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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Theodor Körners Braut

zwölften male, Eure Majestät, halten zu Gnaden", war die demütige Antwort.
"Nun so soll sie", erwiderte die Kaiserin, "weil sie eine brave Frau ist,
künftighin aus meinem Kammerbcutel zweihundert Gulden zu beziehen haben."
Zu meiner Urgroßmutter fühlte sich die erhabene Monarchin auch durch die
Sympathie hingezogen, die sie gleichsam aus einem unbestimmten Gefühle der
Kollegialität für Frauen empfand, die gleich ihr in glücklicher Ehe sehr viele
Kinder geboren hatten." Diese Beziehungen zum Kaiserhause, das sich immer
fürs Theater lebhaft interessirte, wurden viele Jahre später, in der letzten
Regierungszeit Kaisers Franz I. in dem Verkehre der Frau Arneth mit der
Kaiserin Karoline Auguste sehr innig: Frau Arneth war einige Zeit hindurch
Vertrauensperson der wohlthätige" Monarchin, diente ihr auch zuweilen als
Vorleserin. Seine gut kaiserliche Gesinnung, der der Geschichtschreiber auch
in diesem Buche Ausdruck leiht, hat er also gleichsam mit der Muttermilch
eingesogen.

Mit achtzehn Jahren also war Antonie Adamberger schon mit lebens¬
länglichem Dekret angestelltes Mitglied des Burgtheaters. Sie war bald der
erklärte Liebling des damals sehr theaterlustigen Publikums. Beschäftigt war
sie im Fach der naiven Liebhaberin im Lustspiel, aber auch in dem der naiven
Heroine; neben den modischen Stücken Kotzevues und Ifflands spielte sie auch
die Beatrice, die Desdemonci, die Emilia Galotti, das Klärcheu. Diese letzte
Rolle gab ihr Gelegenheit, mit Beethoven zu Verkehren, als er die Aufgabe
übernommen hatte, die Musik zum "Egmont" zu schreiben. Über dieses einzige
Zusammentreffen mit dem Tondichter hat Frau Arneth 1867 so anschaulich
schon berichtet, daß wir ihren Bericht hier mitteilen wollen, obwohl er in der
Biographie Beethovens von Thaer schon enthalten ist; er wird wenigen Lesern
bekannt sein. "Ich war damals -- schreibt sie -- ein kindliches, heiteres, fröhlich
junges Ding, das Beethovens Wert uicht zu schützen wußte, und dem er auch
gar nicht imponirte, während ich jetzt mit sechsundsiebzig Jahren das Glück, ihn
gekannt zu haben, vollkommen fühle. Daher kam es auch, daß ich ihm ohne
alle Befangenheit entgegentrat, als meine selige Tante, meine Erzieherin und
Wohlthäterin, mich auf ihr Zimmer rief und ihn mir nannte. Seine Frage:
"Können Sie singen?" beantwortete ich mit einem unbefangenen: "Nein!"
Erstaunt betrachtete mich Beethoven und sagte lachend: "Nein? Ich soll ja
Lieder zum Egmont für sie setzen." Ich erwiderte ganz einfach, daß ich nur
vier Monate gesungen, nach einer Heiserkeit aber aufgehört hatte, weil man
fürchtete, daß bei meinem angestrengten Studium des Nezitirens mein Organ
leiden könnte. Da sagte er lustig im scherzhaft angenommenen Wiener
Dialekt: "Nun, das wird was Sauberes werden," und von seiner Seite wurde
es etwas Herrliches. Wir gingen an das Klavier, und meine Musikalien
-- alte Erbstücke von meinem Vater, die ich alle wie ein Papagei ihm nach¬
sang und zu dieser Stunde noch auswendig weiß -- umstörend, fand er


Theodor Körners Braut

zwölften male, Eure Majestät, halten zu Gnaden«, war die demütige Antwort.
»Nun so soll sie«, erwiderte die Kaiserin, »weil sie eine brave Frau ist,
künftighin aus meinem Kammerbcutel zweihundert Gulden zu beziehen haben.«
Zu meiner Urgroßmutter fühlte sich die erhabene Monarchin auch durch die
Sympathie hingezogen, die sie gleichsam aus einem unbestimmten Gefühle der
Kollegialität für Frauen empfand, die gleich ihr in glücklicher Ehe sehr viele
Kinder geboren hatten." Diese Beziehungen zum Kaiserhause, das sich immer
fürs Theater lebhaft interessirte, wurden viele Jahre später, in der letzten
Regierungszeit Kaisers Franz I. in dem Verkehre der Frau Arneth mit der
Kaiserin Karoline Auguste sehr innig: Frau Arneth war einige Zeit hindurch
Vertrauensperson der wohlthätige« Monarchin, diente ihr auch zuweilen als
Vorleserin. Seine gut kaiserliche Gesinnung, der der Geschichtschreiber auch
in diesem Buche Ausdruck leiht, hat er also gleichsam mit der Muttermilch
eingesogen.

Mit achtzehn Jahren also war Antonie Adamberger schon mit lebens¬
länglichem Dekret angestelltes Mitglied des Burgtheaters. Sie war bald der
erklärte Liebling des damals sehr theaterlustigen Publikums. Beschäftigt war
sie im Fach der naiven Liebhaberin im Lustspiel, aber auch in dem der naiven
Heroine; neben den modischen Stücken Kotzevues und Ifflands spielte sie auch
die Beatrice, die Desdemonci, die Emilia Galotti, das Klärcheu. Diese letzte
Rolle gab ihr Gelegenheit, mit Beethoven zu Verkehren, als er die Aufgabe
übernommen hatte, die Musik zum „Egmont" zu schreiben. Über dieses einzige
Zusammentreffen mit dem Tondichter hat Frau Arneth 1867 so anschaulich
schon berichtet, daß wir ihren Bericht hier mitteilen wollen, obwohl er in der
Biographie Beethovens von Thaer schon enthalten ist; er wird wenigen Lesern
bekannt sein. „Ich war damals — schreibt sie — ein kindliches, heiteres, fröhlich
junges Ding, das Beethovens Wert uicht zu schützen wußte, und dem er auch
gar nicht imponirte, während ich jetzt mit sechsundsiebzig Jahren das Glück, ihn
gekannt zu haben, vollkommen fühle. Daher kam es auch, daß ich ihm ohne
alle Befangenheit entgegentrat, als meine selige Tante, meine Erzieherin und
Wohlthäterin, mich auf ihr Zimmer rief und ihn mir nannte. Seine Frage:
»Können Sie singen?« beantwortete ich mit einem unbefangenen: »Nein!«
Erstaunt betrachtete mich Beethoven und sagte lachend: »Nein? Ich soll ja
Lieder zum Egmont für sie setzen.« Ich erwiderte ganz einfach, daß ich nur
vier Monate gesungen, nach einer Heiserkeit aber aufgehört hatte, weil man
fürchtete, daß bei meinem angestrengten Studium des Nezitirens mein Organ
leiden könnte. Da sagte er lustig im scherzhaft angenommenen Wiener
Dialekt: »Nun, das wird was Sauberes werden,« und von seiner Seite wurde
es etwas Herrliches. Wir gingen an das Klavier, und meine Musikalien
— alte Erbstücke von meinem Vater, die ich alle wie ein Papagei ihm nach¬
sang und zu dieser Stunde noch auswendig weiß — umstörend, fand er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/288>, abgerufen am 26.08.2024.