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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Gedichte von Peter Cornelius, Eingeleitet von Adolf Stern. Leipzig, C. F.KahnW
Nachfolger, 1890

Aus dem Nachlaß des schon im Herbst 1374 zu Mainz verstorbenen Mu¬
sikers und Dichters Peter Cornelius, eines Neffen des gleichnamigen großen Malers,
wird hier ein Band lyrischer Gedichte geboten, den wir nach Inhalt und Form
zu dem Besten rechnen müssen, was die deutsche Lyrik in den beiden letzten Jahr¬
zehnten hervorgebracht hat. Wer sich über den Musiker Cornelius näher unter¬
richten will, befrage die Schriftchen von Hermann Kretzschmar und Ad. Sand-
berger, wen die Schicksale und der Entwicklungsgang des Menschen interessiren,
der lese die biographische Studie, mit der Adolf Stern die Sammlung der lyrischen
Gedichte eingeleitet hat. Wer aber eine reine, prächtige Natur, eine feingestimmte
Seele, in der die Geister unverwüstlichen Lebensmntes unter schweren Erfahrungen,
die Geister lebendigen Humors und reinster Innigkeit walten, eine Natur, die ihre
Wechselnden Empfindungen mit lebendiger Anmut und glücklich bildlichein Ausdruck
festzuhalten versteht, kennen lernen mochte, der lese sich in diese Gedichte hinein. Wie
es der musikalischen Begabung des Dichters entspricht, sind es meist Lieder, echte
herzgeborene Lieder, die uns ergreifen, doch auch die poetischen Tagebuchblätter mit
dem reichen Wechsel ihrer Rhythmen und der köstlichen Mischung rasch auflodernder,
allem schönen geltender Begeisterung und leiser Selbstironie offenbaren warm
poetische Grundstimmung. Nicht ganz von Reflexion, aber völlig von jeder Rhetorik
frei, sind die "Gedichte" von Peter Cornelius eines der Bücher, die ein volles
und innerlich, reiches Menschendasein in sich schließen. Im Gegensatze zu der Mode
des Tages erscheint der Lyriker Cornelius oft elegisch, schmerzbewegt, aber nie
pessimistisch und immer von einem gläubigen Vertrauen, immer von dem reinsten
Willen erfüllt, Trost in Thränen und Versöhnung in Gott zu finden. Die Ge¬
dichte des hübsch ausgestatteten und mit einem vortrefflichen Bildnis nach einer
Handzeichnung Friedrich Prellers des Ältern gezierten Bandes enthalten einige
Perlen, die funkeln werden, so lange die gegenwärtige deutsche Sprache klingt.
Als poetisches Vorwort dient das schöne Gedicht:


Ich war ein Blatt am Blütenbaum,
Von Lüften leis umfangen,
Und bin im Wind, im Wellenschaum
Vergangen.
Ich war ein Licht, gab hellen Schein
Und sprühte goldne Funken;
In Dunkel ist die Flamme mein
Versunken.
Ich war ein Hauch, ich war ein Ton,
Bon Lust und Schmerz durchdrungen,
Nun ist es still, nun bin ich schon
Verklungen.





Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig

Gedichte von Peter Cornelius, Eingeleitet von Adolf Stern. Leipzig, C. F.KahnW
Nachfolger, 1890

Aus dem Nachlaß des schon im Herbst 1374 zu Mainz verstorbenen Mu¬
sikers und Dichters Peter Cornelius, eines Neffen des gleichnamigen großen Malers,
wird hier ein Band lyrischer Gedichte geboten, den wir nach Inhalt und Form
zu dem Besten rechnen müssen, was die deutsche Lyrik in den beiden letzten Jahr¬
zehnten hervorgebracht hat. Wer sich über den Musiker Cornelius näher unter¬
richten will, befrage die Schriftchen von Hermann Kretzschmar und Ad. Sand-
berger, wen die Schicksale und der Entwicklungsgang des Menschen interessiren,
der lese die biographische Studie, mit der Adolf Stern die Sammlung der lyrischen
Gedichte eingeleitet hat. Wer aber eine reine, prächtige Natur, eine feingestimmte
Seele, in der die Geister unverwüstlichen Lebensmntes unter schweren Erfahrungen,
die Geister lebendigen Humors und reinster Innigkeit walten, eine Natur, die ihre
Wechselnden Empfindungen mit lebendiger Anmut und glücklich bildlichein Ausdruck
festzuhalten versteht, kennen lernen mochte, der lese sich in diese Gedichte hinein. Wie
es der musikalischen Begabung des Dichters entspricht, sind es meist Lieder, echte
herzgeborene Lieder, die uns ergreifen, doch auch die poetischen Tagebuchblätter mit
dem reichen Wechsel ihrer Rhythmen und der köstlichen Mischung rasch auflodernder,
allem schönen geltender Begeisterung und leiser Selbstironie offenbaren warm
poetische Grundstimmung. Nicht ganz von Reflexion, aber völlig von jeder Rhetorik
frei, sind die „Gedichte" von Peter Cornelius eines der Bücher, die ein volles
und innerlich, reiches Menschendasein in sich schließen. Im Gegensatze zu der Mode
des Tages erscheint der Lyriker Cornelius oft elegisch, schmerzbewegt, aber nie
pessimistisch und immer von einem gläubigen Vertrauen, immer von dem reinsten
Willen erfüllt, Trost in Thränen und Versöhnung in Gott zu finden. Die Ge¬
dichte des hübsch ausgestatteten und mit einem vortrefflichen Bildnis nach einer
Handzeichnung Friedrich Prellers des Ältern gezierten Bandes enthalten einige
Perlen, die funkeln werden, so lange die gegenwärtige deutsche Sprache klingt.
Als poetisches Vorwort dient das schöne Gedicht:


Ich war ein Blatt am Blütenbaum,
Von Lüften leis umfangen,
Und bin im Wind, im Wellenschaum
Vergangen.
Ich war ein Licht, gab hellen Schein
Und sprühte goldne Funken;
In Dunkel ist die Flamme mein
Versunken.
Ich war ein Hauch, ich war ein Ton,
Bon Lust und Schmerz durchdrungen,
Nun ist es still, nun bin ich schon
Verklungen.





Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0248] Gedichte von Peter Cornelius, Eingeleitet von Adolf Stern. Leipzig, C. F.KahnW Nachfolger, 1890 Aus dem Nachlaß des schon im Herbst 1374 zu Mainz verstorbenen Mu¬ sikers und Dichters Peter Cornelius, eines Neffen des gleichnamigen großen Malers, wird hier ein Band lyrischer Gedichte geboten, den wir nach Inhalt und Form zu dem Besten rechnen müssen, was die deutsche Lyrik in den beiden letzten Jahr¬ zehnten hervorgebracht hat. Wer sich über den Musiker Cornelius näher unter¬ richten will, befrage die Schriftchen von Hermann Kretzschmar und Ad. Sand- berger, wen die Schicksale und der Entwicklungsgang des Menschen interessiren, der lese die biographische Studie, mit der Adolf Stern die Sammlung der lyrischen Gedichte eingeleitet hat. Wer aber eine reine, prächtige Natur, eine feingestimmte Seele, in der die Geister unverwüstlichen Lebensmntes unter schweren Erfahrungen, die Geister lebendigen Humors und reinster Innigkeit walten, eine Natur, die ihre Wechselnden Empfindungen mit lebendiger Anmut und glücklich bildlichein Ausdruck festzuhalten versteht, kennen lernen mochte, der lese sich in diese Gedichte hinein. Wie es der musikalischen Begabung des Dichters entspricht, sind es meist Lieder, echte herzgeborene Lieder, die uns ergreifen, doch auch die poetischen Tagebuchblätter mit dem reichen Wechsel ihrer Rhythmen und der köstlichen Mischung rasch auflodernder, allem schönen geltender Begeisterung und leiser Selbstironie offenbaren warm poetische Grundstimmung. Nicht ganz von Reflexion, aber völlig von jeder Rhetorik frei, sind die „Gedichte" von Peter Cornelius eines der Bücher, die ein volles und innerlich, reiches Menschendasein in sich schließen. Im Gegensatze zu der Mode des Tages erscheint der Lyriker Cornelius oft elegisch, schmerzbewegt, aber nie pessimistisch und immer von einem gläubigen Vertrauen, immer von dem reinsten Willen erfüllt, Trost in Thränen und Versöhnung in Gott zu finden. Die Ge¬ dichte des hübsch ausgestatteten und mit einem vortrefflichen Bildnis nach einer Handzeichnung Friedrich Prellers des Ältern gezierten Bandes enthalten einige Perlen, die funkeln werden, so lange die gegenwärtige deutsche Sprache klingt. Als poetisches Vorwort dient das schöne Gedicht: Ich war ein Blatt am Blütenbaum, Von Lüften leis umfangen, Und bin im Wind, im Wellenschaum Vergangen. Ich war ein Licht, gab hellen Schein Und sprühte goldne Funken; In Dunkel ist die Flamme mein Versunken. Ich war ein Hauch, ich war ein Ton, Bon Lust und Schmerz durchdrungen, Nun ist es still, nun bin ich schon Verklungen. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/248>, abgerufen am 23.07.2024.