Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Rechts lind links zur See

Backbord, und nur die dem Ruf entsprechende Bewegung des meist unsicht¬
baren Griffes oder Pinne nach Steuerbord. Es stimmte also alles mit dein
Ruf oder dem Kommando überein, nur nicht die Pinne, mithin war das
Kommando der Ausdruck für ein Ding, das man meistens nicht sah.

Für Seeleute, die von Jugend auf daran gewöhnt waren, hatte das
nichts Befremdendes; man pflegte darüber nicht viel nachzudenken. Wer aber
nachdachte, erkannte das Widersprechende, und die, bei denen die Gewohnheit
nicht stärker war, als der Gedanke, konnten sich einer gewissen Unruhe darüber
nicht erwehren.

Das riesige Anwachsen des Verkehrs, die durch den Dampf gewachsene
Schnelligkeit im Verkehr trugen noch zu weiter" Befürchtungen bei; gewisse
Seemächte bemühten sich um eine internationale Regelung und Vereinfachung;
das gelang aber nicht, weil Seeleute am Hergebrachten hängen, und weil
-- mit aus diesem Grunde -- die herrschenden Seemächte, schon aus Selbst¬
bewußtsein, noch konservativer sind als andre Mächte.

Auf diese Weise kam es, daß gewisse Seemächte, namentlich Frankreich
und die Skandinavier, selbständig vorgingen; sie machten sich ein Verfahren
zur Regel, wonach auf den Ruf Steuerbord insgesamt alle die oben er¬
wähnten, die optischen sowohl wie die mechanischen Bewegungen in Steucr-
bordrichtnng erfolgten. Wer Steuerbord kommandirte, zeigte auch mit der
Hand nach Steuerbord, der Rndersmcmn drehte das Rad nach Steuerbord,
und auch der im Waffer befindliche, unmittelbar wirkende Ruderteil machte
seine Bewegung in derselben Richtung, während lediglich die unsichtbare Pinne
ihre ebenso unsichtbare Bewegung in entgegengesetzter Richtung vollzog.

Andre Seemächte zögerten zwar, dem Beispiel zu folgen, England und
Amerika legten Widerspruch ein; die deutsche Admiralität aber glaubte dem
von Frankreich gegebnen Beispiel folgen zu sollen und traf für die kaiserliche
Marine eine dem entsprechende Anordnung.

Man verhehlte sich aber nicht, daß eine volle Ausnutzung der Maßregel
erschwert werde, wenn sie nicht auf den gesamten Seeverkehr Deutschlands
ausgedehnt würde. Ein solches Hindernis war für den französischen Marine-
minister nicht vorhanden, weil das Marineministerium dort als allgemeine
obere Seebehörde maßgebend ist. Eine Änderung grundlegender Gebräuche
übt deshalb eine Wirkung auf die Gesamtheit. Im deutschen Reich ist das
nicht der Fall, und anstatt dem Beispiel der Admiralität zu folgen, erhoben
die Reedereien lebhaften Widerspruch.

Da die Maßregel auch in Marinekreisen nicht ungeteilten Beifall fand,
weil Seeleute eben gern an alten Gebräuchen Hunger, so mußte man gespannt
sein, ob sich die Sache einbürgern würde. Wider Erwarten verstummten aber
in Marinekreisen bald alle Widersprüche; man spürte den Nutzen der Verein-
fachung, und wo man konnte, gab man sich Mühe, auch weitere Kreise dafür


Rechts lind links zur See

Backbord, und nur die dem Ruf entsprechende Bewegung des meist unsicht¬
baren Griffes oder Pinne nach Steuerbord. Es stimmte also alles mit dein
Ruf oder dem Kommando überein, nur nicht die Pinne, mithin war das
Kommando der Ausdruck für ein Ding, das man meistens nicht sah.

Für Seeleute, die von Jugend auf daran gewöhnt waren, hatte das
nichts Befremdendes; man pflegte darüber nicht viel nachzudenken. Wer aber
nachdachte, erkannte das Widersprechende, und die, bei denen die Gewohnheit
nicht stärker war, als der Gedanke, konnten sich einer gewissen Unruhe darüber
nicht erwehren.

Das riesige Anwachsen des Verkehrs, die durch den Dampf gewachsene
Schnelligkeit im Verkehr trugen noch zu weiter» Befürchtungen bei; gewisse
Seemächte bemühten sich um eine internationale Regelung und Vereinfachung;
das gelang aber nicht, weil Seeleute am Hergebrachten hängen, und weil
— mit aus diesem Grunde — die herrschenden Seemächte, schon aus Selbst¬
bewußtsein, noch konservativer sind als andre Mächte.

Auf diese Weise kam es, daß gewisse Seemächte, namentlich Frankreich
und die Skandinavier, selbständig vorgingen; sie machten sich ein Verfahren
zur Regel, wonach auf den Ruf Steuerbord insgesamt alle die oben er¬
wähnten, die optischen sowohl wie die mechanischen Bewegungen in Steucr-
bordrichtnng erfolgten. Wer Steuerbord kommandirte, zeigte auch mit der
Hand nach Steuerbord, der Rndersmcmn drehte das Rad nach Steuerbord,
und auch der im Waffer befindliche, unmittelbar wirkende Ruderteil machte
seine Bewegung in derselben Richtung, während lediglich die unsichtbare Pinne
ihre ebenso unsichtbare Bewegung in entgegengesetzter Richtung vollzog.

Andre Seemächte zögerten zwar, dem Beispiel zu folgen, England und
Amerika legten Widerspruch ein; die deutsche Admiralität aber glaubte dem
von Frankreich gegebnen Beispiel folgen zu sollen und traf für die kaiserliche
Marine eine dem entsprechende Anordnung.

Man verhehlte sich aber nicht, daß eine volle Ausnutzung der Maßregel
erschwert werde, wenn sie nicht auf den gesamten Seeverkehr Deutschlands
ausgedehnt würde. Ein solches Hindernis war für den französischen Marine-
minister nicht vorhanden, weil das Marineministerium dort als allgemeine
obere Seebehörde maßgebend ist. Eine Änderung grundlegender Gebräuche
übt deshalb eine Wirkung auf die Gesamtheit. Im deutschen Reich ist das
nicht der Fall, und anstatt dem Beispiel der Admiralität zu folgen, erhoben
die Reedereien lebhaften Widerspruch.

Da die Maßregel auch in Marinekreisen nicht ungeteilten Beifall fand,
weil Seeleute eben gern an alten Gebräuchen Hunger, so mußte man gespannt
sein, ob sich die Sache einbürgern würde. Wider Erwarten verstummten aber
in Marinekreisen bald alle Widersprüche; man spürte den Nutzen der Verein-
fachung, und wo man konnte, gab man sich Mühe, auch weitere Kreise dafür


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0516" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290285"/>
          <fw type="header" place="top"> Rechts lind links zur See</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1507" prev="#ID_1506"> Backbord, und nur die dem Ruf entsprechende Bewegung des meist unsicht¬<lb/>
baren Griffes oder Pinne nach Steuerbord. Es stimmte also alles mit dein<lb/>
Ruf oder dem Kommando überein, nur nicht die Pinne, mithin war das<lb/>
Kommando der Ausdruck für ein Ding, das man meistens nicht sah.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1508"> Für Seeleute, die von Jugend auf daran gewöhnt waren, hatte das<lb/>
nichts Befremdendes; man pflegte darüber nicht viel nachzudenken. Wer aber<lb/>
nachdachte, erkannte das Widersprechende, und die, bei denen die Gewohnheit<lb/>
nicht stärker war, als der Gedanke, konnten sich einer gewissen Unruhe darüber<lb/>
nicht erwehren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1509"> Das riesige Anwachsen des Verkehrs, die durch den Dampf gewachsene<lb/>
Schnelligkeit im Verkehr trugen noch zu weiter» Befürchtungen bei; gewisse<lb/>
Seemächte bemühten sich um eine internationale Regelung und Vereinfachung;<lb/>
das gelang aber nicht, weil Seeleute am Hergebrachten hängen, und weil<lb/>
&#x2014; mit aus diesem Grunde &#x2014; die herrschenden Seemächte, schon aus Selbst¬<lb/>
bewußtsein, noch konservativer sind als andre Mächte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1510"> Auf diese Weise kam es, daß gewisse Seemächte, namentlich Frankreich<lb/>
und die Skandinavier, selbständig vorgingen; sie machten sich ein Verfahren<lb/>
zur Regel, wonach auf den Ruf Steuerbord insgesamt alle die oben er¬<lb/>
wähnten, die optischen sowohl wie die mechanischen Bewegungen in Steucr-<lb/>
bordrichtnng erfolgten. Wer Steuerbord kommandirte, zeigte auch mit der<lb/>
Hand nach Steuerbord, der Rndersmcmn drehte das Rad nach Steuerbord,<lb/>
und auch der im Waffer befindliche, unmittelbar wirkende Ruderteil machte<lb/>
seine Bewegung in derselben Richtung, während lediglich die unsichtbare Pinne<lb/>
ihre ebenso unsichtbare Bewegung in entgegengesetzter Richtung vollzog.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1511"> Andre Seemächte zögerten zwar, dem Beispiel zu folgen, England und<lb/>
Amerika legten Widerspruch ein; die deutsche Admiralität aber glaubte dem<lb/>
von Frankreich gegebnen Beispiel folgen zu sollen und traf für die kaiserliche<lb/>
Marine eine dem entsprechende Anordnung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1512"> Man verhehlte sich aber nicht, daß eine volle Ausnutzung der Maßregel<lb/>
erschwert werde, wenn sie nicht auf den gesamten Seeverkehr Deutschlands<lb/>
ausgedehnt würde. Ein solches Hindernis war für den französischen Marine-<lb/>
minister nicht vorhanden, weil das Marineministerium dort als allgemeine<lb/>
obere Seebehörde maßgebend ist. Eine Änderung grundlegender Gebräuche<lb/>
übt deshalb eine Wirkung auf die Gesamtheit. Im deutschen Reich ist das<lb/>
nicht der Fall, und anstatt dem Beispiel der Admiralität zu folgen, erhoben<lb/>
die Reedereien lebhaften Widerspruch.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1513" next="#ID_1514"> Da die Maßregel auch in Marinekreisen nicht ungeteilten Beifall fand,<lb/>
weil Seeleute eben gern an alten Gebräuchen Hunger, so mußte man gespannt<lb/>
sein, ob sich die Sache einbürgern würde. Wider Erwarten verstummten aber<lb/>
in Marinekreisen bald alle Widersprüche; man spürte den Nutzen der Verein-<lb/>
fachung, und wo man konnte, gab man sich Mühe, auch weitere Kreise dafür</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0516] Rechts lind links zur See Backbord, und nur die dem Ruf entsprechende Bewegung des meist unsicht¬ baren Griffes oder Pinne nach Steuerbord. Es stimmte also alles mit dein Ruf oder dem Kommando überein, nur nicht die Pinne, mithin war das Kommando der Ausdruck für ein Ding, das man meistens nicht sah. Für Seeleute, die von Jugend auf daran gewöhnt waren, hatte das nichts Befremdendes; man pflegte darüber nicht viel nachzudenken. Wer aber nachdachte, erkannte das Widersprechende, und die, bei denen die Gewohnheit nicht stärker war, als der Gedanke, konnten sich einer gewissen Unruhe darüber nicht erwehren. Das riesige Anwachsen des Verkehrs, die durch den Dampf gewachsene Schnelligkeit im Verkehr trugen noch zu weiter» Befürchtungen bei; gewisse Seemächte bemühten sich um eine internationale Regelung und Vereinfachung; das gelang aber nicht, weil Seeleute am Hergebrachten hängen, und weil — mit aus diesem Grunde — die herrschenden Seemächte, schon aus Selbst¬ bewußtsein, noch konservativer sind als andre Mächte. Auf diese Weise kam es, daß gewisse Seemächte, namentlich Frankreich und die Skandinavier, selbständig vorgingen; sie machten sich ein Verfahren zur Regel, wonach auf den Ruf Steuerbord insgesamt alle die oben er¬ wähnten, die optischen sowohl wie die mechanischen Bewegungen in Steucr- bordrichtnng erfolgten. Wer Steuerbord kommandirte, zeigte auch mit der Hand nach Steuerbord, der Rndersmcmn drehte das Rad nach Steuerbord, und auch der im Waffer befindliche, unmittelbar wirkende Ruderteil machte seine Bewegung in derselben Richtung, während lediglich die unsichtbare Pinne ihre ebenso unsichtbare Bewegung in entgegengesetzter Richtung vollzog. Andre Seemächte zögerten zwar, dem Beispiel zu folgen, England und Amerika legten Widerspruch ein; die deutsche Admiralität aber glaubte dem von Frankreich gegebnen Beispiel folgen zu sollen und traf für die kaiserliche Marine eine dem entsprechende Anordnung. Man verhehlte sich aber nicht, daß eine volle Ausnutzung der Maßregel erschwert werde, wenn sie nicht auf den gesamten Seeverkehr Deutschlands ausgedehnt würde. Ein solches Hindernis war für den französischen Marine- minister nicht vorhanden, weil das Marineministerium dort als allgemeine obere Seebehörde maßgebend ist. Eine Änderung grundlegender Gebräuche übt deshalb eine Wirkung auf die Gesamtheit. Im deutschen Reich ist das nicht der Fall, und anstatt dem Beispiel der Admiralität zu folgen, erhoben die Reedereien lebhaften Widerspruch. Da die Maßregel auch in Marinekreisen nicht ungeteilten Beifall fand, weil Seeleute eben gern an alten Gebräuchen Hunger, so mußte man gespannt sein, ob sich die Sache einbürgern würde. Wider Erwarten verstummten aber in Marinekreisen bald alle Widersprüche; man spürte den Nutzen der Verein- fachung, und wo man konnte, gab man sich Mühe, auch weitere Kreise dafür

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/516
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/516>, abgerufen am 26.08.2024.