Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Wo soll das hinaus!

cum wir nur wüßten, wo wir Geld herkriegten für nächsten
Sonntag.

Warum denn gerade für den Sonntag?

Weil da Maskenball ist, da möchte ich gerne hingehn.

Ich kann welches kriegen, wenn ich will.

Wenn wir nur einmal einen Mord begehn könnten, bei dein wir ein
paar Tausend Mark verdienten!

Ich wüßte jemand, eine alte Frau in Z.

Hat sie Geld?

Ja. Machst du mit, wenn ichs thäte?

Machst du mit?

Heute paßt mirs gerade nicht, aber --

Es war am 27. Januar 1891, als zwei Bursche im Alter von sechzehn
Jahren auf einem Spaziergange, den sie außerhalb ihres Ortes nach einem
nahen Gehölze machten, dieses Gespräch führten. Dem Gespräche folgt eine
kleine Pause, dann nahm der ältere den Faden der Unterhaltung wieder auf:

Gehst du mit?

Na ja, du holst mich ab.

Am Nachmittag nahmen beide die Richtung nach dem Dorfe, wo die alte
Frau wohnte. Das Haus, worin sie sich aufhielt, gehörte einem Tischler,
der mit seinem vierzehnjährigen Sohne das Erdgeschoß bewohnte. Er war
Witwer. Auch die Frau war verwitwet und stand allein in der Welt. Ihr
Anwesen war verkauft, sie wohnte, was sonst auf dem Lande nicht oft vor¬
kommt, zur Miete und lebte von den Zinsen des bei dem Verkauf übrig¬
gebliebenen kleinen Kapitals. Der ältere der beide" Jungen, der infolge einer
Verletzung seiner Hand, die er sich in der Fabrik zugezogen hatte, in seiner
Erwerbsfähigkeit beschränkt war und sich hauptsächlich hcmsirend vom Handel
mit Lebensmitteln nährte, hatte auf seinen Handelsgängen die Wohnung der
Frau schon öfter betreten. Er wußte, daß dort Geld zu finden war und wo es lag.

Unterwegs begegnen beide einem Handwerksburschen. Sie teilen ihm auf
seine Frage, wo sie hinwollten, unbefangen und ohne Rückhalt mit, daß sie
eine alte Frau berauben und ermorden wollen, als ob es sich dabei um eine




Wo soll das hinaus!

cum wir nur wüßten, wo wir Geld herkriegten für nächsten
Sonntag.

Warum denn gerade für den Sonntag?

Weil da Maskenball ist, da möchte ich gerne hingehn.

Ich kann welches kriegen, wenn ich will.

Wenn wir nur einmal einen Mord begehn könnten, bei dein wir ein
paar Tausend Mark verdienten!

Ich wüßte jemand, eine alte Frau in Z.

Hat sie Geld?

Ja. Machst du mit, wenn ichs thäte?

Machst du mit?

Heute paßt mirs gerade nicht, aber —

Es war am 27. Januar 1891, als zwei Bursche im Alter von sechzehn
Jahren auf einem Spaziergange, den sie außerhalb ihres Ortes nach einem
nahen Gehölze machten, dieses Gespräch führten. Dem Gespräche folgt eine
kleine Pause, dann nahm der ältere den Faden der Unterhaltung wieder auf:

Gehst du mit?

Na ja, du holst mich ab.

Am Nachmittag nahmen beide die Richtung nach dem Dorfe, wo die alte
Frau wohnte. Das Haus, worin sie sich aufhielt, gehörte einem Tischler,
der mit seinem vierzehnjährigen Sohne das Erdgeschoß bewohnte. Er war
Witwer. Auch die Frau war verwitwet und stand allein in der Welt. Ihr
Anwesen war verkauft, sie wohnte, was sonst auf dem Lande nicht oft vor¬
kommt, zur Miete und lebte von den Zinsen des bei dem Verkauf übrig¬
gebliebenen kleinen Kapitals. Der ältere der beide« Jungen, der infolge einer
Verletzung seiner Hand, die er sich in der Fabrik zugezogen hatte, in seiner
Erwerbsfähigkeit beschränkt war und sich hauptsächlich hcmsirend vom Handel
mit Lebensmitteln nährte, hatte auf seinen Handelsgängen die Wohnung der
Frau schon öfter betreten. Er wußte, daß dort Geld zu finden war und wo es lag.

Unterwegs begegnen beide einem Handwerksburschen. Sie teilen ihm auf
seine Frage, wo sie hinwollten, unbefangen und ohne Rückhalt mit, daß sie
eine alte Frau berauben und ermorden wollen, als ob es sich dabei um eine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0232" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290000"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341853_289767/figures/grenzboten_341853_289767_290000_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Wo soll das hinaus!</head><lb/>
          <p xml:id="ID_627"> cum wir nur wüßten, wo wir Geld herkriegten für nächsten<lb/>
Sonntag.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_628"> Warum denn gerade für den Sonntag?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_629"> Weil da Maskenball ist, da möchte ich gerne hingehn.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_630"> Ich kann welches kriegen, wenn ich will.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_631"> Wenn wir nur einmal einen Mord begehn könnten, bei dein wir ein<lb/>
paar Tausend Mark verdienten!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_632"> Ich wüßte jemand, eine alte Frau in Z.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_633"> Hat sie Geld?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_634"> Ja.  Machst du mit, wenn ichs thäte?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_635"> Machst du mit?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_636"> Heute paßt mirs gerade nicht, aber &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_637"> Es war am 27. Januar 1891, als zwei Bursche im Alter von sechzehn<lb/>
Jahren auf einem Spaziergange, den sie außerhalb ihres Ortes nach einem<lb/>
nahen Gehölze machten, dieses Gespräch führten. Dem Gespräche folgt eine<lb/>
kleine Pause, dann nahm der ältere den Faden der Unterhaltung wieder auf:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_638"> Gehst du mit?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_639"> Na ja, du holst mich ab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_640"> Am Nachmittag nahmen beide die Richtung nach dem Dorfe, wo die alte<lb/>
Frau wohnte. Das Haus, worin sie sich aufhielt, gehörte einem Tischler,<lb/>
der mit seinem vierzehnjährigen Sohne das Erdgeschoß bewohnte. Er war<lb/>
Witwer. Auch die Frau war verwitwet und stand allein in der Welt. Ihr<lb/>
Anwesen war verkauft, sie wohnte, was sonst auf dem Lande nicht oft vor¬<lb/>
kommt, zur Miete und lebte von den Zinsen des bei dem Verkauf übrig¬<lb/>
gebliebenen kleinen Kapitals. Der ältere der beide« Jungen, der infolge einer<lb/>
Verletzung seiner Hand, die er sich in der Fabrik zugezogen hatte, in seiner<lb/>
Erwerbsfähigkeit beschränkt war und sich hauptsächlich hcmsirend vom Handel<lb/>
mit Lebensmitteln nährte, hatte auf seinen Handelsgängen die Wohnung der<lb/>
Frau schon öfter betreten. Er wußte, daß dort Geld zu finden war und wo es lag.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_641" next="#ID_642"> Unterwegs begegnen beide einem Handwerksburschen. Sie teilen ihm auf<lb/>
seine Frage, wo sie hinwollten, unbefangen und ohne Rückhalt mit, daß sie<lb/>
eine alte Frau berauben und ermorden wollen, als ob es sich dabei um eine</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0232] [Abbildung] Wo soll das hinaus! cum wir nur wüßten, wo wir Geld herkriegten für nächsten Sonntag. Warum denn gerade für den Sonntag? Weil da Maskenball ist, da möchte ich gerne hingehn. Ich kann welches kriegen, wenn ich will. Wenn wir nur einmal einen Mord begehn könnten, bei dein wir ein paar Tausend Mark verdienten! Ich wüßte jemand, eine alte Frau in Z. Hat sie Geld? Ja. Machst du mit, wenn ichs thäte? Machst du mit? Heute paßt mirs gerade nicht, aber — Es war am 27. Januar 1891, als zwei Bursche im Alter von sechzehn Jahren auf einem Spaziergange, den sie außerhalb ihres Ortes nach einem nahen Gehölze machten, dieses Gespräch führten. Dem Gespräche folgt eine kleine Pause, dann nahm der ältere den Faden der Unterhaltung wieder auf: Gehst du mit? Na ja, du holst mich ab. Am Nachmittag nahmen beide die Richtung nach dem Dorfe, wo die alte Frau wohnte. Das Haus, worin sie sich aufhielt, gehörte einem Tischler, der mit seinem vierzehnjährigen Sohne das Erdgeschoß bewohnte. Er war Witwer. Auch die Frau war verwitwet und stand allein in der Welt. Ihr Anwesen war verkauft, sie wohnte, was sonst auf dem Lande nicht oft vor¬ kommt, zur Miete und lebte von den Zinsen des bei dem Verkauf übrig¬ gebliebenen kleinen Kapitals. Der ältere der beide« Jungen, der infolge einer Verletzung seiner Hand, die er sich in der Fabrik zugezogen hatte, in seiner Erwerbsfähigkeit beschränkt war und sich hauptsächlich hcmsirend vom Handel mit Lebensmitteln nährte, hatte auf seinen Handelsgängen die Wohnung der Frau schon öfter betreten. Er wußte, daß dort Geld zu finden war und wo es lag. Unterwegs begegnen beide einem Handwerksburschen. Sie teilen ihm auf seine Frage, wo sie hinwollten, unbefangen und ohne Rückhalt mit, daß sie eine alte Frau berauben und ermorden wollen, als ob es sich dabei um eine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/232
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/232>, abgerufen am 13.11.2024.