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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Zur deutschen Wirtschaftsgeschichte

Felix Dahn sagt, da sie ja weiter nichts nötig hatten, als die römisch ge¬
schulten Kvlouen und Sklaven, die sie auf den eroberten Gütern vorfanden,
ruhig weiter arbeiten zu lassen) und später auch in dein unterworfenen rechts¬
rheinischen Deutschland einführten. Durch diese Konzentration und gleich¬
zeitige Vervollkommnung der Landwirtschaft ward der Ertrag so bedeutend
gesteigert, daß Arbeitskräfte genug frei wurden für die (anfangs nur auf dem
Frvhnhofe, später teilweise als Hausindustrie betriebenen) Handwerke, für
weitere Verbesserungen der Landwirtschaft und andre Knlturaufgaben, z.B.
Pflege des Kunsthaudswerks in Klosterwerkstätten.

Unter den sächsischen und fränkischen Kaisern dehnten sich zwar zunächst
die großen Grundherrschaften noch mehr aus und verdrängten vollends die
Reste der in Markgenossenschaften verbundnen Geineinfreien, die unter Karl
dein Großen noch so ansehnlich gewesen waren, daß sein Staat, wie Felix
Dahn gezeigt hat, noch auf den Unterthanenverband, nicht schon auf den
Lehnsverband gegründet gewesen war. Aber für diese Einbeziehung der letzten
Gemeinfrcien in die großen Gutsverbände waren mehr herrschaftliche als wirt¬
schaftliche Interessen maßgebend; die kleinern Besitzer wurden ans dein un¬
mittelbaren Unterthanenverbande des Königs gelöst und in den eines Grafen,
Bischofs oder Abtes eingefügt, der Wirtschaftsverband des großen Gutes
aber wurde dadurch weder vergrößert uoch stärker konzentrirt, vielmehr all¬
mählich vermindert, gelockert und aufgelöst. Von den Höfen wurde nicht mehr
der ganze nach Ernten wechselnde Überschuß gefordert, sondern eine feste
Natnralrente, die hie und da in einen Geldzins überging, sodaß aus dem
Hörigen ein Zinsbauer ward, der sich nur durch den Zins von seinem ganz
freien Ahnherrn unterschied und dabei infolge der bessern Bewirtschaftung
seines Gutes weit angenehmer lebte, als wie dieser gelebt hatte. In ähnlicher
Weise wurden die Frohnden mit Rente abgelöst, schon darum, weil sie uicht
mehr im frühern Umfange nötig waren. Denn auch die unmittelbare Bewirt-
schaftung des Sallandes ging zurück, indem immer mehr Teile als Bauerhufen
ausgethan oder zu Lehn gegeben wurden. Und nicht allein die Nachkommen
freier Bauern, sondern auch viele von alters her unfreie Leute stiegen auf
dem angegebenen Wege zu größerer Freiheit empor.

Drei Mächte wirkten zusammen, dieses Befreiungswerk zu fördern. Ein¬
mal die Kirche, die doch, obgleich die geistlichen Stifte selbst mit Leibeignen
wirtschafteten, stets den Gedanken lebendig erhielt, daß Sklaverei im strengen
Sinne des Wortes ein des Menschen unwürdiger Zustand sei. Dann die fort¬
schreitende Geldmirtschaft, die es der Gutsherrschaft möglich machte, mit dem von
den Zinspflichtigen bezogenen Gelde ihre Bedürfnisse auf dem Markte einzukaufen,
was weit bequemer für sie war, als die Versorgung dnrch die Leistungen von
Hörigen, sodaß ihr ein pünktlicher und sonst freier Zinsenzahler nützlicher schien,
als ein höriger Frohnbauer. Endlich die Kolonisation im Osten, die uicht


Zur deutschen Wirtschaftsgeschichte

Felix Dahn sagt, da sie ja weiter nichts nötig hatten, als die römisch ge¬
schulten Kvlouen und Sklaven, die sie auf den eroberten Gütern vorfanden,
ruhig weiter arbeiten zu lassen) und später auch in dein unterworfenen rechts¬
rheinischen Deutschland einführten. Durch diese Konzentration und gleich¬
zeitige Vervollkommnung der Landwirtschaft ward der Ertrag so bedeutend
gesteigert, daß Arbeitskräfte genug frei wurden für die (anfangs nur auf dem
Frvhnhofe, später teilweise als Hausindustrie betriebenen) Handwerke, für
weitere Verbesserungen der Landwirtschaft und andre Knlturaufgaben, z.B.
Pflege des Kunsthaudswerks in Klosterwerkstätten.

Unter den sächsischen und fränkischen Kaisern dehnten sich zwar zunächst
die großen Grundherrschaften noch mehr aus und verdrängten vollends die
Reste der in Markgenossenschaften verbundnen Geineinfreien, die unter Karl
dein Großen noch so ansehnlich gewesen waren, daß sein Staat, wie Felix
Dahn gezeigt hat, noch auf den Unterthanenverband, nicht schon auf den
Lehnsverband gegründet gewesen war. Aber für diese Einbeziehung der letzten
Gemeinfrcien in die großen Gutsverbände waren mehr herrschaftliche als wirt¬
schaftliche Interessen maßgebend; die kleinern Besitzer wurden ans dein un¬
mittelbaren Unterthanenverbande des Königs gelöst und in den eines Grafen,
Bischofs oder Abtes eingefügt, der Wirtschaftsverband des großen Gutes
aber wurde dadurch weder vergrößert uoch stärker konzentrirt, vielmehr all¬
mählich vermindert, gelockert und aufgelöst. Von den Höfen wurde nicht mehr
der ganze nach Ernten wechselnde Überschuß gefordert, sondern eine feste
Natnralrente, die hie und da in einen Geldzins überging, sodaß aus dem
Hörigen ein Zinsbauer ward, der sich nur durch den Zins von seinem ganz
freien Ahnherrn unterschied und dabei infolge der bessern Bewirtschaftung
seines Gutes weit angenehmer lebte, als wie dieser gelebt hatte. In ähnlicher
Weise wurden die Frohnden mit Rente abgelöst, schon darum, weil sie uicht
mehr im frühern Umfange nötig waren. Denn auch die unmittelbare Bewirt-
schaftung des Sallandes ging zurück, indem immer mehr Teile als Bauerhufen
ausgethan oder zu Lehn gegeben wurden. Und nicht allein die Nachkommen
freier Bauern, sondern auch viele von alters her unfreie Leute stiegen auf
dem angegebenen Wege zu größerer Freiheit empor.

Drei Mächte wirkten zusammen, dieses Befreiungswerk zu fördern. Ein¬
mal die Kirche, die doch, obgleich die geistlichen Stifte selbst mit Leibeignen
wirtschafteten, stets den Gedanken lebendig erhielt, daß Sklaverei im strengen
Sinne des Wortes ein des Menschen unwürdiger Zustand sei. Dann die fort¬
schreitende Geldmirtschaft, die es der Gutsherrschaft möglich machte, mit dem von
den Zinspflichtigen bezogenen Gelde ihre Bedürfnisse auf dem Markte einzukaufen,
was weit bequemer für sie war, als die Versorgung dnrch die Leistungen von
Hörigen, sodaß ihr ein pünktlicher und sonst freier Zinsenzahler nützlicher schien,
als ein höriger Frohnbauer. Endlich die Kolonisation im Osten, die uicht


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[0262] Zur deutschen Wirtschaftsgeschichte Felix Dahn sagt, da sie ja weiter nichts nötig hatten, als die römisch ge¬ schulten Kvlouen und Sklaven, die sie auf den eroberten Gütern vorfanden, ruhig weiter arbeiten zu lassen) und später auch in dein unterworfenen rechts¬ rheinischen Deutschland einführten. Durch diese Konzentration und gleich¬ zeitige Vervollkommnung der Landwirtschaft ward der Ertrag so bedeutend gesteigert, daß Arbeitskräfte genug frei wurden für die (anfangs nur auf dem Frvhnhofe, später teilweise als Hausindustrie betriebenen) Handwerke, für weitere Verbesserungen der Landwirtschaft und andre Knlturaufgaben, z.B. Pflege des Kunsthaudswerks in Klosterwerkstätten. Unter den sächsischen und fränkischen Kaisern dehnten sich zwar zunächst die großen Grundherrschaften noch mehr aus und verdrängten vollends die Reste der in Markgenossenschaften verbundnen Geineinfreien, die unter Karl dein Großen noch so ansehnlich gewesen waren, daß sein Staat, wie Felix Dahn gezeigt hat, noch auf den Unterthanenverband, nicht schon auf den Lehnsverband gegründet gewesen war. Aber für diese Einbeziehung der letzten Gemeinfrcien in die großen Gutsverbände waren mehr herrschaftliche als wirt¬ schaftliche Interessen maßgebend; die kleinern Besitzer wurden ans dein un¬ mittelbaren Unterthanenverbande des Königs gelöst und in den eines Grafen, Bischofs oder Abtes eingefügt, der Wirtschaftsverband des großen Gutes aber wurde dadurch weder vergrößert uoch stärker konzentrirt, vielmehr all¬ mählich vermindert, gelockert und aufgelöst. Von den Höfen wurde nicht mehr der ganze nach Ernten wechselnde Überschuß gefordert, sondern eine feste Natnralrente, die hie und da in einen Geldzins überging, sodaß aus dem Hörigen ein Zinsbauer ward, der sich nur durch den Zins von seinem ganz freien Ahnherrn unterschied und dabei infolge der bessern Bewirtschaftung seines Gutes weit angenehmer lebte, als wie dieser gelebt hatte. In ähnlicher Weise wurden die Frohnden mit Rente abgelöst, schon darum, weil sie uicht mehr im frühern Umfange nötig waren. Denn auch die unmittelbare Bewirt- schaftung des Sallandes ging zurück, indem immer mehr Teile als Bauerhufen ausgethan oder zu Lehn gegeben wurden. Und nicht allein die Nachkommen freier Bauern, sondern auch viele von alters her unfreie Leute stiegen auf dem angegebenen Wege zu größerer Freiheit empor. Drei Mächte wirkten zusammen, dieses Befreiungswerk zu fördern. Ein¬ mal die Kirche, die doch, obgleich die geistlichen Stifte selbst mit Leibeignen wirtschafteten, stets den Gedanken lebendig erhielt, daß Sklaverei im strengen Sinne des Wortes ein des Menschen unwürdiger Zustand sei. Dann die fort¬ schreitende Geldmirtschaft, die es der Gutsherrschaft möglich machte, mit dem von den Zinspflichtigen bezogenen Gelde ihre Bedürfnisse auf dem Markte einzukaufen, was weit bequemer für sie war, als die Versorgung dnrch die Leistungen von Hörigen, sodaß ihr ein pünktlicher und sonst freier Zinsenzahler nützlicher schien, als ein höriger Frohnbauer. Endlich die Kolonisation im Osten, die uicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/262>, abgerufen am 26.08.2024.