Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Stelle aus, halb zugedeckt mit aufgeschichteten Mauersteinen und Ziegeln; statt Mit einer Schultasche am Arme kam ein junges Mädchen quer über den in h Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Herrschaft des Kapitalismus. Ist die "Herrschaft des Kapitalis¬ Wenn so gewaltige Thatsachen wie die heutige Kapitalshcrrschaft keck geleugnet Maßgebliches und Unmaßgebliches Stelle aus, halb zugedeckt mit aufgeschichteten Mauersteinen und Ziegeln; statt Mit einer Schultasche am Arme kam ein junges Mädchen quer über den in h Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Herrschaft des Kapitalismus. Ist die „Herrschaft des Kapitalis¬ Wenn so gewaltige Thatsachen wie die heutige Kapitalshcrrschaft keck geleugnet <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0339" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290108"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_969" prev="#ID_968"> Stelle aus, halb zugedeckt mit aufgeschichteten Mauersteinen und Ziegeln; statt<lb/> der hohen Georginen und Stockrosen lehnten Bretter und Latten an der Wand.<lb/> Nur ein letzter alter Aprikvsenbaum klammerte seine mit Kalk bespritzten Zweige<lb/> wie hilfesuchend an die Mauer an. Mechanisch ging ich ein paar Schritte<lb/> vorwärts, Spinnweben zogen sich silbern flimmernd vor mir hin und legten<lb/> sich mir um Gesicht und Hände, ein Zeichen, daß seit Wochen hier kein Mensch<lb/> gegangen war. Da stockte mir der Herzschlag einen Augenblick, und ich sah<lb/> regungslos vor mich nieder. Halb zwischen Schutt und Mörtel lagen die<lb/> alten Steingrübcr, und mein Auge las: „Hier ruhet in Gott die Schwester<lb/> Josepha," mehr konnte ich nicht sehen vor verdunkelnden Thränen. Ein<lb/> Schauer erfaßte mich in der kühlen Stille, in der nur meine Schritte wieder¬<lb/> hallten. Ich warf noch einen letzten Blick zurück, dann ging ich hastig zur<lb/> Pforte hinaus.</p><lb/> <p xml:id="ID_970"> Mit einer Schultasche am Arme kam ein junges Mädchen quer über den<lb/> Platz daher. Unwillkürlich fragte ich sie: Wird denn die Schule nicht mehr<lb/> benutzt? Verwundert sah sie mich an und sagte: O nein, schon lange nicht<lb/> mehr! Wir haben ein viel schöneres, ganz neues Schulhaus mitten in der<lb/> Stadt bekommen. Das hier war doch nachgerade recht alt und schlecht!<lb/> Verschiedne Fragen wollten sich mir noch auf die Lippen drängen, doch eine<lb/> Art aufsteigender Furcht hielt sie zurück. Stumm nickte ich der Kleinen zu. dann<lb/> ging ich langsam den altvertrauten Kinderschulweg nach dem Elternhause.</p><lb/> <note type="byline"> in h</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Die Herrschaft des Kapitalismus.</head> <p xml:id="ID_971"> Ist die „Herrschaft des Kapitalis¬<lb/> mus" wirklich eine leere Redensart? Am ersten Sonntag im August jammerten<lb/> Zwei Zeitungen ein und derselben Großstadt, eine freikonservative und eine deutsch¬<lb/> freisinnige, ganz in demselben Tone über die heillose Verwirrung, die von ge¬<lb/> wissen idealistischen und phantastischen Professoren in den Köpfen angerichtet worden<lb/> sei; anstatt, wie sichs gebühre, den Sozialismus als ein Truggebilde in Bausch<lb/> und Bogen zu verurteilen, hätten jene Herren diesem verderblichen Lehrgebäude<lb/> sehr bedenkliche Zugeständnisse gemacht. So habe mau, heißt es in dem deutsch-<lb/> freisinnigen Blatte u. a., den Klagen über die angebliche Kapitalshcrrschaft Be¬<lb/> rechtigung eingeräumt. Was sei denn das, Kapitnlsherrschaft? Wenn die Redensart<lb/> überhaupt eiuen Sinu habe, dann könne sie doch höchstens bedeuten, daß wir<lb/> Heutigen mehr Kapital besäßen als unsre Vorfahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_972" next="#ID_973"> Wenn so gewaltige Thatsachen wie die heutige Kapitalshcrrschaft keck geleugnet<lb/> oder mit Hilfe einer Begriffsverdrehnng wegdisputirt werden, dann bleibt eben</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0339]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Stelle aus, halb zugedeckt mit aufgeschichteten Mauersteinen und Ziegeln; statt
der hohen Georginen und Stockrosen lehnten Bretter und Latten an der Wand.
Nur ein letzter alter Aprikvsenbaum klammerte seine mit Kalk bespritzten Zweige
wie hilfesuchend an die Mauer an. Mechanisch ging ich ein paar Schritte
vorwärts, Spinnweben zogen sich silbern flimmernd vor mir hin und legten
sich mir um Gesicht und Hände, ein Zeichen, daß seit Wochen hier kein Mensch
gegangen war. Da stockte mir der Herzschlag einen Augenblick, und ich sah
regungslos vor mich nieder. Halb zwischen Schutt und Mörtel lagen die
alten Steingrübcr, und mein Auge las: „Hier ruhet in Gott die Schwester
Josepha," mehr konnte ich nicht sehen vor verdunkelnden Thränen. Ein
Schauer erfaßte mich in der kühlen Stille, in der nur meine Schritte wieder¬
hallten. Ich warf noch einen letzten Blick zurück, dann ging ich hastig zur
Pforte hinaus.
Mit einer Schultasche am Arme kam ein junges Mädchen quer über den
Platz daher. Unwillkürlich fragte ich sie: Wird denn die Schule nicht mehr
benutzt? Verwundert sah sie mich an und sagte: O nein, schon lange nicht
mehr! Wir haben ein viel schöneres, ganz neues Schulhaus mitten in der
Stadt bekommen. Das hier war doch nachgerade recht alt und schlecht!
Verschiedne Fragen wollten sich mir noch auf die Lippen drängen, doch eine
Art aufsteigender Furcht hielt sie zurück. Stumm nickte ich der Kleinen zu. dann
ging ich langsam den altvertrauten Kinderschulweg nach dem Elternhause.
in h
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Herrschaft des Kapitalismus. Ist die „Herrschaft des Kapitalis¬
mus" wirklich eine leere Redensart? Am ersten Sonntag im August jammerten
Zwei Zeitungen ein und derselben Großstadt, eine freikonservative und eine deutsch¬
freisinnige, ganz in demselben Tone über die heillose Verwirrung, die von ge¬
wissen idealistischen und phantastischen Professoren in den Köpfen angerichtet worden
sei; anstatt, wie sichs gebühre, den Sozialismus als ein Truggebilde in Bausch
und Bogen zu verurteilen, hätten jene Herren diesem verderblichen Lehrgebäude
sehr bedenkliche Zugeständnisse gemacht. So habe mau, heißt es in dem deutsch-
freisinnigen Blatte u. a., den Klagen über die angebliche Kapitalshcrrschaft Be¬
rechtigung eingeräumt. Was sei denn das, Kapitnlsherrschaft? Wenn die Redensart
überhaupt eiuen Sinu habe, dann könne sie doch höchstens bedeuten, daß wir
Heutigen mehr Kapital besäßen als unsre Vorfahren.
Wenn so gewaltige Thatsachen wie die heutige Kapitalshcrrschaft keck geleugnet
oder mit Hilfe einer Begriffsverdrehnng wegdisputirt werden, dann bleibt eben
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