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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Zur sozialen Frage

sollten. Sowohl Aktienunternehmungen wie sonstige Privatunternehmungen
eignen sich dazu. Der Fabrikbesitzer, der jetzt täglich befürchten muß, durch
Widerwilligkeit seiner Arbeiter Störungen zu erleiden, sollte etwa in folgender
Weise zu seinen Kommis, Werkmeistern und Arbeitern sprechen: "Ich begreife,
daß das Geschüft so, wie es jetzt betrieben wird, nicht zur höchsten Blüte
gelangen kaun. Ihr habt bisher für mich gearbeitet und dafür den bednngnen
Lohn bezogen. Ihr sollt künftig für euch selbst und zugleich für mich arbeiten,
und ebenso will ich für mich und zugleich für euch arbeiten. Wir wollen
uns zusammenthun zu gemeinschaftlicher Arbeit und gemeinschaftlichem Ertrage,
wir wollen eine Genossenschaft mit einander bilden, und ihr sollt je nach euern
Leistungen an dem Ertrage des Geschäftes teilnehmen. Ich betrachte fortan
euern Lohn und euern Gehalt, der den jetzigen Gewohnheiten entspricht,
als Vorschüsse, die zugleich den Maßstab eurer Beteiligung am Reinertrage
abgeben sollen. Mein Kapital soll mit x Prozent verzinst, und für das Ge¬
schäftsrisiko soll ein Prozent in einen Reservefonds gelegt werden. Für meine
eigne Geschäftsleitung bedinge ich mir x Mark. Was von dem Ertrage des
Geschäftes nach Abzug aller Kosten, Gehalte, Löhne, Zinsen und meines eignen
Gehaltes übrig bleibt, wird in der Weise verteilt, daß alle Löhne, Gehalte
und Zinsen pro ratg. teilnehmen. An einem etwaigen Fehlbetrag am Ende
des Jahres seid ihr unbeteiligt, da die Einlage in den Reservefonds zur
Deckung bestimmt ist. Wenn ich euch dieses Anerbieten auch teils meines
eignen Vorteils wegen, teils aus brüderlicher Gesinnung, wie sie in einer
Genossenschaft herrschen soll, mache, so dürft ihr nicht die Meinung hegen,
als beruhte diese neue Einrichtung nur auf Wohlwollen, es handelt sich viel¬
mehr um eine Vereinbarung, die euch volles Recht gewährt, sodaß ihr, wenn
ihr mein Anerbieten annehme, die etwa für euch entstehenden Ansprüche ge¬
richtlich geltend machen könnt. Es versteht sich übrigens von selbst, daß die
bisherige Fabrikordnung in Kraft verbleibt, bis wir uns etwa über ander¬
weitige Bestimmungen geeinigt haben werden. Auch steht es euch nach wie
vor frei, zu kündigen, wie ich mir auch dieses Recht vorbehalte. Die Gewinn¬
beteiligung gilt vorläufig für ein Jahr."

Die Zinsen stellen den Aufwand dar, den das Kapital für die Produktion
leistet, Gehalte und Arbeitslohn den Aufwand der Arbeit. Oder, könnte man
sagen: die Zinsen nebst der Prämie für das Risiko bezeichnen den Wert, der
durch die Produktion aufgebracht werden und ..... ""s Kapital zu erhalten.
Gehalte und Arbeitslohn-- ^^t dar, der zur Erzeugung der Arbeits¬
kräfte ^s"^"^ ist. Es leuchtet ein, daß es große Schwierigkeiten bietet,
das gemeinschaftliche, dem Recht und de-r Billigkeit entsprechende Maß für
diese beiden Faktoren der Produktion zu finden. Vor der Hand wird nichts
weiter übrig bleiben, als zunächst von den Zur Zeit Glieder Gehalten und
Löhnen auszugehen, wenn °"<H selbstverständlich der Begriff "Lohn" bei der


Grenzboten IN 1^'74
Zur sozialen Frage

sollten. Sowohl Aktienunternehmungen wie sonstige Privatunternehmungen
eignen sich dazu. Der Fabrikbesitzer, der jetzt täglich befürchten muß, durch
Widerwilligkeit seiner Arbeiter Störungen zu erleiden, sollte etwa in folgender
Weise zu seinen Kommis, Werkmeistern und Arbeitern sprechen: „Ich begreife,
daß das Geschüft so, wie es jetzt betrieben wird, nicht zur höchsten Blüte
gelangen kaun. Ihr habt bisher für mich gearbeitet und dafür den bednngnen
Lohn bezogen. Ihr sollt künftig für euch selbst und zugleich für mich arbeiten,
und ebenso will ich für mich und zugleich für euch arbeiten. Wir wollen
uns zusammenthun zu gemeinschaftlicher Arbeit und gemeinschaftlichem Ertrage,
wir wollen eine Genossenschaft mit einander bilden, und ihr sollt je nach euern
Leistungen an dem Ertrage des Geschäftes teilnehmen. Ich betrachte fortan
euern Lohn und euern Gehalt, der den jetzigen Gewohnheiten entspricht,
als Vorschüsse, die zugleich den Maßstab eurer Beteiligung am Reinertrage
abgeben sollen. Mein Kapital soll mit x Prozent verzinst, und für das Ge¬
schäftsrisiko soll ein Prozent in einen Reservefonds gelegt werden. Für meine
eigne Geschäftsleitung bedinge ich mir x Mark. Was von dem Ertrage des
Geschäftes nach Abzug aller Kosten, Gehalte, Löhne, Zinsen und meines eignen
Gehaltes übrig bleibt, wird in der Weise verteilt, daß alle Löhne, Gehalte
und Zinsen pro ratg. teilnehmen. An einem etwaigen Fehlbetrag am Ende
des Jahres seid ihr unbeteiligt, da die Einlage in den Reservefonds zur
Deckung bestimmt ist. Wenn ich euch dieses Anerbieten auch teils meines
eignen Vorteils wegen, teils aus brüderlicher Gesinnung, wie sie in einer
Genossenschaft herrschen soll, mache, so dürft ihr nicht die Meinung hegen,
als beruhte diese neue Einrichtung nur auf Wohlwollen, es handelt sich viel¬
mehr um eine Vereinbarung, die euch volles Recht gewährt, sodaß ihr, wenn
ihr mein Anerbieten annehme, die etwa für euch entstehenden Ansprüche ge¬
richtlich geltend machen könnt. Es versteht sich übrigens von selbst, daß die
bisherige Fabrikordnung in Kraft verbleibt, bis wir uns etwa über ander¬
weitige Bestimmungen geeinigt haben werden. Auch steht es euch nach wie
vor frei, zu kündigen, wie ich mir auch dieses Recht vorbehalte. Die Gewinn¬
beteiligung gilt vorläufig für ein Jahr."

Die Zinsen stellen den Aufwand dar, den das Kapital für die Produktion
leistet, Gehalte und Arbeitslohn den Aufwand der Arbeit. Oder, könnte man
sagen: die Zinsen nebst der Prämie für das Risiko bezeichnen den Wert, der
durch die Produktion aufgebracht werden und ..... ""s Kapital zu erhalten.
Gehalte und Arbeitslohn-- ^^t dar, der zur Erzeugung der Arbeits¬
kräfte ^s"^"^ ist. Es leuchtet ein, daß es große Schwierigkeiten bietet,
das gemeinschaftliche, dem Recht und de-r Billigkeit entsprechende Maß für
diese beiden Faktoren der Produktion zu finden. Vor der Hand wird nichts
weiter übrig bleiben, als zunächst von den Zur Zeit Glieder Gehalten und
Löhnen auszugehen, wenn °"<H selbstverständlich der Begriff „Lohn" bei der


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[0593] Zur sozialen Frage sollten. Sowohl Aktienunternehmungen wie sonstige Privatunternehmungen eignen sich dazu. Der Fabrikbesitzer, der jetzt täglich befürchten muß, durch Widerwilligkeit seiner Arbeiter Störungen zu erleiden, sollte etwa in folgender Weise zu seinen Kommis, Werkmeistern und Arbeitern sprechen: „Ich begreife, daß das Geschüft so, wie es jetzt betrieben wird, nicht zur höchsten Blüte gelangen kaun. Ihr habt bisher für mich gearbeitet und dafür den bednngnen Lohn bezogen. Ihr sollt künftig für euch selbst und zugleich für mich arbeiten, und ebenso will ich für mich und zugleich für euch arbeiten. Wir wollen uns zusammenthun zu gemeinschaftlicher Arbeit und gemeinschaftlichem Ertrage, wir wollen eine Genossenschaft mit einander bilden, und ihr sollt je nach euern Leistungen an dem Ertrage des Geschäftes teilnehmen. Ich betrachte fortan euern Lohn und euern Gehalt, der den jetzigen Gewohnheiten entspricht, als Vorschüsse, die zugleich den Maßstab eurer Beteiligung am Reinertrage abgeben sollen. Mein Kapital soll mit x Prozent verzinst, und für das Ge¬ schäftsrisiko soll ein Prozent in einen Reservefonds gelegt werden. Für meine eigne Geschäftsleitung bedinge ich mir x Mark. Was von dem Ertrage des Geschäftes nach Abzug aller Kosten, Gehalte, Löhne, Zinsen und meines eignen Gehaltes übrig bleibt, wird in der Weise verteilt, daß alle Löhne, Gehalte und Zinsen pro ratg. teilnehmen. An einem etwaigen Fehlbetrag am Ende des Jahres seid ihr unbeteiligt, da die Einlage in den Reservefonds zur Deckung bestimmt ist. Wenn ich euch dieses Anerbieten auch teils meines eignen Vorteils wegen, teils aus brüderlicher Gesinnung, wie sie in einer Genossenschaft herrschen soll, mache, so dürft ihr nicht die Meinung hegen, als beruhte diese neue Einrichtung nur auf Wohlwollen, es handelt sich viel¬ mehr um eine Vereinbarung, die euch volles Recht gewährt, sodaß ihr, wenn ihr mein Anerbieten annehme, die etwa für euch entstehenden Ansprüche ge¬ richtlich geltend machen könnt. Es versteht sich übrigens von selbst, daß die bisherige Fabrikordnung in Kraft verbleibt, bis wir uns etwa über ander¬ weitige Bestimmungen geeinigt haben werden. Auch steht es euch nach wie vor frei, zu kündigen, wie ich mir auch dieses Recht vorbehalte. Die Gewinn¬ beteiligung gilt vorläufig für ein Jahr." Die Zinsen stellen den Aufwand dar, den das Kapital für die Produktion leistet, Gehalte und Arbeitslohn den Aufwand der Arbeit. Oder, könnte man sagen: die Zinsen nebst der Prämie für das Risiko bezeichnen den Wert, der durch die Produktion aufgebracht werden und ..... ""s Kapital zu erhalten. Gehalte und Arbeitslohn-- ^^t dar, der zur Erzeugung der Arbeits¬ kräfte ^s"^"^ ist. Es leuchtet ein, daß es große Schwierigkeiten bietet, das gemeinschaftliche, dem Recht und de-r Billigkeit entsprechende Maß für diese beiden Faktoren der Produktion zu finden. Vor der Hand wird nichts weiter übrig bleiben, als zunächst von den Zur Zeit Glieder Gehalten und Löhnen auszugehen, wenn °"<H selbstverständlich der Begriff „Lohn" bei der Grenzboten IN 1^'74

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/593>, abgerufen am 26.08.2024.