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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Ortszeit, Weltzeit, Gisenbahnzeit, Zonenzeit')
von O. Bähr

urch die letzte Rede, die unser greiser Feldherr Graf Moltke
noch kurz vor seinem Tode mit fast jugendlicher Frische im
Reichstage gehalten hat, ist dem deutschen Volke ein Gegenstand
näher geführt worden, der zwar schon lange die Fachkreise leb¬
haft beschäftigt, in weitern Kreisen aber doch bisher wenig Ver¬
ständnis gefunden hat. Es handelt sich um Schaffung einer einheitlichen Zeit,
wie sie für unser Verkehrswesen, namentlich für den Eiseubahudienst, ein un-
abweisliches Bedürfnis ist. Durch diesen Aufsatz soll versucht werden, das
allgemeine Interesse für diesen Gegenstand anzuregen.

Grundlage unsrer Zeitberechnung bildet die regelmäßige Bewegung der
Erde um die Sonne und um sich selbst. Nach jener berechnen wir das Jahr,
nach dieser den Tag. Wir nennen "Tag" im Gegensatz zur Nacht die Zeit,
wo es hell ist, wo also die Sonne über dem Horizonte verweilt. Wir be¬
zeichnen als die Mitte des Tages den Zeitpunkt, wo die Sonne am höchsten
steht, wo sie die Mittagslinie (den Meridian) durchläuft. Neben diesem na¬
türlichen Tage aber haben wir noch einen bürgerlichen Tag, der sich dadurch
bildet, daß wir die Stunden der Nacht, und zwar in gleichen Abständen von
der Mitte des Tages an morgens und abends, dem natürlichen Tage zu¬
rechnen. So entsteht der Begriff der Mitternacht, von der an wir den
Anfang des Tages rechnen. Wir teilen den bürgerlichen Tag in zweimal



In einem Aussatze, den die Grenzboten von 1889, Heft 20 brachten, ist im Vergleiche
mit dem gegenwärtigen Aussatze die gegenteilige Ansicht vertreten. Wir haben jedoch diesem
neuen Aufsatze eines Mitarbeiters umso weniger die Aufnahme versagt, als inzwischen für die
d D. Red. arin vertretene Ansicht gewichtige Stimmen im Reichstage sich erhoben haben.
Grenzboten UI 1891 55


Ortszeit, Weltzeit, Gisenbahnzeit, Zonenzeit')
von O. Bähr

urch die letzte Rede, die unser greiser Feldherr Graf Moltke
noch kurz vor seinem Tode mit fast jugendlicher Frische im
Reichstage gehalten hat, ist dem deutschen Volke ein Gegenstand
näher geführt worden, der zwar schon lange die Fachkreise leb¬
haft beschäftigt, in weitern Kreisen aber doch bisher wenig Ver¬
ständnis gefunden hat. Es handelt sich um Schaffung einer einheitlichen Zeit,
wie sie für unser Verkehrswesen, namentlich für den Eiseubahudienst, ein un-
abweisliches Bedürfnis ist. Durch diesen Aufsatz soll versucht werden, das
allgemeine Interesse für diesen Gegenstand anzuregen.

Grundlage unsrer Zeitberechnung bildet die regelmäßige Bewegung der
Erde um die Sonne und um sich selbst. Nach jener berechnen wir das Jahr,
nach dieser den Tag. Wir nennen „Tag" im Gegensatz zur Nacht die Zeit,
wo es hell ist, wo also die Sonne über dem Horizonte verweilt. Wir be¬
zeichnen als die Mitte des Tages den Zeitpunkt, wo die Sonne am höchsten
steht, wo sie die Mittagslinie (den Meridian) durchläuft. Neben diesem na¬
türlichen Tage aber haben wir noch einen bürgerlichen Tag, der sich dadurch
bildet, daß wir die Stunden der Nacht, und zwar in gleichen Abständen von
der Mitte des Tages an morgens und abends, dem natürlichen Tage zu¬
rechnen. So entsteht der Begriff der Mitternacht, von der an wir den
Anfang des Tages rechnen. Wir teilen den bürgerlichen Tag in zweimal



In einem Aussatze, den die Grenzboten von 1889, Heft 20 brachten, ist im Vergleiche
mit dem gegenwärtigen Aussatze die gegenteilige Ansicht vertreten. Wir haben jedoch diesem
neuen Aufsatze eines Mitarbeiters umso weniger die Aufnahme versagt, als inzwischen für die
d D. Red. arin vertretene Ansicht gewichtige Stimmen im Reichstage sich erhoben haben.
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[0441] [Abbildung] Ortszeit, Weltzeit, Gisenbahnzeit, Zonenzeit') von O. Bähr urch die letzte Rede, die unser greiser Feldherr Graf Moltke noch kurz vor seinem Tode mit fast jugendlicher Frische im Reichstage gehalten hat, ist dem deutschen Volke ein Gegenstand näher geführt worden, der zwar schon lange die Fachkreise leb¬ haft beschäftigt, in weitern Kreisen aber doch bisher wenig Ver¬ ständnis gefunden hat. Es handelt sich um Schaffung einer einheitlichen Zeit, wie sie für unser Verkehrswesen, namentlich für den Eiseubahudienst, ein un- abweisliches Bedürfnis ist. Durch diesen Aufsatz soll versucht werden, das allgemeine Interesse für diesen Gegenstand anzuregen. Grundlage unsrer Zeitberechnung bildet die regelmäßige Bewegung der Erde um die Sonne und um sich selbst. Nach jener berechnen wir das Jahr, nach dieser den Tag. Wir nennen „Tag" im Gegensatz zur Nacht die Zeit, wo es hell ist, wo also die Sonne über dem Horizonte verweilt. Wir be¬ zeichnen als die Mitte des Tages den Zeitpunkt, wo die Sonne am höchsten steht, wo sie die Mittagslinie (den Meridian) durchläuft. Neben diesem na¬ türlichen Tage aber haben wir noch einen bürgerlichen Tag, der sich dadurch bildet, daß wir die Stunden der Nacht, und zwar in gleichen Abständen von der Mitte des Tages an morgens und abends, dem natürlichen Tage zu¬ rechnen. So entsteht der Begriff der Mitternacht, von der an wir den Anfang des Tages rechnen. Wir teilen den bürgerlichen Tag in zweimal In einem Aussatze, den die Grenzboten von 1889, Heft 20 brachten, ist im Vergleiche mit dem gegenwärtigen Aussatze die gegenteilige Ansicht vertreten. Wir haben jedoch diesem neuen Aufsatze eines Mitarbeiters umso weniger die Aufnahme versagt, als inzwischen für die d D. Red. arin vertretene Ansicht gewichtige Stimmen im Reichstage sich erhoben haben. Grenzboten UI 1891 55

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/441>, abgerufen am 13.11.2024.