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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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too soll das hinaus?

Da kommen wir mit ein paar Jahren Gefängnis weg, wenn sie uns erwischen.
Dann verabreden sie, daß sie mit dem gestohlenen Gelde nach der Schweiz
flüchten wollen. Die Schweiz liefere nicht aus, meint G. Er weiß das aus
einer Strafsache, die vor einigen Jahren gegen einen bankerotten Kaufmann
verhandelt worden ist. Dieser sei freilich so dumm gewesen, sich mit List
aus der Schweiz wieder herauslocken zu lassen.

G. befolgt die ihm erteilte Anweisung. Als aber K. die Treppe hinauf¬
schleichen will, tritt der Tischler aus seiner Werkstatt und nötigt ihn, wieder
herunterzusteigen. Da sich auch der Sohn des Tischlers beständig in der
Nähe des Hauses zu schaffen macht, gehen sie zunächst wieder fort in der
Richtung nach einem Nachbarorte.

Nach einiger Zeit kehren sie von neuem zurück und macheu den Versuch,
von außen ins Haus zu steigen. Ein Schuppen, der gerade unter dem Fenster
der Wohnung der Frau liegt, erleichtert den Einstieg. K. erklettert das Dach
und will den andern nachziehen. Das Geräusch, das dabei entsteht, erregt
aber wieder die Aufmerksamkeit des Tischlers. Er tritt heraus und verscheucht
die Jungen zum zweitenmal. Sie stehen auch diesmal von dem Plan ab,
K. mit dem Vorsatze, ihn andern Tages weiter zu verfolgen, sobald die Lage
günstiger sei.' Er wartet nur darauf, bis. andern Tages der kleine N. aus der
Schule kommt. , ,

Wieder machen sich beide auf den Weg, K. jetzt zum drittenmale. Vor¬
her giebt er dem N. einen Groschen, damit er zwei Schachteln Wichse kaufen
kann. Mit der einen Schachtel soll er sich in die Behausung des Tischlers
begeben Und sie diesem zum Kaufe anbieten, damit er, K., sich inzwischen durch
die offen gelassene Hausthür ins Haus einschleichen kaun. Mit dem Anbieten
der zweiten Schachtel kann er dann seinen Eintritt in die Wohnung der Frau
B. rechtfertigen. N. soll ihm dann in die obere Wohnung nachfolgen und
ihm bei der Ermordung helfen Er soll die Frau festhalten^ damit "das Blut
nichts so umherspritzt."

. Als N. bei dem Tischler eintritt, findet er, daß die Frau B. selbst an¬
wesend ist. Das Anbieten der Wichse wird abgelehnt; er kann aber unter
solchen Umständen dem K. nicht folgen, sondern will erst warten, bis die
Frau Meder' hinaufgeht. K. hat, als er die Treppe ungehindert hinaufstieg,
die Wohnung verschlossen gefunden. Frau B. ist, wie er annehmen muß,
ausgegangen. Er beschließt, ihre Rückkunft zu erwarten, und begiebt sich zu
diesem Zweck auf den Boden, wohin eine weitere Treppe führt.

. Es vergehen Stunden; die Frau kommt nicht. K. hat sich aus der obern
Treppenstufe hingekauert, bis sein Opfer in Sicht kommt; beharrlich trägt er
den Gedanken an die Vollziehung seines Werkes in der Seele. Der kleine
N. giebt indes die versprochene Hilfe auf, da er dem K. nicht unbemerkt folgen
kaun, und verläßt den Schauplatz. > ,


too soll das hinaus?

Da kommen wir mit ein paar Jahren Gefängnis weg, wenn sie uns erwischen.
Dann verabreden sie, daß sie mit dem gestohlenen Gelde nach der Schweiz
flüchten wollen. Die Schweiz liefere nicht aus, meint G. Er weiß das aus
einer Strafsache, die vor einigen Jahren gegen einen bankerotten Kaufmann
verhandelt worden ist. Dieser sei freilich so dumm gewesen, sich mit List
aus der Schweiz wieder herauslocken zu lassen.

G. befolgt die ihm erteilte Anweisung. Als aber K. die Treppe hinauf¬
schleichen will, tritt der Tischler aus seiner Werkstatt und nötigt ihn, wieder
herunterzusteigen. Da sich auch der Sohn des Tischlers beständig in der
Nähe des Hauses zu schaffen macht, gehen sie zunächst wieder fort in der
Richtung nach einem Nachbarorte.

Nach einiger Zeit kehren sie von neuem zurück und macheu den Versuch,
von außen ins Haus zu steigen. Ein Schuppen, der gerade unter dem Fenster
der Wohnung der Frau liegt, erleichtert den Einstieg. K. erklettert das Dach
und will den andern nachziehen. Das Geräusch, das dabei entsteht, erregt
aber wieder die Aufmerksamkeit des Tischlers. Er tritt heraus und verscheucht
die Jungen zum zweitenmal. Sie stehen auch diesmal von dem Plan ab,
K. mit dem Vorsatze, ihn andern Tages weiter zu verfolgen, sobald die Lage
günstiger sei.' Er wartet nur darauf, bis. andern Tages der kleine N. aus der
Schule kommt. , ,

Wieder machen sich beide auf den Weg, K. jetzt zum drittenmale. Vor¬
her giebt er dem N. einen Groschen, damit er zwei Schachteln Wichse kaufen
kann. Mit der einen Schachtel soll er sich in die Behausung des Tischlers
begeben Und sie diesem zum Kaufe anbieten, damit er, K., sich inzwischen durch
die offen gelassene Hausthür ins Haus einschleichen kaun. Mit dem Anbieten
der zweiten Schachtel kann er dann seinen Eintritt in die Wohnung der Frau
B. rechtfertigen. N. soll ihm dann in die obere Wohnung nachfolgen und
ihm bei der Ermordung helfen Er soll die Frau festhalten^ damit „das Blut
nichts so umherspritzt."

. Als N. bei dem Tischler eintritt, findet er, daß die Frau B. selbst an¬
wesend ist. Das Anbieten der Wichse wird abgelehnt; er kann aber unter
solchen Umständen dem K. nicht folgen, sondern will erst warten, bis die
Frau Meder' hinaufgeht. K. hat, als er die Treppe ungehindert hinaufstieg,
die Wohnung verschlossen gefunden. Frau B. ist, wie er annehmen muß,
ausgegangen. Er beschließt, ihre Rückkunft zu erwarten, und begiebt sich zu
diesem Zweck auf den Boden, wohin eine weitere Treppe führt.

. Es vergehen Stunden; die Frau kommt nicht. K. hat sich aus der obern
Treppenstufe hingekauert, bis sein Opfer in Sicht kommt; beharrlich trägt er
den Gedanken an die Vollziehung seines Werkes in der Seele. Der kleine
N. giebt indes die versprochene Hilfe auf, da er dem K. nicht unbemerkt folgen
kaun, und verläßt den Schauplatz. > ,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/234>, abgerufen am 26.08.2024.