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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Finnland
von F. Mewi n

n den Völkern, denen es vergönnt gewesen ist, fern vom Geräusch
der Welt ihr Leben in idyllischer Ruhe zuzubringen, gehören
mich die Finnländer, von denen bisher nur selten Nachrichten
in die weitere Öffentlichkeit gedrungen sind; ein anspruchsloses
und zufriedenes Volk, sind sie nur darcinf bedacht gewesen, an
ihrer innern Entwicklung und Vervollkommnung zu arbeiten, froh, wenn sie
sich diesem Streben in ungestörter Weise hingeben konnten. Im Laufe der
neuern Zeit sind aber Nachrichten in die Welt gedrungen, die darauf schließen
lassen, daß es mit den schönen Tagen von Finnland vorüber sein dürfte, denn
wie die Ostseeprovinzen, gedenkt Rußland um auch dieses ehedem schwedische
Land in energischer Weise zu "russifiziren," wofür der bereits erfolgte Wechsel
in dem Posten des Staatssekretärs für Finnland, die beabsichtigte Einführung
der russischen Sprache als Amtssprache n. s. w. unzweideutige Anzeichen sind.
Alle diese Maßregeln werden nicht verfehlen, das Mitgefühl der ganzen ge¬
bildeten Welt zu erwecken.

Um die gegenwärtige Lage Finnlands besser zu würdigen, muß man
etwas in der Geschichte zurückgehen, bis in die Zeit Kaiser Alexanders I. von
Rußland, nnter dessen Negierung Finnland dem russischen Koloß einverleibt
wurde. Die Finnländer hatten damals kaum Ursache, mit dieser Veränderung
unzufrieden zu sein, denn dnrch die Eiuverleibungsalte wurden ihnen so be¬
deutende Vorzugsrechte eingeräumt, daß das Land fast einen besondern Staat
für sich bildete, gleichsam nnr dnrch Personalunion mit Rußland verbunden
war. Auf dem 180!) nach Borgn einberufenen finnischen Landtage versprach
der Kaiser, Konstitution und Grundgesetze unverändert zu erhalten, und außer¬
dem erließ er ein Manifest, worin er "des Landes Religion und Grundgesetze,


Gnnizlwten III 18"1 i


Finnland
von F. Mewi n

n den Völkern, denen es vergönnt gewesen ist, fern vom Geräusch
der Welt ihr Leben in idyllischer Ruhe zuzubringen, gehören
mich die Finnländer, von denen bisher nur selten Nachrichten
in die weitere Öffentlichkeit gedrungen sind; ein anspruchsloses
und zufriedenes Volk, sind sie nur darcinf bedacht gewesen, an
ihrer innern Entwicklung und Vervollkommnung zu arbeiten, froh, wenn sie
sich diesem Streben in ungestörter Weise hingeben konnten. Im Laufe der
neuern Zeit sind aber Nachrichten in die Welt gedrungen, die darauf schließen
lassen, daß es mit den schönen Tagen von Finnland vorüber sein dürfte, denn
wie die Ostseeprovinzen, gedenkt Rußland um auch dieses ehedem schwedische
Land in energischer Weise zu „russifiziren," wofür der bereits erfolgte Wechsel
in dem Posten des Staatssekretärs für Finnland, die beabsichtigte Einführung
der russischen Sprache als Amtssprache n. s. w. unzweideutige Anzeichen sind.
Alle diese Maßregeln werden nicht verfehlen, das Mitgefühl der ganzen ge¬
bildeten Welt zu erwecken.

Um die gegenwärtige Lage Finnlands besser zu würdigen, muß man
etwas in der Geschichte zurückgehen, bis in die Zeit Kaiser Alexanders I. von
Rußland, nnter dessen Negierung Finnland dem russischen Koloß einverleibt
wurde. Die Finnländer hatten damals kaum Ursache, mit dieser Veränderung
unzufrieden zu sein, denn dnrch die Eiuverleibungsalte wurden ihnen so be¬
deutende Vorzugsrechte eingeräumt, daß das Land fast einen besondern Staat
für sich bildete, gleichsam nnr dnrch Personalunion mit Rußland verbunden
war. Auf dem 180!) nach Borgn einberufenen finnischen Landtage versprach
der Kaiser, Konstitution und Grundgesetze unverändert zu erhalten, und außer¬
dem erließ er ein Manifest, worin er „des Landes Religion und Grundgesetze,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/9>, abgerufen am 23.07.2024.