeladen worden waren, wurde eine ziemlich derbe Parodie ans Svanhild aufgeführt. „Schwein- hild," „Zotegus/' „Groß-Spurius" und „Camelius" bildeten die Rollen — man kann ans diesen schaudervollen Namen schon einigermaßen die märchenhafte Poesie des Stückes herauslesen. Es war in der That etwas kräftige Speise des Berliner Materialismus in den Windeln, aber als erste Parodie ans ein Wildeubruchschcs Stück immerhin merkwürdig. Schließlich lachte der Dichter doch mit und stimmte mit voller Kehle in das Fidelitätslied ein : Brüder, kennt ihr den Studenten, Der im Kampf mit Elementen Nicht mit Ruhme dürste hageln Ha! ich hab mich brav geschlagen! Na, wir Habens auch bewiesen, Haben uns gezeigt wie Niesen, Traten ans die ThespiSbrctter Frei und lilhn wie junge Gatter, Grenzboten I 1892 1,'!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/105>, abgerufen am 23.07.2024.