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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Wilhelm Zenseu

sehen werden, daß sich solchergestalt seine praktische Thätigkeit ganz und gar
auf den innerhalb des heutigen Protestantismus so heftig angefochtenen
Glaubenssatz von der Kirche als einer Heils- und Erziehungsanstalt stellt.
Weit entfernt davon, die Belehrung und Erbauung dem freien Belieben jedes
einzelnen Gemeindemitgliedes zu überlassen, mag er beides nicht einmal den
Predigern zu unbeaufsichtigter Übung anvertrauen. "Mich dünkt, sagt er an
derselben Stelle, wo man die Postillen gar hätte durchs Jahr, es wäre das
beste, daß man verordnete, die Postillen des Tages, ganz oder ein Stück, aus
dein Buche dein Volke vorzulesen, nicht allein um der Prediger willen, die es
nicht besser könnten, sondern auch um der Schwärmer und Sekten Treiben zu
verhüten; wie man siehet und spüret an den Homilien in den Melken pu
Priesterlichen Stuudengebet, das zwar jetzt nur noch als eine Privatobliegeu-
heit der katholische" Priester fortbesteht, ursprünglich aber öffentliches Chor¬
gebet war und an den Domkirchen noch heute ist; wenn es anch wegen der
dabei angewandten lateinischen Sprache dem Volke unverständlich bleibt^.
Sonst, wo nicht geistlicher Verstand und der Geist selbst redet durch die
Prediger (welchen ich nicht will hiemit Ziel setzen; der Geist lehret wohl besser
reden denn alle Homilien und Postillen), so kömmts doch endlich dahin, daß
ein jeglicher predigen wird, was er will, und anstatt des Evangelii und seiner
Auslegung wiederum von blauen Enten gepredigt wird."

(Fortsetzung folgt)




Wilhelm Imsen
(Schluß)

n jüngerer Zeit hat Imsen, diesmal rein für seine eigne
Person und ohne politisch-soziale Ausblicke daran zu knüpfen,
sodaß ihn hier die begonnene Antikritik nicht beirren kann, ein
neues Glaubensbekenntnis veröffentlicht, und diesmal nun auch
mit einer Lösung, die eben auch nur ganz von seiner Person
genommen und ausschließlich auf diese zugeschnitten ist, nur für sie über¬
haupt eine darstellt. Diese zweite Beichte ist sein schon erwähnter Roman
"Runensteine"*). Da sind in der Einleitung die drei Weltanschauungen,
die sich nicht vereinbaren lassen, zu überirdischen Frauenbildern verkörpert, die



*) Leipzig, dritte Auflage 1888.
Wilhelm Zenseu

sehen werden, daß sich solchergestalt seine praktische Thätigkeit ganz und gar
auf den innerhalb des heutigen Protestantismus so heftig angefochtenen
Glaubenssatz von der Kirche als einer Heils- und Erziehungsanstalt stellt.
Weit entfernt davon, die Belehrung und Erbauung dem freien Belieben jedes
einzelnen Gemeindemitgliedes zu überlassen, mag er beides nicht einmal den
Predigern zu unbeaufsichtigter Übung anvertrauen. „Mich dünkt, sagt er an
derselben Stelle, wo man die Postillen gar hätte durchs Jahr, es wäre das
beste, daß man verordnete, die Postillen des Tages, ganz oder ein Stück, aus
dein Buche dein Volke vorzulesen, nicht allein um der Prediger willen, die es
nicht besser könnten, sondern auch um der Schwärmer und Sekten Treiben zu
verhüten; wie man siehet und spüret an den Homilien in den Melken pu
Priesterlichen Stuudengebet, das zwar jetzt nur noch als eine Privatobliegeu-
heit der katholische« Priester fortbesteht, ursprünglich aber öffentliches Chor¬
gebet war und an den Domkirchen noch heute ist; wenn es anch wegen der
dabei angewandten lateinischen Sprache dem Volke unverständlich bleibt^.
Sonst, wo nicht geistlicher Verstand und der Geist selbst redet durch die
Prediger (welchen ich nicht will hiemit Ziel setzen; der Geist lehret wohl besser
reden denn alle Homilien und Postillen), so kömmts doch endlich dahin, daß
ein jeglicher predigen wird, was er will, und anstatt des Evangelii und seiner
Auslegung wiederum von blauen Enten gepredigt wird."

(Fortsetzung folgt)




Wilhelm Imsen
(Schluß)

n jüngerer Zeit hat Imsen, diesmal rein für seine eigne
Person und ohne politisch-soziale Ausblicke daran zu knüpfen,
sodaß ihn hier die begonnene Antikritik nicht beirren kann, ein
neues Glaubensbekenntnis veröffentlicht, und diesmal nun auch
mit einer Lösung, die eben auch nur ganz von seiner Person
genommen und ausschließlich auf diese zugeschnitten ist, nur für sie über¬
haupt eine darstellt. Diese zweite Beichte ist sein schon erwähnter Roman
„Runensteine"*). Da sind in der Einleitung die drei Weltanschauungen,
die sich nicht vereinbaren lassen, zu überirdischen Frauenbildern verkörpert, die



*) Leipzig, dritte Auflage 1888.
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[0413] Wilhelm Zenseu sehen werden, daß sich solchergestalt seine praktische Thätigkeit ganz und gar auf den innerhalb des heutigen Protestantismus so heftig angefochtenen Glaubenssatz von der Kirche als einer Heils- und Erziehungsanstalt stellt. Weit entfernt davon, die Belehrung und Erbauung dem freien Belieben jedes einzelnen Gemeindemitgliedes zu überlassen, mag er beides nicht einmal den Predigern zu unbeaufsichtigter Übung anvertrauen. „Mich dünkt, sagt er an derselben Stelle, wo man die Postillen gar hätte durchs Jahr, es wäre das beste, daß man verordnete, die Postillen des Tages, ganz oder ein Stück, aus dein Buche dein Volke vorzulesen, nicht allein um der Prediger willen, die es nicht besser könnten, sondern auch um der Schwärmer und Sekten Treiben zu verhüten; wie man siehet und spüret an den Homilien in den Melken pu Priesterlichen Stuudengebet, das zwar jetzt nur noch als eine Privatobliegeu- heit der katholische« Priester fortbesteht, ursprünglich aber öffentliches Chor¬ gebet war und an den Domkirchen noch heute ist; wenn es anch wegen der dabei angewandten lateinischen Sprache dem Volke unverständlich bleibt^. Sonst, wo nicht geistlicher Verstand und der Geist selbst redet durch die Prediger (welchen ich nicht will hiemit Ziel setzen; der Geist lehret wohl besser reden denn alle Homilien und Postillen), so kömmts doch endlich dahin, daß ein jeglicher predigen wird, was er will, und anstatt des Evangelii und seiner Auslegung wiederum von blauen Enten gepredigt wird." (Fortsetzung folgt) Wilhelm Imsen (Schluß) n jüngerer Zeit hat Imsen, diesmal rein für seine eigne Person und ohne politisch-soziale Ausblicke daran zu knüpfen, sodaß ihn hier die begonnene Antikritik nicht beirren kann, ein neues Glaubensbekenntnis veröffentlicht, und diesmal nun auch mit einer Lösung, die eben auch nur ganz von seiner Person genommen und ausschließlich auf diese zugeschnitten ist, nur für sie über¬ haupt eine darstellt. Diese zweite Beichte ist sein schon erwähnter Roman „Runensteine"*). Da sind in der Einleitung die drei Weltanschauungen, die sich nicht vereinbaren lassen, zu überirdischen Frauenbildern verkörpert, die *) Leipzig, dritte Auflage 1888.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/413>, abgerufen am 23.07.2024.