Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.Zur sozialen Frage ihm eine verächtliche Bezeichnung desselben. Jeder Feind ist ihm vor allem Nicht die Tinte diplomatischer Abmachungen ist es, vor der der Dreibund Einem europäischen Leser wird wohl nichts überraschender kommen, als Was aber wird aus dem russischen Soldaten, wenn er nicht geführt Ist die obige Schilderung richtig, so giebt es keine Armee der Welt, die Zur sozialen Frage i lieu denen, die noch die einfachern Lebensverhältnisse vor fünfzig Zur sozialen Frage ihm eine verächtliche Bezeichnung desselben. Jeder Feind ist ihm vor allem Nicht die Tinte diplomatischer Abmachungen ist es, vor der der Dreibund Einem europäischen Leser wird wohl nichts überraschender kommen, als Was aber wird aus dem russischen Soldaten, wenn er nicht geführt Ist die obige Schilderung richtig, so giebt es keine Armee der Welt, die Zur sozialen Frage i lieu denen, die noch die einfachern Lebensverhältnisse vor fünfzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290264"/> <fw type="header" place="top"> Zur sozialen Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_1443" prev="#ID_1442"> ihm eine verächtliche Bezeichnung desselben. Jeder Feind ist ihm vor allem<lb/> Mensch; erschlägt er ihn im Kampfe, so geschieht es auf Befehl der Vor¬<lb/> gesetzten — da giebt es kein Erbarmen. Mit einem Wort, Iwan ist das voll¬<lb/> kommene Ideal eines Soldaten, er ist der beste Soldat auf der ganzen Welt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1444"> Nicht die Tinte diplomatischer Abmachungen ist es, vor der der Dreibund<lb/> feige zurückschreckt, er fürchtet nur unsern gutmütigen Iwan. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1445"> Einem europäischen Leser wird wohl nichts überraschender kommen, als<lb/> dieser Schluß des russischen Feuilletonisten. Wie, dieses absolut unselbständige,<lb/> ohne sittliche Überzeugungen erwachsene, nur von Instinkten geleitete Wesen,<lb/> das soll das „Ideal" des Soldatentums sein? Und vor dieser Masse, nur<lb/> weil sie ein Werkzeug ist, das nach Belieben gebraucht werde» kann, sollte<lb/> das Abendland zittern?</p><lb/> <p xml:id="ID_1446"> Was aber wird aus dem russischen Soldaten, wenn er nicht geführt<lb/> wird? wenn, wie bei Mars la Tour und so oft vorher und nachher während<lb/> des französischen Krieges, die Offiziere erschossen sind, und ein Entschluß aus<lb/> den Reihen der Truppe heraus gefaßt und durchgeführt werden muß? Was<lb/> aber vor allem sind die russischen Offiziere?</p><lb/> <p xml:id="ID_1447"> Ist die obige Schilderung richtig, so giebt es keine Armee der Welt, die<lb/> abhängiger wäre von ihrem Osfiziersmatericil als die russische! Wir irren<lb/> aber wohl nicht mit der Annahme, daß der russische Offiziersstand bis heute<lb/> der erste der Welt noch uicht sei.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Zur sozialen Frage<lb/> i </head><lb/> <p xml:id="ID_1448" next="#ID_1449"> lieu denen, die noch die einfachern Lebensverhältnisse vor fünfzig<lb/> bis sechzig Jahren gekannt haben, muß sich der Gedanke auf¬<lb/> drängen, daß in neuerer Zeit die Verwaltung einen Umfang<lb/> und einen Grad der Verwicklung angenommen hat, der mit Be¬<lb/> sorgnis in die Zukunft blicken läßt. Der Arbeit der Gesetzgebung<lb/> ist kaum noch zu folgen; es findet ein allgemeines Aufgebot aller brauchbaren<lb/> geistigen Arbeitskräfte statt. Ju gleichem Maße wie das Heer der Beamten,<lb/> denen die Bewältigung der Geschäfte anvertraut ist, steigen die öffentlichen<lb/> Lasten. Der Versuch, einen großen Teil der Geschäfte an die Gemeinden und<lb/> die höheren kommunalen Verbände abzugeben, hat keine Entlastung herbei-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0495]
Zur sozialen Frage
ihm eine verächtliche Bezeichnung desselben. Jeder Feind ist ihm vor allem
Mensch; erschlägt er ihn im Kampfe, so geschieht es auf Befehl der Vor¬
gesetzten — da giebt es kein Erbarmen. Mit einem Wort, Iwan ist das voll¬
kommene Ideal eines Soldaten, er ist der beste Soldat auf der ganzen Welt.
Nicht die Tinte diplomatischer Abmachungen ist es, vor der der Dreibund
feige zurückschreckt, er fürchtet nur unsern gutmütigen Iwan. —
Einem europäischen Leser wird wohl nichts überraschender kommen, als
dieser Schluß des russischen Feuilletonisten. Wie, dieses absolut unselbständige,
ohne sittliche Überzeugungen erwachsene, nur von Instinkten geleitete Wesen,
das soll das „Ideal" des Soldatentums sein? Und vor dieser Masse, nur
weil sie ein Werkzeug ist, das nach Belieben gebraucht werde» kann, sollte
das Abendland zittern?
Was aber wird aus dem russischen Soldaten, wenn er nicht geführt
wird? wenn, wie bei Mars la Tour und so oft vorher und nachher während
des französischen Krieges, die Offiziere erschossen sind, und ein Entschluß aus
den Reihen der Truppe heraus gefaßt und durchgeführt werden muß? Was
aber vor allem sind die russischen Offiziere?
Ist die obige Schilderung richtig, so giebt es keine Armee der Welt, die
abhängiger wäre von ihrem Osfiziersmatericil als die russische! Wir irren
aber wohl nicht mit der Annahme, daß der russische Offiziersstand bis heute
der erste der Welt noch uicht sei.
Zur sozialen Frage
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lieu denen, die noch die einfachern Lebensverhältnisse vor fünfzig
bis sechzig Jahren gekannt haben, muß sich der Gedanke auf¬
drängen, daß in neuerer Zeit die Verwaltung einen Umfang
und einen Grad der Verwicklung angenommen hat, der mit Be¬
sorgnis in die Zukunft blicken läßt. Der Arbeit der Gesetzgebung
ist kaum noch zu folgen; es findet ein allgemeines Aufgebot aller brauchbaren
geistigen Arbeitskräfte statt. Ju gleichem Maße wie das Heer der Beamten,
denen die Bewältigung der Geschäfte anvertraut ist, steigen die öffentlichen
Lasten. Der Versuch, einen großen Teil der Geschäfte an die Gemeinden und
die höheren kommunalen Verbände abzugeben, hat keine Entlastung herbei-
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