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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Zur sozialen Frage

schließlich nicht bloß das Ansehen des Standes in der öffentlichen Meinung,
sondern in der That auch die geistige und gesellschaftliche Stufe, auf der er
sich früher befand, sinken muß. Die Frage nach der Verhütung eines solchen,
doch gewiß nicht leicht zu nehmenden Mißstandes dürfte wohl ernstlicher Er¬
wägung wert sein.

Wenn die öffentliche Meinung ihre Gunst von dem Nichterstcmde ab¬
gewandt hat, weil dieser den Aufgaben der heutigen Zeit ferner steht, als
andere Berufsstände, so ist das an sich noch keine bedenkliche Erscheinung,
dürfte aber immerhin die Justizverwaltung darauf aufmerksam machen, daß es
gut wäre, auch den Richterstand zur Mitwirkung bei Lösung dieser neuen
Aufgaben, wo es angeht, heranzuziehen. Als ein erfreulicher Anfang in dieser
Richtung darf es begrüßt werden, daß in Preußen jetzt die Amtsrichter in
größerm Umfange zu Vorsitzenden der Schiedsgerichte für die Alters- und
Jnvaliditütsversicheruug bestellt worden sind, ein Schritt, dem hoffentlich bei
dein weitern Ausbau der Versicherungsgesetzgebung (namentlich hinsichtlich des
Verfahrens dürften sich im Lauf der Zeit uoch manche Verbesserungen nötig
erweisen) ähnliche folgen werden. Durch solche Maßregeln wird es gewiß
gelinge", den Richterstand wieder an die Stelle zu rücken, die er vor der
öffentlichen Meinung einzunehmen beanspruchen darf. Die erste und unum¬
gänglichste Voraussetzung dazu, und namentlich auch dazu, ihm wieder den
Nachwuchs aus den gesellschaftlichen Schichten zu sichern, die ihn jetzt im
Stich lassen, wäre freilich größere Strenge bei der Zulassung schon zum Vor¬
bereitungsdienst, unnachsichtiges Fernhalten aller zweifelhaften, namentlich eines
ihrer Herkunft nach ungeeigneten Elementen, und vor allein die Beseitigung
des überwuchernden jüdischen Elements. Das letzte ist vielleicht die Haupt¬
sache. Gerade damit aber hat es, fürchten wir, gute Wege.




Zur sozialen Frage
2

ir haben es als den Kern der sozialen Frage bezeichnet, daß
der Arbeiter nicht für sich selbst arbeitet, und daß er mit Lohn
abgefunden wird, anstatt an dem Ertrage teilzunehmen. Nun
könnte man, um jede weitere Erörterung abzuschneiden, behaupten,
es könne nach der Natur der Dinge nicht anders sein. Die
Arbeiter hätten nicht die Mittel, sich bis zur Feststellung des Ertrages des Unter¬
nehmens selbst zu erhalten, und ebenso wenig wären sie imstande, an Verlusten


Zur sozialen Frage

schließlich nicht bloß das Ansehen des Standes in der öffentlichen Meinung,
sondern in der That auch die geistige und gesellschaftliche Stufe, auf der er
sich früher befand, sinken muß. Die Frage nach der Verhütung eines solchen,
doch gewiß nicht leicht zu nehmenden Mißstandes dürfte wohl ernstlicher Er¬
wägung wert sein.

Wenn die öffentliche Meinung ihre Gunst von dem Nichterstcmde ab¬
gewandt hat, weil dieser den Aufgaben der heutigen Zeit ferner steht, als
andere Berufsstände, so ist das an sich noch keine bedenkliche Erscheinung,
dürfte aber immerhin die Justizverwaltung darauf aufmerksam machen, daß es
gut wäre, auch den Richterstand zur Mitwirkung bei Lösung dieser neuen
Aufgaben, wo es angeht, heranzuziehen. Als ein erfreulicher Anfang in dieser
Richtung darf es begrüßt werden, daß in Preußen jetzt die Amtsrichter in
größerm Umfange zu Vorsitzenden der Schiedsgerichte für die Alters- und
Jnvaliditütsversicheruug bestellt worden sind, ein Schritt, dem hoffentlich bei
dein weitern Ausbau der Versicherungsgesetzgebung (namentlich hinsichtlich des
Verfahrens dürften sich im Lauf der Zeit uoch manche Verbesserungen nötig
erweisen) ähnliche folgen werden. Durch solche Maßregeln wird es gewiß
gelinge», den Richterstand wieder an die Stelle zu rücken, die er vor der
öffentlichen Meinung einzunehmen beanspruchen darf. Die erste und unum¬
gänglichste Voraussetzung dazu, und namentlich auch dazu, ihm wieder den
Nachwuchs aus den gesellschaftlichen Schichten zu sichern, die ihn jetzt im
Stich lassen, wäre freilich größere Strenge bei der Zulassung schon zum Vor¬
bereitungsdienst, unnachsichtiges Fernhalten aller zweifelhaften, namentlich eines
ihrer Herkunft nach ungeeigneten Elementen, und vor allein die Beseitigung
des überwuchernden jüdischen Elements. Das letzte ist vielleicht die Haupt¬
sache. Gerade damit aber hat es, fürchten wir, gute Wege.




Zur sozialen Frage
2

ir haben es als den Kern der sozialen Frage bezeichnet, daß
der Arbeiter nicht für sich selbst arbeitet, und daß er mit Lohn
abgefunden wird, anstatt an dem Ertrage teilzunehmen. Nun
könnte man, um jede weitere Erörterung abzuschneiden, behaupten,
es könne nach der Natur der Dinge nicht anders sein. Die
Arbeiter hätten nicht die Mittel, sich bis zur Feststellung des Ertrages des Unter¬
nehmens selbst zu erhalten, und ebenso wenig wären sie imstande, an Verlusten


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[0559] Zur sozialen Frage schließlich nicht bloß das Ansehen des Standes in der öffentlichen Meinung, sondern in der That auch die geistige und gesellschaftliche Stufe, auf der er sich früher befand, sinken muß. Die Frage nach der Verhütung eines solchen, doch gewiß nicht leicht zu nehmenden Mißstandes dürfte wohl ernstlicher Er¬ wägung wert sein. Wenn die öffentliche Meinung ihre Gunst von dem Nichterstcmde ab¬ gewandt hat, weil dieser den Aufgaben der heutigen Zeit ferner steht, als andere Berufsstände, so ist das an sich noch keine bedenkliche Erscheinung, dürfte aber immerhin die Justizverwaltung darauf aufmerksam machen, daß es gut wäre, auch den Richterstand zur Mitwirkung bei Lösung dieser neuen Aufgaben, wo es angeht, heranzuziehen. Als ein erfreulicher Anfang in dieser Richtung darf es begrüßt werden, daß in Preußen jetzt die Amtsrichter in größerm Umfange zu Vorsitzenden der Schiedsgerichte für die Alters- und Jnvaliditütsversicheruug bestellt worden sind, ein Schritt, dem hoffentlich bei dein weitern Ausbau der Versicherungsgesetzgebung (namentlich hinsichtlich des Verfahrens dürften sich im Lauf der Zeit uoch manche Verbesserungen nötig erweisen) ähnliche folgen werden. Durch solche Maßregeln wird es gewiß gelinge», den Richterstand wieder an die Stelle zu rücken, die er vor der öffentlichen Meinung einzunehmen beanspruchen darf. Die erste und unum¬ gänglichste Voraussetzung dazu, und namentlich auch dazu, ihm wieder den Nachwuchs aus den gesellschaftlichen Schichten zu sichern, die ihn jetzt im Stich lassen, wäre freilich größere Strenge bei der Zulassung schon zum Vor¬ bereitungsdienst, unnachsichtiges Fernhalten aller zweifelhaften, namentlich eines ihrer Herkunft nach ungeeigneten Elementen, und vor allein die Beseitigung des überwuchernden jüdischen Elements. Das letzte ist vielleicht die Haupt¬ sache. Gerade damit aber hat es, fürchten wir, gute Wege. Zur sozialen Frage 2 ir haben es als den Kern der sozialen Frage bezeichnet, daß der Arbeiter nicht für sich selbst arbeitet, und daß er mit Lohn abgefunden wird, anstatt an dem Ertrage teilzunehmen. Nun könnte man, um jede weitere Erörterung abzuschneiden, behaupten, es könne nach der Natur der Dinge nicht anders sein. Die Arbeiter hätten nicht die Mittel, sich bis zur Feststellung des Ertrages des Unter¬ nehmens selbst zu erhalten, und ebenso wenig wären sie imstande, an Verlusten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/559>, abgerufen am 13.11.2024.