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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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El" Evangelium des Naturalismus

Such lieber hohe ProtcgeeS (!),
Dein Sozialismus ist uns schnuppe,
Den" schließlich wärmst du nur, gesteh's,
Die achtundvierziger Bettelstippe.

Doch kühn ruft der Dichter denen, die sein Gedicht verhöhnen, entgegen:


Rückt an; mit offenem Visir
Und harter Faust will ich euch weise":
Ich und mein Lied, wir sind von Eisen --
Ihr oder ich, ich oder ihr.
Denn nicht soll einst in später Zeit
Mit selbstgefälligen Behagen
Ein später Enkel von uns sage",
Was rot wie Blut zum Himmel schreit:
Poeten ohne Poesie,
Und keiner rief das Wörtchen: "Rette!"
Sie blökten allscnnt um die Welle
Wie eine Herde Hammelvieh!

Diese Verse müssen Herrn Holz etwas peinlich sein: er hat tels rettende
Wörtchen nicht gesprochen, dagegen ein Stück geschrieben, das ein Kritiker als
eine "Tierlautkomödie" bezeichnet hat. Eben darum hat er jetzt sür alle seine
Jngendversnche uur uoch das Lächeln des Mitleids und der Verachtung.

Nun hatte das "Buch der Zeit" nicht den gehofften Erfolg, und Herr
Holz rächte sich, indem er aus seinem Katzenjammer heraus 200 Seiten Verse
schrieb: "Unterm Heiligenschein. Ein Erbauungsbuch für meine Freunde."
Veröffentlicht worden sind diese Dichtungen nicht, aber die umfangreichen Proben,
die er auch aus ihnen giebt, lassen darauf schließen, daß es allerdings ein
erbauliches Buch gewesen sein muß. Sein erstes Werk verwirft der Dichter:


Den" der Wein, den seine Muse
Unter falschem Etikett
Ihm verführerisch kredenzt,
War ein ganz gemeiner Kratzer.

Nun ist es anders geworden:

Jene nächtigen Probleme,
Die jetzt lauernd durch die Welt
Wie die Tigerkatzen schleichen,
Pfauchen auch in seine Träume,
Und wenn morgens da"" sei" Stift
Hastig über das Papier surrt,
Scheint ihn: seine Skribelei oft
Unerträglich und banal.
Liebeslieder zu skaudire",
Wäre freilich Profitabler.

El» Evangelium des Naturalismus

Such lieber hohe ProtcgeeS (!),
Dein Sozialismus ist uns schnuppe,
Den» schließlich wärmst du nur, gesteh's,
Die achtundvierziger Bettelstippe.

Doch kühn ruft der Dichter denen, die sein Gedicht verhöhnen, entgegen:


Rückt an; mit offenem Visir
Und harter Faust will ich euch weise»:
Ich und mein Lied, wir sind von Eisen —
Ihr oder ich, ich oder ihr.
Denn nicht soll einst in später Zeit
Mit selbstgefälligen Behagen
Ein später Enkel von uns sage»,
Was rot wie Blut zum Himmel schreit:
Poeten ohne Poesie,
Und keiner rief das Wörtchen: „Rette!"
Sie blökten allscnnt um die Welle
Wie eine Herde Hammelvieh!

Diese Verse müssen Herrn Holz etwas peinlich sein: er hat tels rettende
Wörtchen nicht gesprochen, dagegen ein Stück geschrieben, das ein Kritiker als
eine „Tierlautkomödie" bezeichnet hat. Eben darum hat er jetzt sür alle seine
Jngendversnche uur uoch das Lächeln des Mitleids und der Verachtung.

Nun hatte das „Buch der Zeit" nicht den gehofften Erfolg, und Herr
Holz rächte sich, indem er aus seinem Katzenjammer heraus 200 Seiten Verse
schrieb: „Unterm Heiligenschein. Ein Erbauungsbuch für meine Freunde."
Veröffentlicht worden sind diese Dichtungen nicht, aber die umfangreichen Proben,
die er auch aus ihnen giebt, lassen darauf schließen, daß es allerdings ein
erbauliches Buch gewesen sein muß. Sein erstes Werk verwirft der Dichter:


Den» der Wein, den seine Muse
Unter falschem Etikett
Ihm verführerisch kredenzt,
War ein ganz gemeiner Kratzer.

Nun ist es anders geworden:

Jene nächtigen Probleme,
Die jetzt lauernd durch die Welt
Wie die Tigerkatzen schleichen,
Pfauchen auch in seine Träume,
Und wenn morgens da»» sei» Stift
Hastig über das Papier surrt,
Scheint ihn: seine Skribelei oft
Unerträglich und banal.
Liebeslieder zu skaudire»,
Wäre freilich Profitabler.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/45>, abgerufen am 13.11.2024.