Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Zunächst wich er in nördlicher Richtung aus, um dann auf Umwege"
wenigstens nach Laon zu gelangen. Auf grundlos gewordnen Straßen, unter
vielfachen Störungen, aber ohne vom Gegner erreicht zu sein, traf er morgens
Uhr in Chaumont Porcien ein, wo ein zweistündiger Halt gemacht
wurde. Die Beschaffenheit der Wege zwang nun aber, wieder die südliche
Richtung einzuhalten, und als die Tete Svraineourt erreichte, verkündeten
Kanonenschüsse, daß die Queue vom Feinde angegriffen worden sei.

Die preußische Kavallerie hatte früh morgens den Abmarsch der Fran¬
zosen entdeckt, aber diese wichtige Mitteilung traf den General v. Hoffmann
nicht mehr in Ecly. Dieser war bereits von dort aufgebrochen, um den
Gegner in Novivn-Porcien aufzusuchen, wo man ihn nach seinem ersten nächt¬
lichen Marsche allerdings vermuten durfte, fand nun aber um 9'/z Uhr den
Ort geräumt. Die deutsche und die französische Division waren sonach am
Vormittag auf Entfernung von einer Meile (!) in entgegengesetzter Richtung
aneinander vorbei marschiert. Moltke fügt hinzu, nicht unbemerkt und nicht
unbehindert hätte dieser Marsch des Gegners angesichts zweier Kavallerie¬
divisionen bleiben dürfen.

Es würde uns zu weit führen, auf die zwar vornehme, aber herbe Kritik
einzugehen, die Moltke an den Operationen des Großherzogs von Mecklenburg
bei seinem Vorgehen nach Beaugency ausübt. Der Feldherr ist übrigens
ehrlich genug, an einzelnen Stellen einzugestehen, daß er sich selbst nicht von
Fehlern freispreche. So sagt er bei der Schilderung der Schlacht bei Grave-
lotte, als die abends eintreffenden Pommern den Wunsch aussprachen, noch
an demselben Tage an den Feind zu gelangen: "Es wäre richtiger gewesen,
wenn der zur Stelle anwesende Chef des Generalstcibes der Armee dies Vor¬
gehen in so später Abendstunde nicht gewährt hätte. Eine völlig intakte
Kerntruppe konnte am folgenden Tage sehr erwünscht sein, an diesem Abend
aber hier kaum noch einen entscheidenden Umschwung herbeiführen."

Bitter beklagt sich Moltke über die Rücksichtslosigkeit, die die sogenannte
"zweite Staffel" des Hauptquartiers gegen ihn, den Vielgeplngten, zu zeigen
pflegte. Nach der Beendigung der Schlacht bei Beaumont war der König,
da man alle nähern Ortschaften mit Verwundeten belegt fand, nach Buzcmch
zurückgeritten. "Wie schon in Clermont, erzählt Moltke, machte sich hier die
schwere Belästigung geltend, die aus Hunderte" von hohen Gästen und ihrem
Gefolge erwuchs, wenn das Hauptquartier nicht immer nach großen Städten,
sondern auch einmal nach den militärisch richtigen (es muß wohl heißen "wich¬
tigen") kleinern Orten verlegt wurde. Nur mit größter Mühe gelang es, Spuk
in der Nacht ein Unterkommen für diejenigen zu erlangen, die für den fol¬
genden Tag die nötigen Befehle vorzubereiten hatten." Hoffentlich wird diese
trockene, aber bittere Vemerknng Moltkes genügen, künftighin den Zuschauern
weniger Freiheiten zu gestatten.


Zunächst wich er in nördlicher Richtung aus, um dann auf Umwege»
wenigstens nach Laon zu gelangen. Auf grundlos gewordnen Straßen, unter
vielfachen Störungen, aber ohne vom Gegner erreicht zu sein, traf er morgens
Uhr in Chaumont Porcien ein, wo ein zweistündiger Halt gemacht
wurde. Die Beschaffenheit der Wege zwang nun aber, wieder die südliche
Richtung einzuhalten, und als die Tete Svraineourt erreichte, verkündeten
Kanonenschüsse, daß die Queue vom Feinde angegriffen worden sei.

Die preußische Kavallerie hatte früh morgens den Abmarsch der Fran¬
zosen entdeckt, aber diese wichtige Mitteilung traf den General v. Hoffmann
nicht mehr in Ecly. Dieser war bereits von dort aufgebrochen, um den
Gegner in Novivn-Porcien aufzusuchen, wo man ihn nach seinem ersten nächt¬
lichen Marsche allerdings vermuten durfte, fand nun aber um 9'/z Uhr den
Ort geräumt. Die deutsche und die französische Division waren sonach am
Vormittag auf Entfernung von einer Meile (!) in entgegengesetzter Richtung
aneinander vorbei marschiert. Moltke fügt hinzu, nicht unbemerkt und nicht
unbehindert hätte dieser Marsch des Gegners angesichts zweier Kavallerie¬
divisionen bleiben dürfen.

Es würde uns zu weit führen, auf die zwar vornehme, aber herbe Kritik
einzugehen, die Moltke an den Operationen des Großherzogs von Mecklenburg
bei seinem Vorgehen nach Beaugency ausübt. Der Feldherr ist übrigens
ehrlich genug, an einzelnen Stellen einzugestehen, daß er sich selbst nicht von
Fehlern freispreche. So sagt er bei der Schilderung der Schlacht bei Grave-
lotte, als die abends eintreffenden Pommern den Wunsch aussprachen, noch
an demselben Tage an den Feind zu gelangen: „Es wäre richtiger gewesen,
wenn der zur Stelle anwesende Chef des Generalstcibes der Armee dies Vor¬
gehen in so später Abendstunde nicht gewährt hätte. Eine völlig intakte
Kerntruppe konnte am folgenden Tage sehr erwünscht sein, an diesem Abend
aber hier kaum noch einen entscheidenden Umschwung herbeiführen."

Bitter beklagt sich Moltke über die Rücksichtslosigkeit, die die sogenannte
„zweite Staffel" des Hauptquartiers gegen ihn, den Vielgeplngten, zu zeigen
pflegte. Nach der Beendigung der Schlacht bei Beaumont war der König,
da man alle nähern Ortschaften mit Verwundeten belegt fand, nach Buzcmch
zurückgeritten. „Wie schon in Clermont, erzählt Moltke, machte sich hier die
schwere Belästigung geltend, die aus Hunderte» von hohen Gästen und ihrem
Gefolge erwuchs, wenn das Hauptquartier nicht immer nach großen Städten,
sondern auch einmal nach den militärisch richtigen (es muß wohl heißen „wich¬
tigen") kleinern Orten verlegt wurde. Nur mit größter Mühe gelang es, Spuk
in der Nacht ein Unterkommen für diejenigen zu erlangen, die für den fol¬
genden Tag die nötigen Befehle vorzubereiten hatten." Hoffentlich wird diese
trockene, aber bittere Vemerknng Moltkes genügen, künftighin den Zuschauern
weniger Freiheiten zu gestatten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0546" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290315"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1624"> Zunächst wich er in nördlicher Richtung aus, um dann auf Umwege»<lb/>
wenigstens nach Laon zu gelangen. Auf grundlos gewordnen Straßen, unter<lb/>
vielfachen Störungen, aber ohne vom Gegner erreicht zu sein, traf er morgens<lb/>
Uhr in Chaumont Porcien ein, wo ein zweistündiger Halt gemacht<lb/>
wurde. Die Beschaffenheit der Wege zwang nun aber, wieder die südliche<lb/>
Richtung einzuhalten, und als die Tete Svraineourt erreichte, verkündeten<lb/>
Kanonenschüsse, daß die Queue vom Feinde angegriffen worden sei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1625"> Die preußische Kavallerie hatte früh morgens den Abmarsch der Fran¬<lb/>
zosen entdeckt, aber diese wichtige Mitteilung traf den General v. Hoffmann<lb/>
nicht mehr in Ecly. Dieser war bereits von dort aufgebrochen, um den<lb/>
Gegner in Novivn-Porcien aufzusuchen, wo man ihn nach seinem ersten nächt¬<lb/>
lichen Marsche allerdings vermuten durfte, fand nun aber um 9'/z Uhr den<lb/>
Ort geräumt. Die deutsche und die französische Division waren sonach am<lb/>
Vormittag auf Entfernung von einer Meile (!) in entgegengesetzter Richtung<lb/>
aneinander vorbei marschiert. Moltke fügt hinzu, nicht unbemerkt und nicht<lb/>
unbehindert hätte dieser Marsch des Gegners angesichts zweier Kavallerie¬<lb/>
divisionen bleiben dürfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1626"> Es würde uns zu weit führen, auf die zwar vornehme, aber herbe Kritik<lb/>
einzugehen, die Moltke an den Operationen des Großherzogs von Mecklenburg<lb/>
bei seinem Vorgehen nach Beaugency ausübt. Der Feldherr ist übrigens<lb/>
ehrlich genug, an einzelnen Stellen einzugestehen, daß er sich selbst nicht von<lb/>
Fehlern freispreche. So sagt er bei der Schilderung der Schlacht bei Grave-<lb/>
lotte, als die abends eintreffenden Pommern den Wunsch aussprachen, noch<lb/>
an demselben Tage an den Feind zu gelangen: &#x201E;Es wäre richtiger gewesen,<lb/>
wenn der zur Stelle anwesende Chef des Generalstcibes der Armee dies Vor¬<lb/>
gehen in so später Abendstunde nicht gewährt hätte. Eine völlig intakte<lb/>
Kerntruppe konnte am folgenden Tage sehr erwünscht sein, an diesem Abend<lb/>
aber hier kaum noch einen entscheidenden Umschwung herbeiführen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1627"> Bitter beklagt sich Moltke über die Rücksichtslosigkeit, die die sogenannte<lb/>
&#x201E;zweite Staffel" des Hauptquartiers gegen ihn, den Vielgeplngten, zu zeigen<lb/>
pflegte. Nach der Beendigung der Schlacht bei Beaumont war der König,<lb/>
da man alle nähern Ortschaften mit Verwundeten belegt fand, nach Buzcmch<lb/>
zurückgeritten. &#x201E;Wie schon in Clermont, erzählt Moltke, machte sich hier die<lb/>
schwere Belästigung geltend, die aus Hunderte» von hohen Gästen und ihrem<lb/>
Gefolge erwuchs, wenn das Hauptquartier nicht immer nach großen Städten,<lb/>
sondern auch einmal nach den militärisch richtigen (es muß wohl heißen &#x201E;wich¬<lb/>
tigen") kleinern Orten verlegt wurde. Nur mit größter Mühe gelang es, Spuk<lb/>
in der Nacht ein Unterkommen für diejenigen zu erlangen, die für den fol¬<lb/>
genden Tag die nötigen Befehle vorzubereiten hatten." Hoffentlich wird diese<lb/>
trockene, aber bittere Vemerknng Moltkes genügen, künftighin den Zuschauern<lb/>
weniger Freiheiten zu gestatten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0546] Zunächst wich er in nördlicher Richtung aus, um dann auf Umwege» wenigstens nach Laon zu gelangen. Auf grundlos gewordnen Straßen, unter vielfachen Störungen, aber ohne vom Gegner erreicht zu sein, traf er morgens Uhr in Chaumont Porcien ein, wo ein zweistündiger Halt gemacht wurde. Die Beschaffenheit der Wege zwang nun aber, wieder die südliche Richtung einzuhalten, und als die Tete Svraineourt erreichte, verkündeten Kanonenschüsse, daß die Queue vom Feinde angegriffen worden sei. Die preußische Kavallerie hatte früh morgens den Abmarsch der Fran¬ zosen entdeckt, aber diese wichtige Mitteilung traf den General v. Hoffmann nicht mehr in Ecly. Dieser war bereits von dort aufgebrochen, um den Gegner in Novivn-Porcien aufzusuchen, wo man ihn nach seinem ersten nächt¬ lichen Marsche allerdings vermuten durfte, fand nun aber um 9'/z Uhr den Ort geräumt. Die deutsche und die französische Division waren sonach am Vormittag auf Entfernung von einer Meile (!) in entgegengesetzter Richtung aneinander vorbei marschiert. Moltke fügt hinzu, nicht unbemerkt und nicht unbehindert hätte dieser Marsch des Gegners angesichts zweier Kavallerie¬ divisionen bleiben dürfen. Es würde uns zu weit führen, auf die zwar vornehme, aber herbe Kritik einzugehen, die Moltke an den Operationen des Großherzogs von Mecklenburg bei seinem Vorgehen nach Beaugency ausübt. Der Feldherr ist übrigens ehrlich genug, an einzelnen Stellen einzugestehen, daß er sich selbst nicht von Fehlern freispreche. So sagt er bei der Schilderung der Schlacht bei Grave- lotte, als die abends eintreffenden Pommern den Wunsch aussprachen, noch an demselben Tage an den Feind zu gelangen: „Es wäre richtiger gewesen, wenn der zur Stelle anwesende Chef des Generalstcibes der Armee dies Vor¬ gehen in so später Abendstunde nicht gewährt hätte. Eine völlig intakte Kerntruppe konnte am folgenden Tage sehr erwünscht sein, an diesem Abend aber hier kaum noch einen entscheidenden Umschwung herbeiführen." Bitter beklagt sich Moltke über die Rücksichtslosigkeit, die die sogenannte „zweite Staffel" des Hauptquartiers gegen ihn, den Vielgeplngten, zu zeigen pflegte. Nach der Beendigung der Schlacht bei Beaumont war der König, da man alle nähern Ortschaften mit Verwundeten belegt fand, nach Buzcmch zurückgeritten. „Wie schon in Clermont, erzählt Moltke, machte sich hier die schwere Belästigung geltend, die aus Hunderte» von hohen Gästen und ihrem Gefolge erwuchs, wenn das Hauptquartier nicht immer nach großen Städten, sondern auch einmal nach den militärisch richtigen (es muß wohl heißen „wich¬ tigen") kleinern Orten verlegt wurde. Nur mit größter Mühe gelang es, Spuk in der Nacht ein Unterkommen für diejenigen zu erlangen, die für den fol¬ genden Tag die nötigen Befehle vorzubereiten hatten." Hoffentlich wird diese trockene, aber bittere Vemerknng Moltkes genügen, künftighin den Zuschauern weniger Freiheiten zu gestatten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/546
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/546>, abgerufen am 26.08.2024.