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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Die Sprachgrenze in Lothringen

land in der unangenehmen Lage, zugestehen zu müssen, daß es bei der Wahl
dieses Namens für die angeeigneten Bruchstücke der Departements Meurthe
und Moselle ebenso oberflächlich verfahren sei, als Frankreich urteilen würde,
wenn es auf Grund dieser Namenswahl uns zumutete , uns die Sache noch
einmal zu überlegen. Diese irrigen Vorstellungen in Frankreich unterstützen
wir auch heute noch fortwährend durch die unverbesserliche sprachliche Nach¬
lässigkeit, mit der man besonders im Norden von "den Neichslanden," von
"Elsaß und Lothringen" spricht, gerade als ob zwei sprachlich und national
getrennte Gebiete in Frage stünden.

So müßig nun auch die Vorschläge des "Staatsmannes" des "Figaro"
sind, so ist doch die Ermäßigung der französischen Forderungen Deutschland
gegenüber eine bemerkenswerte Thatsache, der wir einen andern Vorgang an¬
reihen können, zum Beweise, daß auch auf wissenschaftlichem Gebiete die
Grundlagen für die französischen Überforderungen ernsthafter geprüft werden.
Dabei ist insbesondre zu beachten, daß die seit 1870 von deutscher Seite fest¬
gestellten Thatsachen bezüglich der Sprach Verhältnisse in Lothringen allmählich
auch in Frankreich Anerkennung finden. Wenn wir von den Leistungen poli¬
tischer Schriftsteller, die die Verhetzung zwischen den beiden Völkern Pflegen,
ganz absehen und uns nur daran erinnern, wie Männer der Wissenschaft,
Elys6e de Reclus, Sedillot, Legont, Gaidoz u. f. w., der letztgenannte z. B.
in den Abhandlungen: I-Sö Apo^raxuos Möinaiuls sei I'^IZkios oder Des tra-
vaux M"ZMWä8 sur 1s. Aev^raxdis ne8 lanZuos en ^Isaee ot W IlorraivL
(likvus xolititzuö, März 1872 und liövue ass ane8ti<)ii8 ni8tori<zu68, Juli
1874) über Nationalität und Sprache der Einwohner von Elsaß-Lothringen
ihre Landsleute belehrt haben, so können wir jetzt mit Genugthuung eine
Schrift erwähnen, die mit diesen unhaltbaren französischen Fabeln, wenn auch
mit anderweitigen Vorbehalten, aufräumt. Es konnte ja anch nicht anders
kommen. Seit Einführung der deutschen Amtssprache im Reichslande war
unausgesetzt vorhergesagt worden, daß sich mit unabweislicher Notwendigkeit
unerträgliche Zustände ausbilden würden, während heute im Landesausschusse
ohne Schwierigkeit deutsch verhandelt wird. Die Looiöts as AsoKraMe. 6s
>'L3t in Nancy hat sich den unleugbaren Thatsachen gegenüber zu Zugeständ¬
nissen bequemt. Im Jahrgange 1890 dieser Zeitschrift erschien eine Studie
von Ch. Pfister, die dann auch gesondert veröffentlicht worden ist: umido
av 1^ liMAUL üiinemss se as 1-i iWAue Ä.1l6iniMäv su ^iMLe-lM-rains. Der
Verfasser zählt zunächst die vor und nach 1870 erschienenen deutschen Arbeiten
über diesen Gegenstand auf. In Frankreich war vor 1870 mir eine Abhand¬
lung erschienen, die nichts weiter ist, als die fehlerhafte Übersetzung einer
deutscheu Arbeit, deren Verfasser zu nennen der französische Bearbeiter ver¬
gessen hatte. Einige nicht zu rechtfertigende Ungenauigkeiten in frühern deutschen
Arbeiten werden von H. Pfister etwas über Gebühr gerügt; doch erkannte er


Die Sprachgrenze in Lothringen

land in der unangenehmen Lage, zugestehen zu müssen, daß es bei der Wahl
dieses Namens für die angeeigneten Bruchstücke der Departements Meurthe
und Moselle ebenso oberflächlich verfahren sei, als Frankreich urteilen würde,
wenn es auf Grund dieser Namenswahl uns zumutete , uns die Sache noch
einmal zu überlegen. Diese irrigen Vorstellungen in Frankreich unterstützen
wir auch heute noch fortwährend durch die unverbesserliche sprachliche Nach¬
lässigkeit, mit der man besonders im Norden von „den Neichslanden," von
„Elsaß und Lothringen" spricht, gerade als ob zwei sprachlich und national
getrennte Gebiete in Frage stünden.

So müßig nun auch die Vorschläge des „Staatsmannes" des „Figaro"
sind, so ist doch die Ermäßigung der französischen Forderungen Deutschland
gegenüber eine bemerkenswerte Thatsache, der wir einen andern Vorgang an¬
reihen können, zum Beweise, daß auch auf wissenschaftlichem Gebiete die
Grundlagen für die französischen Überforderungen ernsthafter geprüft werden.
Dabei ist insbesondre zu beachten, daß die seit 1870 von deutscher Seite fest¬
gestellten Thatsachen bezüglich der Sprach Verhältnisse in Lothringen allmählich
auch in Frankreich Anerkennung finden. Wenn wir von den Leistungen poli¬
tischer Schriftsteller, die die Verhetzung zwischen den beiden Völkern Pflegen,
ganz absehen und uns nur daran erinnern, wie Männer der Wissenschaft,
Elys6e de Reclus, Sedillot, Legont, Gaidoz u. f. w., der letztgenannte z. B.
in den Abhandlungen: I-Sö Apo^raxuos Möinaiuls sei I'^IZkios oder Des tra-
vaux M«ZMWä8 sur 1s. Aev^raxdis ne8 lanZuos en ^Isaee ot W IlorraivL
(likvus xolititzuö, März 1872 und liövue ass ane8ti<)ii8 ni8tori<zu68, Juli
1874) über Nationalität und Sprache der Einwohner von Elsaß-Lothringen
ihre Landsleute belehrt haben, so können wir jetzt mit Genugthuung eine
Schrift erwähnen, die mit diesen unhaltbaren französischen Fabeln, wenn auch
mit anderweitigen Vorbehalten, aufräumt. Es konnte ja anch nicht anders
kommen. Seit Einführung der deutschen Amtssprache im Reichslande war
unausgesetzt vorhergesagt worden, daß sich mit unabweislicher Notwendigkeit
unerträgliche Zustände ausbilden würden, während heute im Landesausschusse
ohne Schwierigkeit deutsch verhandelt wird. Die Looiöts as AsoKraMe. 6s
>'L3t in Nancy hat sich den unleugbaren Thatsachen gegenüber zu Zugeständ¬
nissen bequemt. Im Jahrgange 1890 dieser Zeitschrift erschien eine Studie
von Ch. Pfister, die dann auch gesondert veröffentlicht worden ist: umido
av 1^ liMAUL üiinemss se as 1-i iWAue Ä.1l6iniMäv su ^iMLe-lM-rains. Der
Verfasser zählt zunächst die vor und nach 1870 erschienenen deutschen Arbeiten
über diesen Gegenstand auf. In Frankreich war vor 1870 mir eine Abhand¬
lung erschienen, die nichts weiter ist, als die fehlerhafte Übersetzung einer
deutscheu Arbeit, deren Verfasser zu nennen der französische Bearbeiter ver¬
gessen hatte. Einige nicht zu rechtfertigende Ungenauigkeiten in frühern deutschen
Arbeiten werden von H. Pfister etwas über Gebühr gerügt; doch erkannte er


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[0364] Die Sprachgrenze in Lothringen land in der unangenehmen Lage, zugestehen zu müssen, daß es bei der Wahl dieses Namens für die angeeigneten Bruchstücke der Departements Meurthe und Moselle ebenso oberflächlich verfahren sei, als Frankreich urteilen würde, wenn es auf Grund dieser Namenswahl uns zumutete , uns die Sache noch einmal zu überlegen. Diese irrigen Vorstellungen in Frankreich unterstützen wir auch heute noch fortwährend durch die unverbesserliche sprachliche Nach¬ lässigkeit, mit der man besonders im Norden von „den Neichslanden," von „Elsaß und Lothringen" spricht, gerade als ob zwei sprachlich und national getrennte Gebiete in Frage stünden. So müßig nun auch die Vorschläge des „Staatsmannes" des „Figaro" sind, so ist doch die Ermäßigung der französischen Forderungen Deutschland gegenüber eine bemerkenswerte Thatsache, der wir einen andern Vorgang an¬ reihen können, zum Beweise, daß auch auf wissenschaftlichem Gebiete die Grundlagen für die französischen Überforderungen ernsthafter geprüft werden. Dabei ist insbesondre zu beachten, daß die seit 1870 von deutscher Seite fest¬ gestellten Thatsachen bezüglich der Sprach Verhältnisse in Lothringen allmählich auch in Frankreich Anerkennung finden. Wenn wir von den Leistungen poli¬ tischer Schriftsteller, die die Verhetzung zwischen den beiden Völkern Pflegen, ganz absehen und uns nur daran erinnern, wie Männer der Wissenschaft, Elys6e de Reclus, Sedillot, Legont, Gaidoz u. f. w., der letztgenannte z. B. in den Abhandlungen: I-Sö Apo^raxuos Möinaiuls sei I'^IZkios oder Des tra- vaux M«ZMWä8 sur 1s. Aev^raxdis ne8 lanZuos en ^Isaee ot W IlorraivL (likvus xolititzuö, März 1872 und liövue ass ane8ti<)ii8 ni8tori<zu68, Juli 1874) über Nationalität und Sprache der Einwohner von Elsaß-Lothringen ihre Landsleute belehrt haben, so können wir jetzt mit Genugthuung eine Schrift erwähnen, die mit diesen unhaltbaren französischen Fabeln, wenn auch mit anderweitigen Vorbehalten, aufräumt. Es konnte ja anch nicht anders kommen. Seit Einführung der deutschen Amtssprache im Reichslande war unausgesetzt vorhergesagt worden, daß sich mit unabweislicher Notwendigkeit unerträgliche Zustände ausbilden würden, während heute im Landesausschusse ohne Schwierigkeit deutsch verhandelt wird. Die Looiöts as AsoKraMe. 6s >'L3t in Nancy hat sich den unleugbaren Thatsachen gegenüber zu Zugeständ¬ nissen bequemt. Im Jahrgange 1890 dieser Zeitschrift erschien eine Studie von Ch. Pfister, die dann auch gesondert veröffentlicht worden ist: umido av 1^ liMAUL üiinemss se as 1-i iWAue Ä.1l6iniMäv su ^iMLe-lM-rains. Der Verfasser zählt zunächst die vor und nach 1870 erschienenen deutschen Arbeiten über diesen Gegenstand auf. In Frankreich war vor 1870 mir eine Abhand¬ lung erschienen, die nichts weiter ist, als die fehlerhafte Übersetzung einer deutscheu Arbeit, deren Verfasser zu nennen der französische Bearbeiter ver¬ gessen hatte. Einige nicht zu rechtfertigende Ungenauigkeiten in frühern deutschen Arbeiten werden von H. Pfister etwas über Gebühr gerügt; doch erkannte er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/364>, abgerufen am 23.07.2024.