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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Zur sozialen Frage

lagen einerseits und dem schließlichen Ergebnis der Produktion andrerseits;
die Differenz ist der Unternehmergewinn, der ihn veranlaßt hat, das Geschäft
zu gründen. Entspricht diese Differenz nicht mehr berechtigten Erwartungen,
weil die Kosten zu hoch, die schließlichen Erträge zu niedrig sind, so hört das
Unternehmen auf. Bei dem Versuch, es aufrecht zu erhalten, kann der Unter¬
nehmer im wesentliche" nur auf die Kosten einwirken, und da zu diesen die
Löhne gehören, so wird sein Bestreben immer darauf gerichtet sein, die Löhne
herabzusetzen. Und hier ist denn der Punkt, wo die Interessen der Ar¬
beitskraft und des Kapitals feindlich auf einander treffen. Ist aber unsre
Annahme richtig, daß der Unternehmer auf den zu erlangenden Preis der
Ware wenig oder keinen Einfluß habe, so ist es auch unwiderleglich, daß so,
wie die Verhältnisse gegenwärtig sind, von einer beliebigen Erhöhung der
Löhne keine Rede sein kann. Wenn in einer Stadt einige Baulust herrscht,
so werden die Bauhandwerker unter Umständen eine Verbesserung ihrer Löhne
erreichen können. Die Baulust gründet sich darauf, daß Wohnungen gesucht
werden. Die höhern Löhne verteuern selbstverständlich den Bau; der Unter¬
nehmer wird dem Bauherrn die gelieferte Arbeit teurer anrechnen müssen, und
der Bauherr wird sich durch höhere Miete zu entschädigen haben. Ist der
Zuzug von Wvhnungsuchenden stark genug, sodaß die Hauseigentümer die
höhere Miete erlangen können, so geht die Sache einstweilen. Ist aber das
Gegenteil der Fall, so finden die Bauunternehmer nicht mehr ihre Rechnung,
sie stellen das Banen ein, und Maurer und Zimmerleute bleiben ohne Be¬
schäftigung, werden sich also, wenn nicht an andern Orten noch unterzukommen
ist, entschließen müssen, ihre Arbeit wieder zu niedrigeren Lohne anzubieten.

Ganz ähnlich steht es z. B. bei dem Betrieb der Kohlenzechen. Jede
Lohnerhöhung werden die Besitzer durch höhere Kohlenpreise auszugleichen
bemüht sein. Diese Erhöhung wird allen Konsumenten fühlbar. In den Haus¬
ständen wird man möglichste Sparsamkeit walten lassen, um durch geringern
Verbrauch den höhern Preis auszugleichen. Alle Dampfbetriebe werden mit
höhern Kosten arbeiten und geringern Gewinn abwerfen, wenn ihnen nicht die
Nachfrage nach ihren Fabrikaten ermöglicht, die Preise zu erhöhen. Aber
diese Preissteigerung hat ziemlich enge Grenzen, teils wegen der Konkurrenz,
teils weil jede Preissteigerung die Nachfrage schwächt, und es wird daher
bald der Punkt erreicht sein, wo die Erhöhung der Löhne der Bergarbeiter
zur Unmöglichkeit wird, weil der Absatz der Kohle ins Stocken gerät, oder bei
mangelndem Unternehmergewinn die Besitzer der Kohlengruben kein Interesse
"lehr an der Fortsetzung des Betriebes haben.

Das ist keinem Zweifel unterworfen, daß die Erhöhung der Löhne und,
was damit gleiche Bedeutung hat, die Verkürzung der Arbeitszeit zunächst auf
Kosten des Unternehmergewinnes erfolgt. Der Kapitalist, der bei einem Unter¬
nehmen beteiligt ist, will Zinsen, womöglich auch Dividende haben, der Unter-


Zur sozialen Frage

lagen einerseits und dem schließlichen Ergebnis der Produktion andrerseits;
die Differenz ist der Unternehmergewinn, der ihn veranlaßt hat, das Geschäft
zu gründen. Entspricht diese Differenz nicht mehr berechtigten Erwartungen,
weil die Kosten zu hoch, die schließlichen Erträge zu niedrig sind, so hört das
Unternehmen auf. Bei dem Versuch, es aufrecht zu erhalten, kann der Unter¬
nehmer im wesentliche» nur auf die Kosten einwirken, und da zu diesen die
Löhne gehören, so wird sein Bestreben immer darauf gerichtet sein, die Löhne
herabzusetzen. Und hier ist denn der Punkt, wo die Interessen der Ar¬
beitskraft und des Kapitals feindlich auf einander treffen. Ist aber unsre
Annahme richtig, daß der Unternehmer auf den zu erlangenden Preis der
Ware wenig oder keinen Einfluß habe, so ist es auch unwiderleglich, daß so,
wie die Verhältnisse gegenwärtig sind, von einer beliebigen Erhöhung der
Löhne keine Rede sein kann. Wenn in einer Stadt einige Baulust herrscht,
so werden die Bauhandwerker unter Umständen eine Verbesserung ihrer Löhne
erreichen können. Die Baulust gründet sich darauf, daß Wohnungen gesucht
werden. Die höhern Löhne verteuern selbstverständlich den Bau; der Unter¬
nehmer wird dem Bauherrn die gelieferte Arbeit teurer anrechnen müssen, und
der Bauherr wird sich durch höhere Miete zu entschädigen haben. Ist der
Zuzug von Wvhnungsuchenden stark genug, sodaß die Hauseigentümer die
höhere Miete erlangen können, so geht die Sache einstweilen. Ist aber das
Gegenteil der Fall, so finden die Bauunternehmer nicht mehr ihre Rechnung,
sie stellen das Banen ein, und Maurer und Zimmerleute bleiben ohne Be¬
schäftigung, werden sich also, wenn nicht an andern Orten noch unterzukommen
ist, entschließen müssen, ihre Arbeit wieder zu niedrigeren Lohne anzubieten.

Ganz ähnlich steht es z. B. bei dem Betrieb der Kohlenzechen. Jede
Lohnerhöhung werden die Besitzer durch höhere Kohlenpreise auszugleichen
bemüht sein. Diese Erhöhung wird allen Konsumenten fühlbar. In den Haus¬
ständen wird man möglichste Sparsamkeit walten lassen, um durch geringern
Verbrauch den höhern Preis auszugleichen. Alle Dampfbetriebe werden mit
höhern Kosten arbeiten und geringern Gewinn abwerfen, wenn ihnen nicht die
Nachfrage nach ihren Fabrikaten ermöglicht, die Preise zu erhöhen. Aber
diese Preissteigerung hat ziemlich enge Grenzen, teils wegen der Konkurrenz,
teils weil jede Preissteigerung die Nachfrage schwächt, und es wird daher
bald der Punkt erreicht sein, wo die Erhöhung der Löhne der Bergarbeiter
zur Unmöglichkeit wird, weil der Absatz der Kohle ins Stocken gerät, oder bei
mangelndem Unternehmergewinn die Besitzer der Kohlengruben kein Interesse
»lehr an der Fortsetzung des Betriebes haben.

Das ist keinem Zweifel unterworfen, daß die Erhöhung der Löhne und,
was damit gleiche Bedeutung hat, die Verkürzung der Arbeitszeit zunächst auf
Kosten des Unternehmergewinnes erfolgt. Der Kapitalist, der bei einem Unter¬
nehmen beteiligt ist, will Zinsen, womöglich auch Dividende haben, der Unter-


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[0499] Zur sozialen Frage lagen einerseits und dem schließlichen Ergebnis der Produktion andrerseits; die Differenz ist der Unternehmergewinn, der ihn veranlaßt hat, das Geschäft zu gründen. Entspricht diese Differenz nicht mehr berechtigten Erwartungen, weil die Kosten zu hoch, die schließlichen Erträge zu niedrig sind, so hört das Unternehmen auf. Bei dem Versuch, es aufrecht zu erhalten, kann der Unter¬ nehmer im wesentliche» nur auf die Kosten einwirken, und da zu diesen die Löhne gehören, so wird sein Bestreben immer darauf gerichtet sein, die Löhne herabzusetzen. Und hier ist denn der Punkt, wo die Interessen der Ar¬ beitskraft und des Kapitals feindlich auf einander treffen. Ist aber unsre Annahme richtig, daß der Unternehmer auf den zu erlangenden Preis der Ware wenig oder keinen Einfluß habe, so ist es auch unwiderleglich, daß so, wie die Verhältnisse gegenwärtig sind, von einer beliebigen Erhöhung der Löhne keine Rede sein kann. Wenn in einer Stadt einige Baulust herrscht, so werden die Bauhandwerker unter Umständen eine Verbesserung ihrer Löhne erreichen können. Die Baulust gründet sich darauf, daß Wohnungen gesucht werden. Die höhern Löhne verteuern selbstverständlich den Bau; der Unter¬ nehmer wird dem Bauherrn die gelieferte Arbeit teurer anrechnen müssen, und der Bauherr wird sich durch höhere Miete zu entschädigen haben. Ist der Zuzug von Wvhnungsuchenden stark genug, sodaß die Hauseigentümer die höhere Miete erlangen können, so geht die Sache einstweilen. Ist aber das Gegenteil der Fall, so finden die Bauunternehmer nicht mehr ihre Rechnung, sie stellen das Banen ein, und Maurer und Zimmerleute bleiben ohne Be¬ schäftigung, werden sich also, wenn nicht an andern Orten noch unterzukommen ist, entschließen müssen, ihre Arbeit wieder zu niedrigeren Lohne anzubieten. Ganz ähnlich steht es z. B. bei dem Betrieb der Kohlenzechen. Jede Lohnerhöhung werden die Besitzer durch höhere Kohlenpreise auszugleichen bemüht sein. Diese Erhöhung wird allen Konsumenten fühlbar. In den Haus¬ ständen wird man möglichste Sparsamkeit walten lassen, um durch geringern Verbrauch den höhern Preis auszugleichen. Alle Dampfbetriebe werden mit höhern Kosten arbeiten und geringern Gewinn abwerfen, wenn ihnen nicht die Nachfrage nach ihren Fabrikaten ermöglicht, die Preise zu erhöhen. Aber diese Preissteigerung hat ziemlich enge Grenzen, teils wegen der Konkurrenz, teils weil jede Preissteigerung die Nachfrage schwächt, und es wird daher bald der Punkt erreicht sein, wo die Erhöhung der Löhne der Bergarbeiter zur Unmöglichkeit wird, weil der Absatz der Kohle ins Stocken gerät, oder bei mangelndem Unternehmergewinn die Besitzer der Kohlengruben kein Interesse »lehr an der Fortsetzung des Betriebes haben. Das ist keinem Zweifel unterworfen, daß die Erhöhung der Löhne und, was damit gleiche Bedeutung hat, die Verkürzung der Arbeitszeit zunächst auf Kosten des Unternehmergewinnes erfolgt. Der Kapitalist, der bei einem Unter¬ nehmen beteiligt ist, will Zinsen, womöglich auch Dividende haben, der Unter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/499>, abgerufen am 26.08.2024.