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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Aus dänischer Zeit

Bewerbungen um die schöne Künstlerin eifrig unterstützte. Arneth war ein
stiller Bewerber, und darum fand er schließlich Gehör. Sein Sohn teilt die
Antwort mit, die Toni der Werbung gab -- sie ist zu hübsch, als daß wir
sie uicht noch mitteilen sollen. "Verzeihen Sie, daß ich Ihnen nicht ernster
zu erwidern vermag," schrieb sie in ihrer fröhlichen Weise. "Ich bin sehr, sehr
vergnügt und heiter, es lacht alles um mich, in mir, und darum kann ich Ihnen
nichts andres sagen als dies: "Ich habe Sie von ganzem Herzen lieb, habe
keine Freude, keine Zufriedenheit als Ihr Glück und recht festen, ernsten
Willen für das Gute; daß davon Mut im Unglück unzertrennlich ist, glaube ich.""

Das geschah am 9. Mai 1817, und schon am 17. Juni nahm sie in der
Rolle der Jertha in Houwalds "Schuld," in der sie ein Liebling des Publi¬
kums geworden war, für immer Abschied von der Bühne. Dabei bemühte sie
sich, dem Sturme des Beifalls ohne allzuviel Rührung Widerstand zu leisten,
denn sie fürchtete, die Rührung würde sie übermannen und Arneth könnte
vielleicht den Gedanken fassen, der Abschied sei ein zu großes Opfer für sie.
Zwei Tage darauf fand in aller Stille die Trauung in einem Schlosse des
mit Arneth befreundeten Fürsten Dietrichstein bei Wien statt.

Ihr Eheleben war sehr glücklich; sie nahm eine angesehene Stellung in
der Wiener Gesellschaft ein und hatte das Glück, in ihren zwei Söhnen her¬
vorragende Gelehrte -- der um ein Jahr ältere Bruder des Historikers wurde
Arzt -- heranwachsen zu sehen.


M N


Aus dänischer Zeit
Der Stadtmusikus

es bilde mir ein, noch gar nicht so sehr alt zu sein; aber wenn
ich über den Kirchhof meiner kleinen Vaterstadt gehe, so komme
ich mir steinalt vor. Habe ich doch dort fast mehr Freunde als
im Städtchen. Dicht an der großen Kirche liegt das Armc-
sünderplätzchen. Es ist kalt und düster und liegt nach Norden,
im Schatten eines andern Hauses, sodaß es uicht verwunderlich ist, wenn
kein Sonnenstrahl auf die zwei Kreuze fällt, die dort stehe". Auf dem einen
steht kein Name geschrieben, aber ich weiß doch, wer dort liegt, und würde
es auch nicht vergessen.

Während ich an dem zusammengesunkenen Hügel stehe, klingt Musik die
Straße herauf. Es ist eine Gilde, die ihr Sommerfest auf dem Schießplatze
feiert. Den Gevatter Schneidern und Handschuhmachern zieht die Musik


Aus dänischer Zeit

Bewerbungen um die schöne Künstlerin eifrig unterstützte. Arneth war ein
stiller Bewerber, und darum fand er schließlich Gehör. Sein Sohn teilt die
Antwort mit, die Toni der Werbung gab — sie ist zu hübsch, als daß wir
sie uicht noch mitteilen sollen. „Verzeihen Sie, daß ich Ihnen nicht ernster
zu erwidern vermag," schrieb sie in ihrer fröhlichen Weise. „Ich bin sehr, sehr
vergnügt und heiter, es lacht alles um mich, in mir, und darum kann ich Ihnen
nichts andres sagen als dies: »Ich habe Sie von ganzem Herzen lieb, habe
keine Freude, keine Zufriedenheit als Ihr Glück und recht festen, ernsten
Willen für das Gute; daß davon Mut im Unglück unzertrennlich ist, glaube ich.«"

Das geschah am 9. Mai 1817, und schon am 17. Juni nahm sie in der
Rolle der Jertha in Houwalds „Schuld," in der sie ein Liebling des Publi¬
kums geworden war, für immer Abschied von der Bühne. Dabei bemühte sie
sich, dem Sturme des Beifalls ohne allzuviel Rührung Widerstand zu leisten,
denn sie fürchtete, die Rührung würde sie übermannen und Arneth könnte
vielleicht den Gedanken fassen, der Abschied sei ein zu großes Opfer für sie.
Zwei Tage darauf fand in aller Stille die Trauung in einem Schlosse des
mit Arneth befreundeten Fürsten Dietrichstein bei Wien statt.

Ihr Eheleben war sehr glücklich; sie nahm eine angesehene Stellung in
der Wiener Gesellschaft ein und hatte das Glück, in ihren zwei Söhnen her¬
vorragende Gelehrte — der um ein Jahr ältere Bruder des Historikers wurde
Arzt — heranwachsen zu sehen.


M N


Aus dänischer Zeit
Der Stadtmusikus

es bilde mir ein, noch gar nicht so sehr alt zu sein; aber wenn
ich über den Kirchhof meiner kleinen Vaterstadt gehe, so komme
ich mir steinalt vor. Habe ich doch dort fast mehr Freunde als
im Städtchen. Dicht an der großen Kirche liegt das Armc-
sünderplätzchen. Es ist kalt und düster und liegt nach Norden,
im Schatten eines andern Hauses, sodaß es uicht verwunderlich ist, wenn
kein Sonnenstrahl auf die zwei Kreuze fällt, die dort stehe». Auf dem einen
steht kein Name geschrieben, aber ich weiß doch, wer dort liegt, und würde
es auch nicht vergessen.

Während ich an dem zusammengesunkenen Hügel stehe, klingt Musik die
Straße herauf. Es ist eine Gilde, die ihr Sommerfest auf dem Schießplatze
feiert. Den Gevatter Schneidern und Handschuhmachern zieht die Musik


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[0291] Aus dänischer Zeit Bewerbungen um die schöne Künstlerin eifrig unterstützte. Arneth war ein stiller Bewerber, und darum fand er schließlich Gehör. Sein Sohn teilt die Antwort mit, die Toni der Werbung gab — sie ist zu hübsch, als daß wir sie uicht noch mitteilen sollen. „Verzeihen Sie, daß ich Ihnen nicht ernster zu erwidern vermag," schrieb sie in ihrer fröhlichen Weise. „Ich bin sehr, sehr vergnügt und heiter, es lacht alles um mich, in mir, und darum kann ich Ihnen nichts andres sagen als dies: »Ich habe Sie von ganzem Herzen lieb, habe keine Freude, keine Zufriedenheit als Ihr Glück und recht festen, ernsten Willen für das Gute; daß davon Mut im Unglück unzertrennlich ist, glaube ich.«" Das geschah am 9. Mai 1817, und schon am 17. Juni nahm sie in der Rolle der Jertha in Houwalds „Schuld," in der sie ein Liebling des Publi¬ kums geworden war, für immer Abschied von der Bühne. Dabei bemühte sie sich, dem Sturme des Beifalls ohne allzuviel Rührung Widerstand zu leisten, denn sie fürchtete, die Rührung würde sie übermannen und Arneth könnte vielleicht den Gedanken fassen, der Abschied sei ein zu großes Opfer für sie. Zwei Tage darauf fand in aller Stille die Trauung in einem Schlosse des mit Arneth befreundeten Fürsten Dietrichstein bei Wien statt. Ihr Eheleben war sehr glücklich; sie nahm eine angesehene Stellung in der Wiener Gesellschaft ein und hatte das Glück, in ihren zwei Söhnen her¬ vorragende Gelehrte — der um ein Jahr ältere Bruder des Historikers wurde Arzt — heranwachsen zu sehen. M N Aus dänischer Zeit Der Stadtmusikus es bilde mir ein, noch gar nicht so sehr alt zu sein; aber wenn ich über den Kirchhof meiner kleinen Vaterstadt gehe, so komme ich mir steinalt vor. Habe ich doch dort fast mehr Freunde als im Städtchen. Dicht an der großen Kirche liegt das Armc- sünderplätzchen. Es ist kalt und düster und liegt nach Norden, im Schatten eines andern Hauses, sodaß es uicht verwunderlich ist, wenn kein Sonnenstrahl auf die zwei Kreuze fällt, die dort stehe». Auf dem einen steht kein Name geschrieben, aber ich weiß doch, wer dort liegt, und würde es auch nicht vergessen. Während ich an dem zusammengesunkenen Hügel stehe, klingt Musik die Straße herauf. Es ist eine Gilde, die ihr Sommerfest auf dem Schießplatze feiert. Den Gevatter Schneidern und Handschuhmachern zieht die Musik

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/291>, abgerufen am 13.11.2024.