Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Vorgängen im Gehirn? fragte Wirklich. Und wie steht es um die Realität Wirklich erwiderte nichts. Simmer aber sprach, mehr für sich als zu dem
Maßgebliches und Unmaßgebliches Interviewen. Zu den seltsamsten Erscheinungen unsrer an Seltsamkeiten Maßgebliches und Unmaßgebliches Vorgängen im Gehirn? fragte Wirklich. Und wie steht es um die Realität Wirklich erwiderte nichts. Simmer aber sprach, mehr für sich als zu dem
Maßgebliches und Unmaßgebliches Interviewen. Zu den seltsamsten Erscheinungen unsrer an Seltsamkeiten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0533" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290302"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1592" prev="#ID_1591"> Vorgängen im Gehirn? fragte Wirklich. Und wie steht es um die Realität<lb/> von Raum und Zeit und die so ganz unerschütterliche der Materie? entgegnete<lb/> Simmer. Das Wesen, das wir soeben beobachteten, lebte und bewegte sich in<lb/> einem Raume, der nicht ist, es hatte eine Zeit hinter sich, die nicht war. Die<lb/> Materie, die es sah und fühlte, war nichtig, die Menschen, mit denen es sprach,<lb/> waren weniger als ein Schatten. Nichts war wirklich, als es selbst, und die<lb/> kurze Spanne Zeit, in der wir es vernahmen. Nicht einmal die Naturgesetze,<lb/> nach denen sich seine Welt bewegte, sind wirklich, und doch erschien ihm alles<lb/> so real wie uns, und mit Hohnlachen wies es den Versuch, seine Welt zu<lb/> leugnen, zurück. Sollte es nicht einen Standpunkt geben, von dem auch unsre<lb/> Welt, unsre Zeit, das, was wir Naturgesetze nennen, ja wir selbst ebenso nichtig<lb/> aussehen wie Herr Nemo und seine Welt?</p><lb/> <p xml:id="ID_1593"> Wirklich erwiderte nichts. Simmer aber sprach, mehr für sich als zu dem<lb/> andern gewendet, die Verse:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_34" type="poem"> <l> Geheimnisvoll am lichten Tag<lb/> Läßt sich Natur des Schleiers nicht berauben,<lb/> Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag,<lb/> Das zwingst dn ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben.</l> </lg> </quote><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Interviewen.</head> <p xml:id="ID_1594" next="#ID_1595"> Zu den seltsamsten Erscheinungen unsrer an Seltsamkeiten<lb/> recht reichen Zeit gehört es wohl, daß Männer in hoher Staatsstellung sich her¬<lb/> beilassen, den Besuch van Journalisten anzunehmen, die mit der ausgesprochnen<lb/> Absicht erscheinen, sie auszukundschaften. Wenn die Leiter hervorragender politischer<lb/> Blätter die Gelegenheit suchen, ihre Kenntnis der in Regiernngskreisen herrschenden<lb/> Auffassung bestimmten Fragen an der Quelle zu schöpfen, so ist das ebenso natür¬<lb/> lich, als daß Staatsmänner solchen Bemühungen mittelbar oder unmittelbar ent¬<lb/> gegenkommen, falls sie sich darauf verlassen können, daß die Erkundigungen im<lb/> Interesse des Staates eingezogen und taktvoll benutzt werden. Aber Publizisten<lb/> im wahren Sinne des Wortes, Männer, die es mit ihrer wichtigen Aufgabe ernst<lb/> nehmen, sind es ja nicht, die einen fremden Gesandten, Minister, General über¬<lb/> fallen, um ein oft höchst abgeschmacktes Examen mit ihnen anzustellen und das<lb/> Frag- und Antwortspiel brühwarm an eine Zeitung zu schicken, sondern in der<lb/> Regel „rontinirte lüoiviois voznAoni's," die statt in Barchent oder Cigarren in<lb/> Politik machen, weil ihnen dies Geschäft einträglicher erscheint. Sie leihen dann<lb/> in ihren Berichten die eigentümliche Beredsamkeit ihres Standes großmütig der<lb/> „Kundschaft," d. h. dein „interviewten" Staatsmanne, Plaudern rücksichtslos ver-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0533]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Vorgängen im Gehirn? fragte Wirklich. Und wie steht es um die Realität
von Raum und Zeit und die so ganz unerschütterliche der Materie? entgegnete
Simmer. Das Wesen, das wir soeben beobachteten, lebte und bewegte sich in
einem Raume, der nicht ist, es hatte eine Zeit hinter sich, die nicht war. Die
Materie, die es sah und fühlte, war nichtig, die Menschen, mit denen es sprach,
waren weniger als ein Schatten. Nichts war wirklich, als es selbst, und die
kurze Spanne Zeit, in der wir es vernahmen. Nicht einmal die Naturgesetze,
nach denen sich seine Welt bewegte, sind wirklich, und doch erschien ihm alles
so real wie uns, und mit Hohnlachen wies es den Versuch, seine Welt zu
leugnen, zurück. Sollte es nicht einen Standpunkt geben, von dem auch unsre
Welt, unsre Zeit, das, was wir Naturgesetze nennen, ja wir selbst ebenso nichtig
aussehen wie Herr Nemo und seine Welt?
Wirklich erwiderte nichts. Simmer aber sprach, mehr für sich als zu dem
andern gewendet, die Verse:
Geheimnisvoll am lichten Tag
Läßt sich Natur des Schleiers nicht berauben,
Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag,
Das zwingst dn ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben.
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Interviewen. Zu den seltsamsten Erscheinungen unsrer an Seltsamkeiten
recht reichen Zeit gehört es wohl, daß Männer in hoher Staatsstellung sich her¬
beilassen, den Besuch van Journalisten anzunehmen, die mit der ausgesprochnen
Absicht erscheinen, sie auszukundschaften. Wenn die Leiter hervorragender politischer
Blätter die Gelegenheit suchen, ihre Kenntnis der in Regiernngskreisen herrschenden
Auffassung bestimmten Fragen an der Quelle zu schöpfen, so ist das ebenso natür¬
lich, als daß Staatsmänner solchen Bemühungen mittelbar oder unmittelbar ent¬
gegenkommen, falls sie sich darauf verlassen können, daß die Erkundigungen im
Interesse des Staates eingezogen und taktvoll benutzt werden. Aber Publizisten
im wahren Sinne des Wortes, Männer, die es mit ihrer wichtigen Aufgabe ernst
nehmen, sind es ja nicht, die einen fremden Gesandten, Minister, General über¬
fallen, um ein oft höchst abgeschmacktes Examen mit ihnen anzustellen und das
Frag- und Antwortspiel brühwarm an eine Zeitung zu schicken, sondern in der
Regel „rontinirte lüoiviois voznAoni's," die statt in Barchent oder Cigarren in
Politik machen, weil ihnen dies Geschäft einträglicher erscheint. Sie leihen dann
in ihren Berichten die eigentümliche Beredsamkeit ihres Standes großmütig der
„Kundschaft," d. h. dein „interviewten" Staatsmanne, Plaudern rücksichtslos ver-
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