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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Das Ausgeschenk der Augsburger Buchbinder
Lin Beitrag zur Innungsgeschichte
von Adolf Buff

as Jahr 1732 brachte den hochweisen Vätern der guten Reichs¬
stadt Augsburg eine Menge von Scherereien mit Handwcrker-
angelegeuheiten. Es war im Jahre vorher ein Neichsgesetz zu¬
stande gekommen (sanktionirt vom Kaiser den 22. Juni 1731),
das sich die Aufgabe stellte, die zahllosen Mißbräuche und Miß-
stände, die im Laufe der Zeit nnter den Handwerkern eingerissen waren, zu be¬
kämpfen. Dies war kein leichtes Unternehmen, denn viele von den Mißbräuchen
und Mißständen, die nun abgeschafft werden sollten, waren den Handwerkern
selber durch lange Gewohnheit lieb und teuer geworden. Versuche, sie abzu¬
stellen, stießen oft auf hartnäckigen aktiven und passiven Widerstand; und bei
dem geringen Zusammenhange der verschiedenen dentschen Länder und Herr¬
schaften und bei der großen Ungleichmäßigkeit, womit dergleichen Dinge an
verschiednen Orten behandelt wurden, befanden sich vor allem die kleinen
Reichsstände solchem Widerstande gegenüber in schwierigster Lage.' Namentlich
widerspenstige Gesellen waren schwer zum Gehorsam zu zwingen, und es kostete
die Behörden gar manchmal viel Kopfzerbrechen, um meuigstens den Schein
ihrer Autorität zu wahren.

In Augsburg wurde jenes Gesetz durch ein Ratsdekret vom 29. De¬
zember 1731 veröffentlicht und im Laufe der nächsten Monate jeder einzelnen
Innung noch einmal besonders bekannt gemacht. Doch dachte wohl keiner
von den regierenden Herren daran, ernstlich darüber zu wachen, ernstlich sich
darum zu kümmern, daß es nun auch im Einzelnen ausgeführt würde. Sie
standen mit ihren Sympathien durchaus auf demselben Boden, sie hatten die
lebhaftesten Wünsche für eine durchgreifende Reform des verknöcherten Haud-
werkerwesens, aber sie waren sich zugleich ihrer eignen Schwäche und llnzu-
länglichkeit nur zu gut bewußt, um von der altbewährten Übung abzugehen:
in schwierigen Fällen, solange sich etwas noch ertragen ließ, lieber ein Auge
oder auch beide Augen zuzudrücken und die Dinge laufen zu lassen, wie sie
wollten. Wäre es allein auf die städtische Obrigkeit angekommen, so wäre


Grenzboten III 1391 58


Das Ausgeschenk der Augsburger Buchbinder
Lin Beitrag zur Innungsgeschichte
von Adolf Buff

as Jahr 1732 brachte den hochweisen Vätern der guten Reichs¬
stadt Augsburg eine Menge von Scherereien mit Handwcrker-
angelegeuheiten. Es war im Jahre vorher ein Neichsgesetz zu¬
stande gekommen (sanktionirt vom Kaiser den 22. Juni 1731),
das sich die Aufgabe stellte, die zahllosen Mißbräuche und Miß-
stände, die im Laufe der Zeit nnter den Handwerkern eingerissen waren, zu be¬
kämpfen. Dies war kein leichtes Unternehmen, denn viele von den Mißbräuchen
und Mißständen, die nun abgeschafft werden sollten, waren den Handwerkern
selber durch lange Gewohnheit lieb und teuer geworden. Versuche, sie abzu¬
stellen, stießen oft auf hartnäckigen aktiven und passiven Widerstand; und bei
dem geringen Zusammenhange der verschiedenen dentschen Länder und Herr¬
schaften und bei der großen Ungleichmäßigkeit, womit dergleichen Dinge an
verschiednen Orten behandelt wurden, befanden sich vor allem die kleinen
Reichsstände solchem Widerstande gegenüber in schwierigster Lage.' Namentlich
widerspenstige Gesellen waren schwer zum Gehorsam zu zwingen, und es kostete
die Behörden gar manchmal viel Kopfzerbrechen, um meuigstens den Schein
ihrer Autorität zu wahren.

In Augsburg wurde jenes Gesetz durch ein Ratsdekret vom 29. De¬
zember 1731 veröffentlicht und im Laufe der nächsten Monate jeder einzelnen
Innung noch einmal besonders bekannt gemacht. Doch dachte wohl keiner
von den regierenden Herren daran, ernstlich darüber zu wachen, ernstlich sich
darum zu kümmern, daß es nun auch im Einzelnen ausgeführt würde. Sie
standen mit ihren Sympathien durchaus auf demselben Boden, sie hatten die
lebhaftesten Wünsche für eine durchgreifende Reform des verknöcherten Haud-
werkerwesens, aber sie waren sich zugleich ihrer eignen Schwäche und llnzu-
länglichkeit nur zu gut bewußt, um von der altbewährten Übung abzugehen:
in schwierigen Fällen, solange sich etwas noch ertragen ließ, lieber ein Auge
oder auch beide Augen zuzudrücken und die Dinge laufen zu lassen, wie sie
wollten. Wäre es allein auf die städtische Obrigkeit angekommen, so wäre


Grenzboten III 1391 58
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[0465] [Abbildung] Das Ausgeschenk der Augsburger Buchbinder Lin Beitrag zur Innungsgeschichte von Adolf Buff as Jahr 1732 brachte den hochweisen Vätern der guten Reichs¬ stadt Augsburg eine Menge von Scherereien mit Handwcrker- angelegeuheiten. Es war im Jahre vorher ein Neichsgesetz zu¬ stande gekommen (sanktionirt vom Kaiser den 22. Juni 1731), das sich die Aufgabe stellte, die zahllosen Mißbräuche und Miß- stände, die im Laufe der Zeit nnter den Handwerkern eingerissen waren, zu be¬ kämpfen. Dies war kein leichtes Unternehmen, denn viele von den Mißbräuchen und Mißständen, die nun abgeschafft werden sollten, waren den Handwerkern selber durch lange Gewohnheit lieb und teuer geworden. Versuche, sie abzu¬ stellen, stießen oft auf hartnäckigen aktiven und passiven Widerstand; und bei dem geringen Zusammenhange der verschiedenen dentschen Länder und Herr¬ schaften und bei der großen Ungleichmäßigkeit, womit dergleichen Dinge an verschiednen Orten behandelt wurden, befanden sich vor allem die kleinen Reichsstände solchem Widerstande gegenüber in schwierigster Lage.' Namentlich widerspenstige Gesellen waren schwer zum Gehorsam zu zwingen, und es kostete die Behörden gar manchmal viel Kopfzerbrechen, um meuigstens den Schein ihrer Autorität zu wahren. In Augsburg wurde jenes Gesetz durch ein Ratsdekret vom 29. De¬ zember 1731 veröffentlicht und im Laufe der nächsten Monate jeder einzelnen Innung noch einmal besonders bekannt gemacht. Doch dachte wohl keiner von den regierenden Herren daran, ernstlich darüber zu wachen, ernstlich sich darum zu kümmern, daß es nun auch im Einzelnen ausgeführt würde. Sie standen mit ihren Sympathien durchaus auf demselben Boden, sie hatten die lebhaftesten Wünsche für eine durchgreifende Reform des verknöcherten Haud- werkerwesens, aber sie waren sich zugleich ihrer eignen Schwäche und llnzu- länglichkeit nur zu gut bewußt, um von der altbewährten Übung abzugehen: in schwierigen Fällen, solange sich etwas noch ertragen ließ, lieber ein Auge oder auch beide Augen zuzudrücken und die Dinge laufen zu lassen, wie sie wollten. Wäre es allein auf die städtische Obrigkeit angekommen, so wäre Grenzboten III 1391 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/465>, abgerufen am 26.08.2024.