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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Aus dänischer Zeit

Das mag ja nun kein Mensch gern hören und auch der Pollerzei nich, und
ich glaub, mein Seel, daß bloß von wegen Friederichseil sein Gesuack zwei
Schandarmen mehr von Kiel kamen. Und von so'n Benehmen können die
besten Menschen verdrießlich werden; denn es is "ich angenehm, zu denken,
daß man in einen Moinaug gleich ins Gefängnis kommen kann, bloß weil
Friederichsen sein Mutterswein sich verlaufen hat. Da sind denn auch noch
andre Geschichten passirt, die alle natürlicherweise von die Diebens gemacht
sein sollten. Einmal brannte ein Haus ab. und ein alten Maun, der ein
richtigen Tttndelbüx war, der blieb in Lehnstuhl sitzen und konnte nich ge¬
rettet werden, weil er nich aufstehe,, wollte. Lieber Gott! wenn ich nich leben
will, denn bleib ich tot, da is nix bei zu machen, und kein Mensch kann da
was bei thun. Abersten die Leute wollten keine Näsong annehmen und stellten
sich grasig an, und sie frieher sogar was i" die Zeitung, daß der Pollerzei
nich im geringsten was taugte. Wenn man nu ein büschen eigensinnig is,
denn kehrt mau sich den Deubel um so'n Snack, und so kam es noch ümmer
vor, daß bei die Neichens Besuch kam, der ein büschen was mitnahm. Bloß
bei die Neichens, und denn man bloß ein büschen. Und weil Jochen Friede¬
richsen seine Speziesthaler so lieb hatte, so wurden ihm ein paar Beutel ab¬
geholt. Denn Gerechtigkeit muß sein, und wo man am meisten von hält, das
muß mau hergeben. Und Jochen Friederichsen hat himmelhoch gesworen, daß
er sich rächen wollt, was ein sehr unchristliches Wort war. Abersten so sind
die Reichen. Bei ihren Geldbeutel, da hört allens auf, selbst das Christentum,
das uns' Herr Pastor doch so schön predigen kaun. Und als Jochen Friede¬
richsen in "seinen Kuhstall mal ein jungen Mann sieht, der die Kühe meill,
da stage er ihn halbtot und smeißt ihn dann aufn Wagen und junkerirt mit
ihn in die Stadt zun Amtmann. Ans diese heimtückische Manier is ein ganz
furchtbar guten und netten Manu mit einmal ins Loch gekommen, der doch
weiter "ix gethan hatte, als daß er aus Versehen in ein fremden Kuhstall
gerate" war. Er hat uatürlicheweise gedacht, daß er in sein Vater sein Stall
wär. Abersten die Kruke geht so lange zu Wasser, bis daß sie kaput is, und
als Jochen Friederichsen in Herbst das erste Sweinslachten feierte, wo auch
ein Kuh mit mang war, da aß er so viele Smalzapfelns und frische Leber¬
wurst, daß er mit einem male perdüh war und ein richtigen Slag kriegte.
Zwei Stunde" nachher war er mausetot, und sein Frau, die gerade all das
schöne Kuh- und Sweinefleisch eingesalzen hatte, daß alle Tonnens in Keller
voll waren, die mußte in denselben Mvmang auch noch Kuchen fürs Leicheu-
bier backen. Friederichsen war ein großen Bauer gewesen; da mußten woll
um die zwanzig verschiednen Sorten Kuchens gemacht werden, nud die Wächters,
die bei die Leiche Wache hielten, die kriegten am Tage Kalbsbraten und Rot¬
wein und abends gebratene Klöse mit Speck und nachts Kaffee und Kuchen
nud Punsch. Ja, die Wächters, die lebten sei", und damals wollte ich auch


Aus dänischer Zeit

Das mag ja nun kein Mensch gern hören und auch der Pollerzei nich, und
ich glaub, mein Seel, daß bloß von wegen Friederichseil sein Gesuack zwei
Schandarmen mehr von Kiel kamen. Und von so'n Benehmen können die
besten Menschen verdrießlich werden; denn es is »ich angenehm, zu denken,
daß man in einen Moinaug gleich ins Gefängnis kommen kann, bloß weil
Friederichsen sein Mutterswein sich verlaufen hat. Da sind denn auch noch
andre Geschichten passirt, die alle natürlicherweise von die Diebens gemacht
sein sollten. Einmal brannte ein Haus ab. und ein alten Maun, der ein
richtigen Tttndelbüx war, der blieb in Lehnstuhl sitzen und konnte nich ge¬
rettet werden, weil er nich aufstehe,, wollte. Lieber Gott! wenn ich nich leben
will, denn bleib ich tot, da is nix bei zu machen, und kein Mensch kann da
was bei thun. Abersten die Leute wollten keine Näsong annehmen und stellten
sich grasig an, und sie frieher sogar was i» die Zeitung, daß der Pollerzei
nich im geringsten was taugte. Wenn man nu ein büschen eigensinnig is,
denn kehrt mau sich den Deubel um so'n Snack, und so kam es noch ümmer
vor, daß bei die Neichens Besuch kam, der ein büschen was mitnahm. Bloß
bei die Neichens, und denn man bloß ein büschen. Und weil Jochen Friede¬
richsen seine Speziesthaler so lieb hatte, so wurden ihm ein paar Beutel ab¬
geholt. Denn Gerechtigkeit muß sein, und wo man am meisten von hält, das
muß mau hergeben. Und Jochen Friederichsen hat himmelhoch gesworen, daß
er sich rächen wollt, was ein sehr unchristliches Wort war. Abersten so sind
die Reichen. Bei ihren Geldbeutel, da hört allens auf, selbst das Christentum,
das uns' Herr Pastor doch so schön predigen kaun. Und als Jochen Friede¬
richsen in "seinen Kuhstall mal ein jungen Mann sieht, der die Kühe meill,
da stage er ihn halbtot und smeißt ihn dann aufn Wagen und junkerirt mit
ihn in die Stadt zun Amtmann. Ans diese heimtückische Manier is ein ganz
furchtbar guten und netten Manu mit einmal ins Loch gekommen, der doch
weiter »ix gethan hatte, als daß er aus Versehen in ein fremden Kuhstall
gerate» war. Er hat uatürlicheweise gedacht, daß er in sein Vater sein Stall
wär. Abersten die Kruke geht so lange zu Wasser, bis daß sie kaput is, und
als Jochen Friederichsen in Herbst das erste Sweinslachten feierte, wo auch
ein Kuh mit mang war, da aß er so viele Smalzapfelns und frische Leber¬
wurst, daß er mit einem male perdüh war und ein richtigen Slag kriegte.
Zwei Stunde» nachher war er mausetot, und sein Frau, die gerade all das
schöne Kuh- und Sweinefleisch eingesalzen hatte, daß alle Tonnens in Keller
voll waren, die mußte in denselben Mvmang auch noch Kuchen fürs Leicheu-
bier backen. Friederichsen war ein großen Bauer gewesen; da mußten woll
um die zwanzig verschiednen Sorten Kuchens gemacht werden, nud die Wächters,
die bei die Leiche Wache hielten, die kriegten am Tage Kalbsbraten und Rot¬
wein und abends gebratene Klöse mit Speck und nachts Kaffee und Kuchen
nud Punsch. Ja, die Wächters, die lebten sei», und damals wollte ich auch


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[0623] Aus dänischer Zeit Das mag ja nun kein Mensch gern hören und auch der Pollerzei nich, und ich glaub, mein Seel, daß bloß von wegen Friederichseil sein Gesuack zwei Schandarmen mehr von Kiel kamen. Und von so'n Benehmen können die besten Menschen verdrießlich werden; denn es is »ich angenehm, zu denken, daß man in einen Moinaug gleich ins Gefängnis kommen kann, bloß weil Friederichsen sein Mutterswein sich verlaufen hat. Da sind denn auch noch andre Geschichten passirt, die alle natürlicherweise von die Diebens gemacht sein sollten. Einmal brannte ein Haus ab. und ein alten Maun, der ein richtigen Tttndelbüx war, der blieb in Lehnstuhl sitzen und konnte nich ge¬ rettet werden, weil er nich aufstehe,, wollte. Lieber Gott! wenn ich nich leben will, denn bleib ich tot, da is nix bei zu machen, und kein Mensch kann da was bei thun. Abersten die Leute wollten keine Näsong annehmen und stellten sich grasig an, und sie frieher sogar was i» die Zeitung, daß der Pollerzei nich im geringsten was taugte. Wenn man nu ein büschen eigensinnig is, denn kehrt mau sich den Deubel um so'n Snack, und so kam es noch ümmer vor, daß bei die Neichens Besuch kam, der ein büschen was mitnahm. Bloß bei die Neichens, und denn man bloß ein büschen. Und weil Jochen Friede¬ richsen seine Speziesthaler so lieb hatte, so wurden ihm ein paar Beutel ab¬ geholt. Denn Gerechtigkeit muß sein, und wo man am meisten von hält, das muß mau hergeben. Und Jochen Friederichsen hat himmelhoch gesworen, daß er sich rächen wollt, was ein sehr unchristliches Wort war. Abersten so sind die Reichen. Bei ihren Geldbeutel, da hört allens auf, selbst das Christentum, das uns' Herr Pastor doch so schön predigen kaun. Und als Jochen Friede¬ richsen in "seinen Kuhstall mal ein jungen Mann sieht, der die Kühe meill, da stage er ihn halbtot und smeißt ihn dann aufn Wagen und junkerirt mit ihn in die Stadt zun Amtmann. Ans diese heimtückische Manier is ein ganz furchtbar guten und netten Manu mit einmal ins Loch gekommen, der doch weiter »ix gethan hatte, als daß er aus Versehen in ein fremden Kuhstall gerate» war. Er hat uatürlicheweise gedacht, daß er in sein Vater sein Stall wär. Abersten die Kruke geht so lange zu Wasser, bis daß sie kaput is, und als Jochen Friederichsen in Herbst das erste Sweinslachten feierte, wo auch ein Kuh mit mang war, da aß er so viele Smalzapfelns und frische Leber¬ wurst, daß er mit einem male perdüh war und ein richtigen Slag kriegte. Zwei Stunde» nachher war er mausetot, und sein Frau, die gerade all das schöne Kuh- und Sweinefleisch eingesalzen hatte, daß alle Tonnens in Keller voll waren, die mußte in denselben Mvmang auch noch Kuchen fürs Leicheu- bier backen. Friederichsen war ein großen Bauer gewesen; da mußten woll um die zwanzig verschiednen Sorten Kuchens gemacht werden, nud die Wächters, die bei die Leiche Wache hielten, die kriegten am Tage Kalbsbraten und Rot¬ wein und abends gebratene Klöse mit Speck und nachts Kaffee und Kuchen nud Punsch. Ja, die Wächters, die lebten sei», und damals wollte ich auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/623>, abgerufen am 26.08.2024.