Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.jeder in seinein Fache etwas Tüchtiges lernt. Dazu ist aber die akademische Ein Evangelium des Naturalismus meer der Mehrzahl der gebildeten Deutschen herrscht Wohl die jeder in seinein Fache etwas Tüchtiges lernt. Dazu ist aber die akademische Ein Evangelium des Naturalismus meer der Mehrzahl der gebildeten Deutschen herrscht Wohl die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0042" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289810"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_115" prev="#ID_114"> jeder in seinein Fache etwas Tüchtiges lernt. Dazu ist aber die akademische<lb/> Freiheit im alten Sinne nicht notwendig, dazu braucht es keiner Universität<lb/> im deutschen Sinne des Wortes, im Sinne der Haller und Leibniz, sondern<lb/> nur solcher Anstalten, wie sie Frankreich und England auch besitzen. Wie die<lb/> Naturwissenschaften dem Geiste mich der Metaphysik, mag sie theologischer<lb/> oder philosophischer Natur sein, entgegengesetzt sind und ihre Gegnerin im<lb/> Zeitgeiste überwunden haben, so sind sie auch den praktischen Ergebnissen ihrer<lb/> Entdeckungen nach der Institution der Universität feindlich und gehen dem<lb/> Siege entgegen. Schon jetzt haben in den Großstädten, wie Berlin und Leipzig,<lb/> die Universitäten den Charakter weltstädtischer Hochschule» angenommen, wo<lb/> mittelalterliche Romantik der Verbindungen nicht mehr recht gedeihen will. Dem<lb/> Namen nach wird es immer noch Universitäten geben, aber dem Wesen nach werden<lb/> diese Universitäten Hochschulen von mehr europäischem als deutschem Charakter<lb/> sein. Die Naturwissenschaften sind international. So wird auch der deutsche<lb/> Student zwar immer noch die Grundzüge des deutschen Nationalcharakters<lb/> bewahren, aber auch immer mehr die Eigentümlichkeiten abschleifen und ver¬<lb/> lieren, die ihn ohne zwingende Notwendigkeit von andern jungen Männern<lb/> höherer Vildnng und Lebensstellung unterscheiden. Die an den europäischen<lb/> Gentleman gestellten Anforderungen werden alsdann für seine Bildung so viel<lb/> bedeuten, daß die der heutigen Mode angehörende „Schneidigkeit" darüber ver¬<lb/> gessen werden wird. Die von der Erziehung des Jünglings angestrebte Tugend,<lb/> die ideale deutsche Universitätsbildung, wird dann ein solches Antlitz zeigen,<lb/> daß sie auch in andern Ländern als Tugend erkannt werden wird. Dann<lb/> wird sie aber voraussichtlich leine schmisse mehr auf den Wangen haben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Ein Evangelium des Naturalismus</head><lb/> <p xml:id="ID_116" next="#ID_117"> meer der Mehrzahl der gebildeten Deutschen herrscht Wohl die<lb/> Überzeugung, daß gegenwärtig unsre sogenannte schöne Litteratur<lb/> die pgrlio lwiitouso der deutscheu .Kultur sei. Der Naturalismus<lb/> scheint an der Spitze der Entwicklung zu marschiren, wenigstens<lb/> wenn man nach dem Getöse urteilen will, das er verursacht.<lb/> Aber so gewiß mancher gerade von denen, denen das Blühen und Gedeihen<lb/> unsrer Dichtung Herzenssache ist, damals, als die neue Richtung aufkam,<lb/> zunächst erfreut aufgeblickt haben mag, in der Meinung, es käme ein frischer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0042]
jeder in seinein Fache etwas Tüchtiges lernt. Dazu ist aber die akademische
Freiheit im alten Sinne nicht notwendig, dazu braucht es keiner Universität
im deutschen Sinne des Wortes, im Sinne der Haller und Leibniz, sondern
nur solcher Anstalten, wie sie Frankreich und England auch besitzen. Wie die
Naturwissenschaften dem Geiste mich der Metaphysik, mag sie theologischer
oder philosophischer Natur sein, entgegengesetzt sind und ihre Gegnerin im
Zeitgeiste überwunden haben, so sind sie auch den praktischen Ergebnissen ihrer
Entdeckungen nach der Institution der Universität feindlich und gehen dem
Siege entgegen. Schon jetzt haben in den Großstädten, wie Berlin und Leipzig,
die Universitäten den Charakter weltstädtischer Hochschule» angenommen, wo
mittelalterliche Romantik der Verbindungen nicht mehr recht gedeihen will. Dem
Namen nach wird es immer noch Universitäten geben, aber dem Wesen nach werden
diese Universitäten Hochschulen von mehr europäischem als deutschem Charakter
sein. Die Naturwissenschaften sind international. So wird auch der deutsche
Student zwar immer noch die Grundzüge des deutschen Nationalcharakters
bewahren, aber auch immer mehr die Eigentümlichkeiten abschleifen und ver¬
lieren, die ihn ohne zwingende Notwendigkeit von andern jungen Männern
höherer Vildnng und Lebensstellung unterscheiden. Die an den europäischen
Gentleman gestellten Anforderungen werden alsdann für seine Bildung so viel
bedeuten, daß die der heutigen Mode angehörende „Schneidigkeit" darüber ver¬
gessen werden wird. Die von der Erziehung des Jünglings angestrebte Tugend,
die ideale deutsche Universitätsbildung, wird dann ein solches Antlitz zeigen,
daß sie auch in andern Ländern als Tugend erkannt werden wird. Dann
wird sie aber voraussichtlich leine schmisse mehr auf den Wangen haben.
Ein Evangelium des Naturalismus
meer der Mehrzahl der gebildeten Deutschen herrscht Wohl die
Überzeugung, daß gegenwärtig unsre sogenannte schöne Litteratur
die pgrlio lwiitouso der deutscheu .Kultur sei. Der Naturalismus
scheint an der Spitze der Entwicklung zu marschiren, wenigstens
wenn man nach dem Getöse urteilen will, das er verursacht.
Aber so gewiß mancher gerade von denen, denen das Blühen und Gedeihen
unsrer Dichtung Herzenssache ist, damals, als die neue Richtung aufkam,
zunächst erfreut aufgeblickt haben mag, in der Meinung, es käme ein frischer
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