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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Theodor Körners Vater

der verwaisten Maria Jakobina Stock, der Tochter des aus "Dichtung und
Wahrheit" bekannten, von Nürnberg eingewanderten Kupferstechers Stock, die
er im Breitkopfischen Hause kennen gelernt hatte, verlobt. Seine Eltern sahen
dieser Verbindung ihres Sohnes, für den sie andre Pläne in Bereitschaft haben
mochten, mit einer "Kupferstechermamsell," wie es in ihren Kreisen hieß, kaum
freudig entgegen. Überhaupt waren dem Vater die Bekanntschaften Christians
mit Künstlern und ähnlichen, in seinen Angen wohl "problematischen" Naturen
ein Dorn im Ange. Jedoch der ausgeprägte Wille des Sohnes machte sich
schon hier geltend. Nicht als ob er von der seltenen Schönheit seiner Braut
so hingenommen gewesen wäre, um sich überhaupt klarer Erkenntnis zu ver¬
schließen. Aber er hegte die feste Überzeugung, und die Zeit hat gelehrt, wie
richtig er zu urteilen verstand, in seiner "Minna" (vielleicht eine Zusammen-
ziehung aus Maria Jakobiua) das Wesen zu besitzen, das ihn dauernd be¬
glücken könnte. Noch nach zwanzig Jahren vermochte er an seinem Hochzeits¬
tage aufrichtigen Herzens zu schreiben:


Festlied gestimmt erwach ich und blicke dankbar gen Himmel,
Und er zeigt mir ein Bild, würdig des heutigen Tags.

Klar und mild ist die Blume, nur leichte Streifen von Wolken
Zeigen sich einzeln, doch bald hat sie ein Lüftchen verweht.

Alles umglänzt und verherrlicht vom Strahle der freundlichen Sonne ---
So ward einst meine Welt, Liebe, durch dich mir verklärt!


Der Vater war und blieb aber andrer Ansicht, und so hieß es für das
Brautpaar warten. Jedoch verstrich ihnen die Zeit durchaus nicht in trüb¬
seligen Harren, denn die Jugend läßt besonders in solcher Lage den Mut
so leicht nicht sinken. Zudem fanden sich sogar zwei Brautpaare in Stocks
mehr als einfacher Mansardenwohnung zu fröhlichem, besonders geistig be¬
lebten Verkehr zusammen. Der ältern Schwester Dorothea oder Doris hatte
sich ein junger begabter Schriftsteller, Ludwig Ferdinand Huber, genähert, sie
war eS, in deren auschlägigem Kopfe die Idee entstand, den durch Verfolgung
und Flucht mit dem Zauber der Romantik umwobenen Dichter der "Räuber"
in sinniger Art und Weise dnrch ein Geschenk zu überraschen und zu erfreuen.
Bekanntlich sandten die vier Verlobte" durch Vermittlung der Schwanschen
Buchhandlung kleine Zeichen der Verehrung nach Mannheim, uuter denen
außer einem von Körner selbst kompouirteu Liede aus den Räubern die von
Doris gemalten Bilder der Absender die ansprechendsten sein mochten. Weniger
bekannt möchte sein, daß durch diese Annäherung Schiller vor nicht unwahr¬
scheinlichen Untergange bewahrt blieb. Noch ans Mannheim schrieb er an
seine Leipziger Verehrer: "Ich kaun nicht mehr Hierbleiben. Zwölf Tage habe
ichs in meinem Herzen herumgetragen, wie den Entschluß, aus der Welt zu
gehen. Menschen, Verhältnisse, Erdreich und Himmel sind mir zuwider."
Dazu ergänzt Friedrich Förster: "Diesen Entschluß, "aus der Welt zu gehen,"


Theodor Körners Vater

der verwaisten Maria Jakobina Stock, der Tochter des aus „Dichtung und
Wahrheit" bekannten, von Nürnberg eingewanderten Kupferstechers Stock, die
er im Breitkopfischen Hause kennen gelernt hatte, verlobt. Seine Eltern sahen
dieser Verbindung ihres Sohnes, für den sie andre Pläne in Bereitschaft haben
mochten, mit einer „Kupferstechermamsell," wie es in ihren Kreisen hieß, kaum
freudig entgegen. Überhaupt waren dem Vater die Bekanntschaften Christians
mit Künstlern und ähnlichen, in seinen Angen wohl „problematischen" Naturen
ein Dorn im Ange. Jedoch der ausgeprägte Wille des Sohnes machte sich
schon hier geltend. Nicht als ob er von der seltenen Schönheit seiner Braut
so hingenommen gewesen wäre, um sich überhaupt klarer Erkenntnis zu ver¬
schließen. Aber er hegte die feste Überzeugung, und die Zeit hat gelehrt, wie
richtig er zu urteilen verstand, in seiner „Minna" (vielleicht eine Zusammen-
ziehung aus Maria Jakobiua) das Wesen zu besitzen, das ihn dauernd be¬
glücken könnte. Noch nach zwanzig Jahren vermochte er an seinem Hochzeits¬
tage aufrichtigen Herzens zu schreiben:


Festlied gestimmt erwach ich und blicke dankbar gen Himmel,
Und er zeigt mir ein Bild, würdig des heutigen Tags.

Klar und mild ist die Blume, nur leichte Streifen von Wolken
Zeigen sich einzeln, doch bald hat sie ein Lüftchen verweht.

Alles umglänzt und verherrlicht vom Strahle der freundlichen Sonne -—
So ward einst meine Welt, Liebe, durch dich mir verklärt!


Der Vater war und blieb aber andrer Ansicht, und so hieß es für das
Brautpaar warten. Jedoch verstrich ihnen die Zeit durchaus nicht in trüb¬
seligen Harren, denn die Jugend läßt besonders in solcher Lage den Mut
so leicht nicht sinken. Zudem fanden sich sogar zwei Brautpaare in Stocks
mehr als einfacher Mansardenwohnung zu fröhlichem, besonders geistig be¬
lebten Verkehr zusammen. Der ältern Schwester Dorothea oder Doris hatte
sich ein junger begabter Schriftsteller, Ludwig Ferdinand Huber, genähert, sie
war eS, in deren auschlägigem Kopfe die Idee entstand, den durch Verfolgung
und Flucht mit dem Zauber der Romantik umwobenen Dichter der „Räuber"
in sinniger Art und Weise dnrch ein Geschenk zu überraschen und zu erfreuen.
Bekanntlich sandten die vier Verlobte» durch Vermittlung der Schwanschen
Buchhandlung kleine Zeichen der Verehrung nach Mannheim, uuter denen
außer einem von Körner selbst kompouirteu Liede aus den Räubern die von
Doris gemalten Bilder der Absender die ansprechendsten sein mochten. Weniger
bekannt möchte sein, daß durch diese Annäherung Schiller vor nicht unwahr¬
scheinlichen Untergange bewahrt blieb. Noch ans Mannheim schrieb er an
seine Leipziger Verehrer: „Ich kaun nicht mehr Hierbleiben. Zwölf Tage habe
ichs in meinem Herzen herumgetragen, wie den Entschluß, aus der Welt zu
gehen. Menschen, Verhältnisse, Erdreich und Himmel sind mir zuwider."
Dazu ergänzt Friedrich Förster: „Diesen Entschluß, »aus der Welt zu gehen,«


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/570>, abgerufen am 24.07.2024.